Behinderung für alle

Oder „Design for All“? (Dossier (Einleitung in einfacher Sprache))

Mein Name ist Anne Schaaf. Ich habe mich um dieses Dossier gekümmert. Ich möchte nun erklären, was die Leser und Leserinnen auf den folgenden Seiten erwartet.

Ich habe mit vielen Menschen gesprochen, die sich mit Barrieren auskennen. Eine Barriere ist etwas, was mich und andere daran hindert, etwas zu tun. Es ist eine Behinderung. Barrieren können Menschen den Zugang zu etwas versperren. Zum Beispiel: Den Zugang zu Gebäuden, aber auch den Zugang zu Informationen, zu Bildung und zu Kultur.

Wenn der Zugang versperrt ist, ist das nicht ok. Denn der Zugang zu diesen Dingen ist ein Menschenrecht. Menschenrechte gelten für alle Menschen. Diese Rechte stehen in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Außerdem gibt es auch das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Diese nennt man auch UN-Behindertenrechtskonvention. In der Konvention steht, dass Menschen mit einer Behinderung die gleichen Rechte haben wie alle anderen. Luxemburg hat diesen Vertrag unterschrieben. Das heißt, die Politiker und alle anderen müssen etwas dafür tun, dass auch sie nicht behindert werden.

Damit man weiß, wie das am besten funktioniert, muss man aber verstehen um was es geht. Mir kann niemand so genau sagen, was „behindert“ eigentlich heißt. Zum Beispiel die Familienministerin Corinne Cahen weiß das auch nicht. Sie fragt sich sogar, ob sie behindert ist, weil sie klein ist. Denn sie kommt im Supermarkt nicht an die Regale, die oben sind.

Das ist aber nicht Corinne Cahens Fehler. Das ist die Schuld vom Regal. Jemand hat das Regal dahin gestellt und vergessen, dass es Leute wie Corinne Cahen gibt. Deswegen muss Corinne Cahen andere manchmal daran erinnern, dass sie da ist. Meine Oma kommt auch nicht an das Regal, weil sie im Rollstuhl sitzt. Und mein Bruder hat den Arm gebrochen, also kann er beiden nicht helfen. Alle drei haben sie gemeinsam, dass sie behindert werden. Durch Umstände von außen. Das Ziel soll aber sein, dass niemand behindert wird.

Silvio Sagramola ist der Chef von Info-Handicap und kennt eine mögliche Lösung, um das Ziel zu erreichen. Sie heißt „Design for all“. Das heißt: unsere Umwelt so machen, dass niemand behindert wird. Weder Corinne Cahen, noch meine Oma oder mein Bruder. Diese Idee spielt zum Beispiel eine Rolle, wenn man Häuser baut. Denn wenn Häuser falsch gebaut werden, dann kommt nicht jeder rein. Das ist zum Teil der Fall bei der Universität Luxemburg in Belval. Über dieses Problem schreiben Arthur Limbach-Reich und Justin Powell. Sie sind Lehrer an der Universität und wollen, dass niemand ausgeschlossen wird, wenn er etwas lernen möchte.

Fabiano Munisso ist Ingenieur und weiß, wie man Gebäude bauen muss, damit Menschen besser reinkommen. Er passt in Luxemburg auf, dass das auch passiert. In einem Artikel erklärt er, wie er Menschen dabei helfen kann, an Dinge zu denken.

Corinne Cahen ist Familienministerin und arbeitet gerade an einem Gesetz, das mit Bauen zu tun hat. Sie hat mir zwar nicht verraten, wann dieses Gesetz kommt, aber das Gespräch mit ihr war trotzdem interessant.

Herbert Maly ist Chef bei COOPERATIONS. Das ist ein Zentrum, in dem sehr viele unterschiedliche Leute arbeiten und ihre Freizeit genießen können. Damit das gut funktioniert, müssen Menschen viel reden und verhandeln. Das ist wichtig, damit jeder Teil haben kann. Das ist nicht immer einfach. Warum das so ist, hat er mir in einem Gespräch erklärt.

Es gibt aber nicht nur Barrieren/Behinderungen, die man anfassen kann. Eine davon kenne ich sehr gut. Ich höre oft: „Komm auf den Punkt!“. Damit
wollen Menschen mir sagen, dass ich verständlich sprechen soll ohne eine lange, komplizierte Geschichte zu erzählen. Im Mai 2016 hat der feierkrop das auch zu mir gesagt. Sie haben in ihrer Zeitung geschrieben, dass ein Satz von mir „grauenhaftes Akademikerdeutsch“ ist. Das heißt, dass Leute, die zur Universität gegangen sind, oft lange komplizierte Sätze schreiben und nachher nicht mehr wissen, was sie eigentlich sagen wollten. Wenn das eine Krankheit ist, dann gibt es definitiv viele kranke Menschen in Luxemburg und überall auf der Welt. Denn es gibt viele Texte, die nicht jeder versteht.

Das ist schade und auch ein Problem. Weil dann ist nicht jeder informiert. Gerade wenn es um Politik geht, muss aber jeder verstehen können, um was es geht. Das ist wichtig, damit jeder in der Gesellschaft mitmachen kann. Deswegen gibt es Menschen wie Sylvie Bonne. Sie arbeitet bei Klaro. Das ist ein Büro für Leichte Sprache.

Hier schaut sie gemeinsam mit Prüfern, ob Texte zu kompliziert sind. Diese Prüfer haben manchmal Probleme beim Lesen oder beim Denken. Ihr Problem kann aber zu einem Vorteil werden. Denn sie können Menschen wie mir helfen, Texte so zu schreiben, dass jeder sie versteht. Wie das genau geht, erklärt Sylvie Bonne in ihrem Artikel.

Jochen Zenthöfer ist Jurist, also jemand, der sich mit Regeln und Gesetzen auskennt. Er nutzt sein Wissen und erklärt es anderen Menschen. In einer Sprache, die sie verstehen. Das macht er auch in dieser Zeitung. Das ist wichtig, denn die Sprache von Juristen ist manchmal wie Chinesisch. Und Chinesisch kann nun mal nicht jeder. Zum Beispiel Menschen, die aus Syrien weglaufen, weil dort Krieg ist. Sie brauchen Hilfe, um Informationen in anderen Ländern zu verstehen. Sie haben keine Probleme beim Denken, aber sie können die Landes-Sprache nicht. Das ist auch bei vielen Luxemburgern in Luxemburg so. Wenn Texte ganz kompliziert sind, dann verstehen auch sie nicht, was in diesen Texten steht. Dann wollen sie auch weglaufen, auch wenn hier kein Krieg ist. Damit niemand weglaufen muss, gibt es in diesem Heft bei jedem Artikel eine Zusammenfassung in Leichter Sprache. (Außer bei Jochen Zenthöfer, weil sein Text schon einfach ist.)

Der letzte Text im Dossier ist kein Artikel, sondern eine persönliche Erfahrung. Isabel Scott ist sehr ehrlich. Sie wünscht sich, dass Menschen auf ihre Wortwahl aufpassen. Denn manchmal baut man auch Barrieren auf, wenn man die falschen Worte benutzt. Darüber sollte man nachdenken.

Was „behindert“ genau heißt, das kann und wird am Ende nicht endgültig geklärt. Wir sind und werden eigentlich alle manchmal behindert und manchmal nicht.

Wenn es keine Barrieren mehr gibt, dann ist die Welt barrierefrei.  Wir hoffen, dass wir mit diesem Dossier ein ganz klein wenig zur Barrierefreiheit beitragen können.

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