Über schreibende Roboter und programmierende Reporter

Hilfe, ein Roboter übernimmt meinen Job! Diese Befürchtung äußerten bis jetzt eher Maschinenführer*innen und Zählerableser*innen als Reporter*innen. Diese machten sich eher wegen der Medienkrise Sorgen um ihren Job und unterstrichen umso nachdrücklicher den Mehrwert, den die Journalistentätigkeit für eine demokratische Gesellschaft darstellt. Doch nun halten digitale Mitarbeiter auch in Redaktionen Einzug und stellen diesen Mehrwert in Frage.

Automatisierte Roboterjournalisten können tatsächlich heute bereits Themen am Rande des Journalismus abdecken, wo strukturierte Datenmengen vorliegen, Kreativität wenig und unprätentiöse Faktenwiedergabe viel bedeutet. Hierzu zählt vor allem die Börsen-, Sport-, Verkehrs- und Wetterberichterstattung.

Mensch gegen Maschine

Diese von Algorithmen produzierten Texte unterscheiden sich kaum mehr von jenen aus Journalis-tenfeder. Laut Studien, die beide Arten von Texten miteinander vergleichen, werden die von Computern produzierten Mitteilungen vom Leser gar als vertrauenswürdiger, da faktenreicher, wahrgenommen. Die von Journalist*innen produzierten Texte werden dagegen – noch? – als etwas angenehmer zu lesen beschrieben. 2015 lieferte sich so der Reporter Scott Horsley vom US-amerikanischen National Public Radio (NPR) einen Wettstreit mit dem Schreibalgorithmus ‚Wordsmith‘. Es ging darum, einen Bericht über die Finanzlage einer Gastronomiekette zu schreiben, in der Horsley regelmäßig Gast war. Das Resultat: Wordsmith lieferte einen akkuraten Text in zwei Minuten, Horsley brauchte sieben Minuten für einen Text mit den gleichen Fakten, der jedoch stilistisch einfallsreicher war.

Text als Massenproduktion

Wie entsteht solch ein automatisierter Text? Zuerst sammelt und analysiert eine Software die relevanten Daten, beispielsweise Finanzdaten. Dann werden Textbausteine nach computerlinguistischen Verfahren generiert und syntaktisch zusammengesetzt. Journalist*innen können gegebenenfalls danach diesen computergenerierten Text mit Zitaten aus Interviews und Hintergrundinformationen anreichern.
Journalistenroboter generieren mittlerweile Milliarden von Texten jedes Jahr. Die Firma Aexea ist nach eigenen Angaben heute technisch in der Lage, an einem Tag 90 Millionen Texte in 11 Sprachen zu produzieren und wird unter anderem vom Deutschen Sport-Informationsdienst eingesetzt.

Bereits seit 2014 bereits Associated Press (AP) ihre Meldungen über Quartalsberichte von Unternehmen durch Algorithmen produzieren, und kommt so pro Quartal auf 3000 automatisierte Texte. Bis 2020 will AP 80 Prozent seines Nachrichtenangebots automatisieren.

Der ‚Quakebot‘ der LA Times speist sich aus seismischen Daten und verfasst im Fall eines Bebens innerhalb weniger Minuten selbstständig eine Gefahrenmeldung. Zeitungen wie Le Monde oder L’Express benutzen Algorithmen, um detailliert über Wahl-ergebnisse zu berichten.

Ein weiteres interessantes Beispiel für automatisierte Nachrichten mit Mehrwert liefert MittMedia, eines der größten Medienunternehmen in Schweden. Sein Algorithmus ‚The Homeowners Bot‘ analysiert den Immobilienmarkt und dessen Preisstruktur und ist dank Geolokalisation in der Lage, jeden Abonnenten mit Informationen über den Preis und über die Käufer von Immobilien in seinem direkten Umkreis zu versorgen.

Möglich macht dies Schwedens Transparenzmodell, in dem grundsätzlich alle Verwaltungsakte öffentlich sind. Das automatisierte Skript produzierte in den ersten vier Monaten 10 000 Artikel, die zu den meistgelesenen Beiträgen des Unternehmens gehören und für zahlreiche neue zahlende Abonnenten sorgten.

Hinter jedem guten Algorithmus steht ein
kompetenter Journalist

Die Roboterkollegen haben tatsächlich einen entscheidenden wirtschaftlichen Vorteil gegenüber menschlichen Autor*innen: Sie sind güns-tiger, schneller und arbeiten fehlerfreier. Ihre Verfechter*innen argumentieren zudem mit der Entlastung von qualifizierten Journalist*innen bei mehr oder weniger geistlosen Tätigkeiten, so dass diese sich wieder voll ihrem Kerngeschäft widmen könnten – recherchieren, einordnen, argumentieren, Geschichten erzählen.

Starke Meinungsstücke, vielschichtige Hintergrundgeschichten, intelligente Interviews, scharfsinnige Analysen, feinfühlige Beobachtungen – gerade das ist es, was das Charisma eines Autors und den Charme einer Zeitung ausmacht. Hierbei dürfte der Mensch tatsächlich auch künftig ungeschlagen bleiben. Opti-
misten dürfen hoffen, dass diese Arbeit weitere Wertschätzung erfährt, je öfter die Leser*innen mit inhaltlich korrekten, jedoch stilistisch faden Roboter-Artikeln in Berührung kommen.

Doch bevor Schreibautomaten als Unterstützer dieser wahren redaktionellen Arbeit anerkannt werden können, sollten noch einige grundlegende ethische Fragen beantwortet und Standards festgelegt werden.
Ist Roboterjournalismus von den Grundrechten der Pressefreiheit abgedeckt? Sind computergenerierte Texte urheberrechtlich geschützt? Wer kann als Autor zur Verantwortung gezogen werden – das veröffentlichende Medium oder der Programmierer des Algorithmus? Welche Fakten werden vom Algorithmus als relevant erachtet? Wird beispielsweise die Herkunft eines Mörders erwähnt oder nicht?

In diesem Sinne der Transparenz sollte eine Pflicht zur Kennzeichnung von computergenerierten Texten erfolgen. Medien sollten die Algorithmen ihrer Text-Roboter veröffentlichen und dem Leser erklären, wie sie funktionieren. Journalist*innen sollten zudem wissen, woher die Roboter ihre Daten beziehen und sie ständig nach journalistischen Abwägungen überprüfen. Denn der Journalist braucht keinen Algorithmus, doch der Algorithmus braucht einen Journalisten.

Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.

Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!

Spenden QR Code