Bei forum ist alles ganz anders

Erfahrungsbericht aus der Welt der Redaktionskonferenzen

Filmfreunde mit einem Faible für Journalistenthriller (All The President’s Men, Spotlight, Der Fall Barschel, usw.) wissen genau: Eine zünftige Zeitungsredaktionskonferenz ist eine Selbstinszenierung mit eingespielten Rollen und Verhaltensmustern. Ob sitzend oder im Stehen, es geht lässig und zugleich hochkonzentriert zur Sache. Die aktuelle Ausgabe, fast noch druckfrisch und doch schon Schnee von gestern, wird routiniert-kritisch durchleuchtet und auf Schwachpunkte abgeklopft. Womit punkteten die anderen, was haben wir verschlafen? Wie haben die Kollegen vom Funk unseren Scoop aufgegriffen? Wo müssen wir unbedingt am Ball bleiben, nachrecherchieren, weiterbohren? Im Eiltempo werden die Rubrikenaufmacher für die nächste Ausgabe abgehakt. Hemdsärmelig ist der Habitus, bedeutungsschwanger die Mienen. Über all dem thront der Chefredakteur, sekundiert von seinen Beigeordneten und dem CvD. Mit kühler Geschäftigkeit verteilt er spärliches Lob und süßsauren Tadel; zuweilen kann er sich das Altväterliche nicht verkneifen. Ja, gewiss, man ist Zeitungsmacher, Wachhund der Demokratie! Man versorgt die Entscheider im Lande mit lebenswichtiger Information, macht Meinung und, wenn’s sein muss, auch Stimmung. Der Glaube an die Medien als Vierte Gewalt im Staate – hier, unter Profijournalisten, ist er noch intakt!

Underdogs aus der Unterstadt

Bei forum hingegen, der kleinen, feinen Autorenzeitschrift aus Pfaffenthal, ist alles ganz anders. Das fängt schon damit an, dass man sich dort in der Illusion wiegt, von einem Monatsheft zum anderen verginge unsagbar viel Zeit. Von der bei Tages- und Wochenzeitungen üblichen Redaktionskonferenzenhektik fehlt demnach jede Spur. Hektik und Stress ist die ausschließliche Domäne der zurzeit zwei hauptamtlichen Koordinatorinnen. Im Vierwochentakt müssen sie nolens volens die Erfahrung machen, dass selbst die entschleunigte Publizistik so ärgerliche Dinge wie Redaktionsschluss und Drucklegungstermin kennt. Das wäre auch nicht weiter schlimm, wenn sämtliche Texte Marke Eigenbau wären, also hausintern und eigenverantwortlich von den beiden Redakteurinnen verfasst würden. Da aber das forum-Konzept, wie gesagt, darin besteht, auf die Expertise von außen, d.h. auf ohnehin heiß umworbene, viel beschäftigte und, je nachdem, im Prokrastinieren geübte externe Autoren zurückzugreifen, kann man schon mal in Situationen schlittern, wo beim Korrigieren, Nachredigieren und Layouten nebst kühlem Kopf eine gehörige Portion Improvisationsvermögen gefragt ist.

Davon aber ist in der Redaktionsversammlung, zu der sich im Schnitt alle vierzehn Tage, manchmal auch im Wochentakt, die freien Mitarbeiter von forum treffen, nichts zu spüren. Von dieser sonderbaren Spezies gibt es rund zwei Dutzend Exemplare, etabliertere und informellere. Wer sich über einen längeren Zeitraum durch eine gewisse Beständigkeit hervorgetan, bzw. im Trägerverein Verantwortung übernommen hat, wird als „ständiger Mitarbeiter“ im Impressum der Zeitschrift genannt. Mehr als diesen Blumentopf gibt es bei forum allerdings nicht zu gewinnen. Will heißen: Es werden keine Präsenzjetons oder sonstigen Aufwandsentschädigungen ausbezahlt; alles Engagement ist unentgeltlich. Für Spesenritter ist forum als gewinnbringende Freizeitbeschäftigung demnach völlig uninteressant.

Nun wäre es verfehlt zu glauben, das kleine Büro in Pfaffenthal würde bei jeder Redaktionssitzung buchstäblich aus allen Nähten platzen. Die Anwesenheit bleibt – wohl auch angesichts der vielfachen beruflichen und ehrenamtlichen Verpflichtungen eines jeden Einzelnen – in der Regel überschaubar. Doch gerade im halben Dutzend oder auch noch zu zehnt lässt es sich vorzüglich brainstormen, dozieren, debattieren und konferieren. Es ist eine Art Stammtisch für Studienräte und deren Artverwandte, vom Universalgelehrten bis zum Fachexoten, ein offenes Haus für Kulturfuzzis, Politjunkies, Büchernerds, Medienfreaks, Hobbyphilosophen, -theologen, -anthropologen u.v.a.m.

Das wirklich Schöne an der forum-Redaktionskonferenz ist meines Erachtens Folgendes: Es geht den Leuten hier nicht um Machtausübung, Deutungshoheit, Wichtigtuerei, Selbstbestätigung oder sonstige Ausgeburten einer abschreckenden Vereinsmeierei. Es geht nicht, anders als beispielsweise in Partei-, Verbands- oder Unternehmenshierarchien, um den Wettbewerb der Egos und persönliche Vorteile auf imaginären Karriereleitern. Bei forum dreht sich alles einzig und allein um die gemeinsame Sache, um anspruchsvolle Inhalte, die Stoff liefern für kontroverse Auseinandersetzungen in einer offenen, mündigen Demokratie, um die Qualität der Zeitschrift… und folglich auch um die persönliche Genugtuung, an einem klugen, pluralistischen, kritischen sowie letzten Endes gesellschaftlich und akademisch relevanten Presseprodukt mitzuwirken. Wäre dem nicht so, das Projekt hätte längst das Zeitliche gesegnet.

Um nicht missverstanden zu werden: forum, das sind nicht die Oberkritikaster, die Immer-alles-Besserwisser und Klugscheißer, Angehörige einer elitären Kaste, die, moralische Überlegenheit demonstrierend, mit frostiger Abscheu und wohlig-selbstgerechtem Schaudern auf das gemeine Volk, auf die Plebs herabblicken. Natürlich nimmt man sich mit doppeldeutigem Humor auch gerne selbstironisch aufs Korn im vollen Bewusstsein, dass dieser oder jener liebenswürdige Zeitgenosse uns tatsächlich so wahrnimmt. Sollte dies zutreffen, sei den Betreffenden aber ausdrücklich versichert: Es ist keinesfalls so gemeint, wie es ab und zu vielleicht rüberkommt! (Und falls doch, ist es entsprechend gekennzeichnet.)

Eher schon ist das Gegenteil der Fall, denn bei forum halten wir es mit Sokrates und Cicero: „Wir wissen, dass wir nichts wissen.“ Deshalb werden regelmäßig Leute vom Fach zur Beratung und Konzipierung der jeweiligen Dossiers herangezogen. Gerade dieser Austausch mit Außenstehenden, die bereitwillig ihr Wissen und Urteilsvermögen zur Verfügung stellen, ist eine tragende Säule im langwierigen, drei- bis viermonatigen Werdegang zwischen fixer Idee und fertigem Heft. Dass man so nebenbei nach fast jedem Redaktionstreffen das Gefühl hat, man sei mal wieder ein bisschen schlauer geworden, habe den eigenen bescheidenen Horizont um ein paar Maßeinheiten erweitert, ist ein ganz wunderbarer Nebeneffekt dieser Arbeitsmethode.

Die Mischung macht’s

Von daher gilt bei forum mehr denn je die Maxime: Die Mischung macht’s. Der Mix aus solider Fachkompetenz der einen und ungestillter intellektueller Neugier der anderen, aus dem Erfahrungsschatz der viel Älteren und den veränderten Lebenswirklichkeiten der noch Jüngeren (von denen übrigens mit erfrischender Regelmäßigkeit immer wieder neue, liebenswerte und höchst interessante Gesichter hinzustoßen). Es ist ein buntes, kreatives Potpourri von Menschen mit sehr unterschiedlichen kulturellen, politischen, religiösen, sozialen oder familiären Hintergründen – welche als kleinster und doch ungemein großer gemeinsamer Nenner ein seit vier Jahrzehnten unveränderter Katalog von Werten eint, die da heißen: Menschenwürde und Menschenrechte, Gerechtigkeit des Weltwirtschaftssystems, Nachhaltigkeit und Ökologie, Inklusion und Multikulturalität, sozialer Zusammenhalt, Gleichheit der Geschlechter, bürgerschaftliches und politisches Engagement.

Und weil all diese Individuen zudem in ihren jeweiligen Gemeinschaften und Milieus überdurchschnittlich gut vernetzt sind, ergibt sich, würde man es grafisch darstellen, rund um forum ein Geflecht an persönlichen Beziehungen, Bekanntschaften und überraschenden Querverbindungen, wie es in dieser Dichte hierzulande wohl einzigartig ist. Wollte irgendjemand uns bösartige Verschwörungsabsichten gegen die etablierte (Un)Ordnung im Großherzogtum unterstellen, man könnte uns glatt als gefährliche Geheimloge Pfaffenthaler Bilderberger abqualifizieren.

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