„CSV, Erzbistum und Universität sind unsere wichtigsten Partner.“
Interview mit dem Brüsseler Büroleiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, Stefan Gehrold, über den politischen Dialog und Reformprozess in der CSV
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ist eine der CDU nahestehende, deutsche politische Stiftung. Was macht die KAS in Luxemburg und weshalb ist sie hierzulande aktiv?
Stefan Gehrold: Die Adenauer-Stiftung hatte zunächst einen entwicklungspolitischen Auftrag in internationalen Dimensionen. Später hat sie dann auch Büros etabliert, die sich mit der bilateralen Zusammenarbeit der jeweiligen Grenzländer mit Deutschland beschäftigten — sozusagen als politische Dialogplattform. In Luxemburg organisieren wir Seminare, Konferenzen und Vortragsveranstaltungen mit dem Ziel, durch diese bilateralen Kontakte voneinander zu lernen.
Sie sehen die KAS als eine Dialogplattform. Wer sind in diesem Fall Ihre Dialogpartner in Luxemburg?
S.G.: In klassischer Weise sind alle Institutionen, die einen demokratischen Staat stützen, auch für die Adenauer- Stiftung Ansprechpartner. Das können Verbände sein, wie zum Beispiel Gewerkschaften oder Wirtschaftsverbände, aber auch politische Parteien, Universitäten, Kirchen und Religionsgemeinschaften — sozusagen alle Faktoren, die einen Staat stützen. In Luxemburg sind unsere drei wichtigsten Partner momentan die CSV, das Erzbistum und die Universität Luxemburg.
Wie sieht diese Verbindung zur CSV konkret aus?
S.G.: Wir sprechen mit der Parteizentrale ab, in welchen Formaten ein politischer Austausch sinnvoll wäre. Das können Mitarbeiter des Generalsekretariats, Ver- antwortliche der CSV in Städten und Gemeinden in Luxemburg oder auch Aktivisten der CSV-Jugendorganisation sein. Wir versuchen diese mit Vertretern etwa der Jungen Union und der CDU in Deutschland zusammenzubringen, damit dort ein Austausch entsteht. Dies kann sich zum Beispiel auf die Parteiorganisation beziehen, die Konzeption der Parteiprogramme, die Wahlkampfführung sowie Schulungen in politischer Rhetorik. Allerdings ist die Unterstützung des Wahl- kampfs nicht Teil unserer Aufgabe, weder in Deutschland noch in Luxemburg.
In Deutschland und im Vergleich zu anderen Ländern sind politische Stiftungen sehr präsent. Wie erklären Sie diese Kultur der politischen Stiftungen?
S.G.: Das ist in der Tat eine Entwicklung, die in anderen Ländern so nicht aufgetreten ist. Eine wichtige Ursache für die Entstehung politischer Stiftungen in der Bundesrepublik ist sicherlich die Tatsache, dass es zwischen 1918 und 1931 bereits eine Demokratie in Deutschland gab, die aber 1933 nicht wehrhaft und stabil genug war, um die Entstehung eines totalitären Systems zu verhindern. Aus dieser Erfahrung heraus wuchs in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg die Überzeugung, dass man solche politischen Stiftungen braucht, um die Demokratie dauerhaft stark und stabil zu erhalten. Wenn Sie so wollen, war man der Auffassung, dass die Deutschen eine Erziehung zur Demokratie benötigten. Politische Stiftungen versuchten diesbezüglich Einfluss auf die Öffentlichkeit zu nehmen, aber natürlich auch und vor allen Dingen auf die Entwicklung der Parteienlandschaft in Deutschland. Die Geschichte Deutschlands sowie die feste Überzeugung, dass Demokratie als Parteiendemokratie funktionieren muss, ist vielleicht das Hauptelement dafür, dass man parteinahe Stiftungen als Faktor für politische und demokratische Stabilität sieht. Nehmen Sie andere Länder, in denen möglicherweise die Parteistrukturen nicht diesen wichtigen Charakter besit- zen. In Frankreich gibt es ein Präsidialsystem, und vielleicht ist deswegen die Existenz politischer Stiftungen nicht ganz so wichtig oder nicht ganz so präsent in der öffentlichen Diskussion.
Könnte Luxemburg von eigenen politischen Stiftungen profitieren?
S.G.: Ich glaube, ja. Es ist übrigens interessant, dass es in Mitteleuropa mittlerweile mehrere politische Stiftungen gibt, die Parteien nahe stehen. Mein Eindruck ist, dass die Tendenz sehr stark in diese Richtung geht. Es haben sich in den letzten 15 bis 20 Jahren Organisationen und Strukturen gebildet, die nicht notwendigerweise Stiftungen sind, aber die Parteien in irgendeiner Form beraten.
Wie erklären Sie sich die bisherige Zurückhaltung in Luxemburg gegenüber eigenen politischen Stiftungen?
S.G.: Ich glaube, Deutschland ist aus der historischen Entwicklung heraus ein Sonderfall. Luxemburg ist ja, was die Abwesenheit politischer Stiftungen betrifft, kein Einzelfall. Ich glaube, dazu muss erst der Wille reifen und der Mehrwert erkennbar sein, dass eine politische Stiftung auch für Luxemburg etwas bringen würde. Die Frage ist ja, was bringen Thinktanks überhaupt? Sie sollen politische Konzepte ausfüllen, in die Zukunft denken und sich die Frage stellen, „wo gehen wir eigentlich als Land oder als Europäische Union hin?‘ Insgesamt brauchen wir solche Thinktanks; die können an die Universitäten angebunden sein, müssen es aber nicht. Dazu muss man sich die Frage stellen, ob wir Thinktanks brauchen, die parteinah sind. Es gibt Gründe, die dafür sprechen, es muss aber nicht unbedingt sein.
Wie parteinah kann oder soll eine politische Stiftung denn sein?
S.G.: Es kommt darauf an, insbesondere auf die Finanzierung. In Deutschland gibt es ein sogenanntes Distanzgebot. Das heißt, die staatlich finanzierten politischen Stiftungen müssen eine Distanz zur politischen Partei haben. Dies bedeutet erstens, wir müssen rechtlich völlig unabhängig sein, obwohl es immer auch persönliche Verflechtungen gibt. Frau Merkel zum Beispiel ist automatisch Vorstandsmitglied der Adenauer- Stiftung, nicht als Kanzlerin, sondern als Parteivorsitzende. Das zweite Beispiel ist die Frage von Räumlichkeiten. Wir dürfen in Deutschland unsere Räumlichkeiten nicht einer Partei zur Verfügung stellen, es sei denn, sie zahlt Miete. Drittens muss es eine klare finanzielle Trennung geben. Wir dürfen zum Beispiel nicht Wahlkampf für eine Partei machen. Was wir aber dürfen, ist zum Beispiel die Durchführung von Schulungen innerhalb Deutschlands für Parteimanager.
Auch für luxemburgische?
S.G.: Es gibt in Deutschland Fortbildungskurse für Vertreter aller Parteien. Dazu können auch Mitglieder der CSV hinzustoßen. Das würde aber die Konrad-Adenauer-Stiftung in Deutschland machen. Was wir in Luxemburg machen können, wahrscheinlich auch ohne Gebühr, das sind Seminare, bei denen der Austausch im Vordergrund steht.
Seit 2013 ist die CSV nicht mehr in Regierungsverantwortung. Hat sich Ihre Arbeit in Luxemburg dadurch verändert?
S.G.: Wenn sich eine Partei in der Regierung befindet, hat sie relativ viele Posten zu besetzen. Sie muss Minister stellen und gewisse andere Positionen bekleiden. Wenn eine Partei in die Opposition geht, hat sie mehr Zeit, sich mit Parteistrukturen zu beschäftigen, es ist eine Möglichkeit, sich zu regenerieren und zu restrukturieren — persönlich und programmatisch. Während einer Oppositionsperiode hat sie mehr Zeit, auf die Angebote von politischen Stiftungen einzugehen und als politische Stiftung werden wir bedeutsamer. Ich glaube, das kann man auch für Luxemburg so sagen. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass sich die CSV jetzt intensiv um Parteireformen und Parteireorganisation bemüht. Von Luxemburger Seite aus kommt jetzt auch mehr Initiative und mehr Anfragen an uns, in bestimmten Formaten als Partner zu fungieren.
Wie sieht diese aktuelle Reform der Parteiorganisation bei der CSV aus?
S.G.: Das kann ich noch nicht sagen, weil sich die Partei noch in der Reform befindet und die Dinge, die wir mit der Partei anschieben wollen, jetzt erst langsam virulent werden. Aber eins ist ganz klar, man möchte die Strukturen innerhalb der Partei dahingehend stärken, dass man Fortbildung betreibt. Da geht es um programmatische Erneuerungen, aber auch um Parteistruktur: Wie kann ich überall Ansprechpartner haben? Wie verbessere ich meinen Internetauftritt? Wie verbessere ich parteiintern die Kommunikation? Wie nutze ich Facebook angemessen für meine politischen Zwecke?
Organisieren Sie Veranstaltungen in Luxemburg in nächster Zukunft und werden diese öffentlich sein?
S.G.: Zwei öffentliche Veranstaltungen mit den Titeln „Russland und der Westen“ (8. Oktober, 18.30 bei den Franziskanerinnen in Belair) und „Grundlegende Werte christdemokratischer Politik“ werden in nächster Zeit in Luxemburg stattfinden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Telefon Interview fand am 11. September 2015 statt (KN).
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