Bauen mit Holz

Der Baustoff verändert das Bauen

Bauen mit Holz und nachwachsenden Baustoffen könnte zum wirkungsvollsten Mittel zur Bekämpfung von CO2-Emissionen werden, da der Bausektor zu den Hauptverantwortlichen für den Klimawandel zählt. Gleichzeitig verwandelt sich unser Verhältnis zum Bauen, und es entstehen neue Arten von Gebäuden und andere Formen des Zusammenlebens.

Je weiter man in der Geschichte zurückblickt, umso mehr ist das Bauen eng mit dem Baustoff Holz verbunden. Selbst das neuzeitliche Archetyp des Heims mit Zweihangdach verweist auf die ursprünglichen Dächer, die mit Ästen gebaut wurden. Ganz so, wie Vögel im Frühling ihr Nest bauen, gehört auch beim Menschen das Bauen zu einem lebensbestimmenden Trieb. Allerdings wird dieser Trieb heutzutage von einem Gewerbe bedient, das immense CO2-Emissionen ausstößt. Man braucht hier nur die Emissionen, die eine Baustelle verursacht, zusammenzurechnen mit den Energiekosten, die durch das Bewohnen entstehen. Französischen Statistiken von 2018 zufolge zählt das Bauwesen zum fünftgrößten Emissionsbeiträger mit knapp 60 Millionen Tonnen CO2. In vielen verfügbaren Statistiken werden allerdings zumeist nur die durch Bewohnung entstandenen CO2-Emissionen zugrunde gelegt, nicht die durch den Bau entstandenen, was natürlich zu Verzerrungen führt. Tatsächlich erreichen die transportabhängigen Ausstöße 70 Millionen, die durch das Wohnen verursachten etwa 55 Millionen Tonnen.1 Man darf es nicht vergessen: Bauen verursacht Transporte, Transporte benötigen Straßen, Straßen verdrängen die Pflanzen, wodurch weniger CO2 aufgenommen werden kann. Was viele verdrängen oder gar nicht wissen: Mit unserem industrialisierten Bautrieb schaffen wir nicht so sehr die Nester für unsere Nachkommen, sondern schaufeln vielmehr ihr Grab.

Wo Gefahr ist, wächst das Rettende viel zu langsam

Der Rückgriff auf nachwachsende Baustoffe soll die Emissionen, die mit dem Bau verbunden sind, auf verschiedene Weise drosseln. Die Baustoffe verbrauchen bei der Herstellung weniger Emissionen, sie speichern CO2, das sonst wieder freigesetzt würde, und sie verhindern den Rückgriff auf andere Baustoffe, die viel mehr Emissionen verursachen. Gebäude aus Holz lassen sich leicht isolieren. Seitdem die Klimafrage ins Bewusstsein gedrungen ist, sind diese Vorzüge des nachhaltigen Bauens bekannt. Folglich wird immer mehr auf diese alternative Form des Bauens zurückgegriffen. Die Marktanteile des Holzbaus wachsen allerdings auf der globalen Ebene sehr langsam und stehen zum Beispiel in keinem Vergleich zum Anstieg der Verwendung von Beton.

Warum der Holzbau so viel Mühe hat, gegenüber den weitaus belastenderen Bauverfahren aufzuholen, hängt auch von der Beschaffenheit des Baugewerbes ab. Im Vergleich zu den Maurerunternehmen fehlt es an Zimmerern, noch schlimmer ist die Diskrepanz bei den Ingenieuren. In den Hochschulen für Architektur erfahren die Studenten immer noch zu wenig über nachhaltiges Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen. Vor allem aber sind die maßgeblichen Normen alle auf die gängigen Baustoffe und insbesondere auf Beton abgestimmt. Die Verquickung von Betonbranche und Generalunternehmern trägt ebenfalls dazu bei, dass der Holzbau es bisher schwer hat, von der Nische zum Baustandard zu avancieren.

Holzbau verändert die Holzprodukte

Bauen mit Holz bedeutet nicht, dass der Werkstoff Beton durch Holzprodukte ersetzt wird. Vielmehr wird der Prozess des Bauens einer grundlegenden Änderung unterzogen. Planung und Vorfertigung werden bedeutender, und die Baustelle wird mehr und mehr zum Ort der Montage. Umgekehrt verändert der Holzbau immer offensichtlicher die Holzwerkstoffe und die Fertigungsprozesse. Typisch für das Zimmererhandwerk sind Balken und Paneele. Seit 20 Jahren setzen sich Massivholzpaneele durch, man nennt sie CLT (Crossed laminated timber) oder in Deutschland BSP (Brettschichtholzplatten). Die Vorfertigung in den Hallen hat dank der Entwicklung der Fertighausindustrie den zweidimensionalen Vorbau so weit getrieben, wie es eben geht. Nun entwickelt sich immer häufiger der dreidimensionale Modulbau. Hinzu kommen alle möglichen Formen des Hybridbaus, bei dem Beton und Holz im Verbund benutzt werden.

Das neue Bauen braucht Kongresse

Um mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten, aber auch, um die Planung der Bauwerke effizient zu gestalten, ist es in der Holzbranche wichtig, in regelmäßigen Abständen zusammenzukommen. Vor 30 Jahren initiierten eine Reihe von internationalen Hochschulen, die Holzbauingenieure ausbilden, einen Kongress in Garmisch-Partenkirchen, der zum Treffpunkt der internationalen Holzbaubranche wurde. Seit zehn Jahren veranstalten die Franzosen unter der Leitung von Nicola Valkyser-Bergmann ebenfalls einen jährlich stattfindenden Kongress. Insgesamt ist das Netzwerk des Internationalen Holzbauforums in 15 Ländern vertreten. In den ungeraden Jahren ist der französische Kongress in Nancy und Epinal beheimatet. In den geraden Jahren geht er dagegen auf Wanderung. Zur 10. Ausgabe im Jahr 2020 schien es sinnvoll, das Forum mitten in Paris stattfinden zu lassen. Die Betreiber des Grand Palais gaben den Ausstellungsort frei, weil das Thema Holzbau und Klimawandel die Pariser beschäftigt. Im Gegenzug sollte die Begleitausstellung, die unter der Glaskuppel des Grand Palais eingerichtet worden war, auch von Laien besucht werden können. Dann kam die Pandemie, so dass der Kongress nun mit einiger Wahrscheinlichkeit im Juli 2021 in einer anderen Umgebung stattfinden wird.
Ein Grand Palais aus Holz

Seit Anfang 2021 wird der Grand Palais wegen umfassender Renovierungsarbeiten nicht mehr für Veranstaltungen genutzt. Stattdessen entstand auf dem Pariser Champs-de-Mars, also unweit des Pariser Eiffelturms, ein temporäres Gebäude aus Holz mit dem vorläufigen Namen Grand Palais Ephémère (GPE), nun Arena Champs-de-Mars. Der erste Name verweist auf das Théâtre Ephémère, das vor zehn Jahren im Palais Royal aus Holz gebaut wurde, als die Comédie Française renoviert wurde. Nach der Renovierung sollte es allerdings noch eine ganze Weile dauern, bis das Holzgebäude einen neuen Dauersitz bekam. In Genf wurde es zum Théâtre des Nations umgestaltet und erweitert, und nun soll das Gebäude nach China verfrachtet werden, um auch dort als Theater genutzt zu werden. Im Falle des GPE geht es zum einen darum, die Events des Grand Palais zu beherbergen, dann als Austragungsort der Olympischen Spiele von 2024 zu fungieren. Erst Ende 2024 soll der Champs-de-Mars wieder freigemacht werden. Neu ist, dass der GPE so gebaut wurde, dass er anderswo wieder aufgestellt werden kann. Notfalls können auch nur einzelne Module verwendet werden. Ob es wirklich so gelingen wird, muss sich zeigen. Aber der Ansatz zeigt den Übergang in eine neue Bauwelt, in der immer häufiger mit Strukturen gearbeitet wird, die vorher schon existierten und die morgen vielleicht anderen Bauwerken weichen.

Der zweite Wald

Als Austragungsort der Olympischen Spiele punktet der GPE als besonders niedriger Emissionsträger. Ursprünglich wollte Paris die Emissionsbilanz der Spiele im Vergleich zu London um 50 % senken. Ein Gebäude wie das GPE kann wegen der modularen Wiederverwendung die gesamten Emissionen seiner Struktur sichern. Eine Tonne Holzstruktur entspricht einer Tonne CO2, die dem Wald zwar entnommen wurden, aber in den Strukturen für unbestimmte Zeit nicht wieder freigelassen werden, während neues Holz im Wald wächst. Deshalb spricht man vom Holzbau als dem zweiten Wald. Und das gilt umso mehr, als der Rückgriff auf Holz in diesem Fall eine Verwendung von Stahl verhindert hat, wobei die Herstellung von Stahl ganz wesentlich zur Erderwärmung beiträgt.

Stadtplanen mit Leerflecken

Im Falle des GPE ist der Bauherr eines des leitenden Eventunternehmen in Frankreich. Man kann sich vorstellen, dass diese Struktur später immer wieder in der einen oder anderen Weise zum Einsatz kommt. Die Frage ist nur, wo das alles geschehen soll. Abgesehen von den Jahrmarktplätzen für Zirkusbauten sehen die Stadtplaner in ihren Konzepten kaum freie Räume vor. Das erklärt sich ja auch durch das Selbstverständnis dieser Zunft, die hauptsächlich Bauland erschließt. Andererseits wird es heutzutage immer sinnfälliger, wie in Frankreich bestimmte Bauflächen, genannt ZAC, aufgrund eines ausgetüftelten Plans zwanzig Jahre im Voraus geplant werden, obwohl oft schon 30 Jahre nach der Fertigstellung eines Gebäudes ein Abriss bevorsteht. Wenn man bedenkt, wie schwer das Bauen die Emissionsbilanz belastet, dann ist so eine Folge von Bauen, Rückbauen und Neubauen im 30-Jahre-Takt nicht mehr vertretbar. Folglich sind heute Gebäude gefragt, die derzeit noch als Büro fungieren, morgen aber durch wenige Umwandlungen als Wohnungen verwendet werden können. Auch diese Flexibilität leistet der Holzbau, weil die tragenden Strukturen nicht aus einem Beton bestehen, der sich kaum umgestalten lässt.

Olympische Dörfer im Zeitalter des Pariser Abkommens

Noch steckt die flexible Gestaltung der Büroflächen in den Kinderschuhen. Immerhin entstand im vergangenen Jahr in Nizza ein zehnstöckiges Bürogebäude aus Holz, das von vornherein so geschaffen wurde, dass daraus bei Bedarf auch Wohnungen entstehen könnten. Das Palazzo Meridia von der bekannten Architekten-Agentur Architecture Studio ist auch insofern kein Einzelfall, als dass das Olympische Dorf im Norden von Paris (St-Ouen und St-Denis) erst für die Unterbringung der Athleten bestimmt ist und dann als normaler Stadtteil weiterleben soll. Das ist allerdings seit Jahrzehnten im Bereich der Olympischen Spiele nichts Neues. Der Rückgriff auf Holz wurde beim Pariser Olympischen Dorf trotz erster Ankündigungen stark begrenzt. Immerhin werden zahlreiche kleinere Gebäude eine Holzstruktur besitzen, und fast alle Gebäude eine, wenn auch versteckte, Holzfassade. Das Olympische Dorf wird auch deshalb kein Manifest einer neuen, emissionsarmen Form des Bauens sein. Dafür fehlte den Veranstaltern der rechte Glaube. Die Planung eines ganzen Stadtteils unter den Voraussetzungen der Fristen und der vorübergehenden Verwendung für die Olympiade waren an sich schon schwer zu verkraftende Vorbedingungen. Trotzdem hätte die Welt neun Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen mehr erwarten können. Zum Beispiel liegt der neue Stadtteil direkt an der Seine. Dadurch wäre es möglich gewesen, Holzstrukturen nicht durch Lastwagen, sondern über die durchaus fahrbaren Gewässer zu befördern und einige nach den Spielen vielleicht auch wieder an andere Orte zu bringen.

Eine Halle, und die Idee dahinter

Die Situation, auf die man beim Olympische Dorf trifft, zeigt, dass nicht das Holzbauen ein Problem ist, sondern die Art, wie die Menschen heute mit den Fragen des Bauens umgehen. Dafür gibt es nun ein weiteres Beispiel. In Ancy-sur-Moselle, also im südlichen Einzugsgebiet von Metz, baute das renommierte Lothringer Architektenbüro Studiolada eine Holzhalle, die immer für alle offen bleibt und für alle möglichen Zwecke genutzt werden soll. Sie ist in erster Linie für Sportzwecke, aber auch für Märkte oder gar für Veranstaltungen nutzbar. Die beeindruckende Struktur wird von einem Dach aus Polycarbonat ummantelt. Die Beplankungen aus Schwarzkiefer stammen aus den umliegenden Wäldern. Noch wichtiger als die Art, wie Studiolada und das ebenfalls aus Lothringen stammende Ingenieurbüro Barthes Bois die wunderbare Struktur meisterten, ist das Angebot, das der Architekt Christophe Aubertin, wenn auch etwas spät, den Veranstaltern der Olympischen Spiele auch mit diesem Beispiel vorlegt. Laut Aubertin gibt es viele Gemeinden in Lothringen, die durchaus bereit wären, Holzgebäude, die anlässlich der Olympischen Spielen zu unterschiedlichen Zwecken benötigt werden, danach auch für andere Zwecke bei sich aufzustellen. Auch hier würde die Zusammenarbeit zwischen den Veranstaltern und den Lothringer Gemeinden verhindern, dass provisorische Gebäude nach den Spielen zerstört werden, womit die Emissionsbilanz der Spiele noch weiter verbessert werden könnte. Vor allem aber hätten diese Gemeinden neue Möglichkeiten, um Mehrzweckhallen zu übernehmen, die die sozialen Kontakte erleichtern und die Gemeinden wieder aufleben lassen.

 

  1. Vgl. https://tinyurl.com/7thsybez (letzter Aufruf: 25. März 2021).

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