Dem Gemeinwohl verpflichtet

Erklärung von Justice et Paix Luxembourg zu den Europawahlen 2019

Justice et Paix Luxembourg, Mitglied des Netzwerks Justice et Paix Europa, hat vier große Herausforderungen identifiziert, die nicht im Einklang mit den Werten und Prinzipien der Europäischen Union sowie der Soziallehre der Kirche stehen: (1) soziale Gerechtigkeit, (2) ein inakzeptables Ausmaß an Lebensmittelabfällen, (3) Waffenexporte in Kriegs- und Konfliktgebiete, (4) Achtung der Menschenrechte durch bestimmte europäische Unternehmen.

Hier liegen Verstöße gegen wichtige Grundsätze vor, die Anlass zur Sorge geben. Die luxemburgischen Mitglieder des nächsten Europäischen Parlaments sollten diese Herausforderungen mit der notwendigen Entschlossenheit angehen; Aufgabe der politisch Verantwortlichen ist es, auch auf nationaler Ebene eine politische Kohärenz zu gewährleisten:

1. Sorge um soziale Gerechtigkeit, da die derzeitige ungerechte Verteilung von Chancen und Reichtum, aber auch die Bedrohung durch Armut und soziale Ausgrenzung im Raum des Binnenmarkts (und zwischen den Regionen) negative demographische, kulturelle und soziale Folgen in lebenswichtigen Bereichen hat.

Trotz des Wirtschaftsbooms und der Beschäftigungsmöglichkeiten vergrößert sich die Kluft zwischen Arm und Reich in Luxemburg. Die Armutsgefährdungsquote steigt seit 2011 (laut einem im Oktober 2018 veröffentlichten STATEC-Bericht) und liegt mit 18,7% (fast jeder Fünfte!) über dem Durchschnitt der Europäischen Union. Auch wenn der Medianlohn hierzulande hoch ist, so ist insbesondere die wirtschaftliche Situation der im Großherzogtum arbeitenden jungen Menschen (18-24 Jahre) alarmierend.

In einigen Teilen Europas ist die Situation noch weitaus dramatischer. Die Entvölkerung beträchtlicher Teile der Europäischen Union und die Verarmung derer, die zurückbleiben, sind negative Nebenwirkungen des Binnenmarkts, die nicht hingenommen werden dürfen. Im Gegenteil: Eine soziale Marktwirtschaft und das Prinzip des territorialen Zusammenhalts erfordern die Gestaltung einer neuen umfassenden europäischen Regionalentwicklungspolitik, die auf den bestehenden Regionalpolitiken aufbaut und versucht, diese zu verbessern anstatt sie zu schwächen. Diese Situation hat noch tragischere Folgen für Migranten, die verstärkt unter dem Mangel an sozialer Gerechtigkeit leiden, da diese Situation nicht nur Rivalitäten zwischen Arm und Reich, sondern auch immer mehr zwischen benachteiligten Menschen schafft.

Justice et Paix schlägt vor, dass das nächste Europäische Parlament dieses Thema zu einer Priorität macht, da das hohe Maß an Misstrauen gegenüber den europäischen Institutionen, einschließlich des Europäischen Parlaments, zumindest teilweise auf ihre wahrgenommene oder tatsächliche Ineffektivität bei der Bewältigung der wachsenden sozialen und regionalen Unterschiede in der EU zurückzuführen ist.

2. Sorge um die natürliche Umwelt wegen eines inakzeptablen Ausmaßes an Lebensmittelabfällen. Dieser Umstand weist auf die Vorherrschaft eines Produktions- und Verbrauchsmodells hin, das sich gegen jegliche Mäßigung richtet und der Umwelt zudem schadet.

In der EU wird die Menge der Lebensmittelabfälle auf 88 Millionen Tonnen pro Jahr geschätzt, was mehr als einem Fünftel der Produktion entspricht. Hier ist ein radikaler Wandel notwendig. Diese Zahl stellt eine komplexe Herausforderung für das gesamte Lebensmittelsystem dar, einschließlich des Verbraucherverhaltens. Es bleibt noch viel zu tun, und das nächste Europäische Parlament sollte die anderen europäischen Institutionen dazu drängen, erhebliche Fortschritte bei der Verringerung der Lebensmittelabfälle zu erzielen, wie z.B. Korrektur der Leitlinien für das „Mindesthaltbarkeitsdatum“ und das „Verfalls-/Verbrauchsdatum“, deren Verwechslung etwa zehn Prozent der Lebensmittelabfälle verursacht.

Justice et Paix fordert das nächste Europäische Parlament auf, auf der Grundlage einer einheitlichen und vereinbarten Methodik zur Messung von Lebensmittelabfällen ein verbindliches Ziel zur Verringerung von Lebensmittelabfällen auf EU Ebene einzuführen.

Die Bemühungen zur Bekämpfung von Lebensmittelabfällen müssen auf nationaler Ebene fortgesetzt werden, um die Ziele des Nationalen Abfall- und Ressourcenmanagementplans (PNDGR) in Luxemburg zu erreichen. In diesem Zusammenhang ist das Ziel einer Verringerung der Lebensmittelabfälle um 50% bis 2030 zu begrüßen (siehe Koalitionsvertrag S. 196). Hier gilt es zu erwähnen, dass die Herausforderungen auch in anderen Bereichen enorm sind: Das Großherzogtum liegt bei den Abfällen in der Kategorie Kunststoffverpackungen leider an zweiter Stelle in der Europäischen Union (53,09 kg pro Kopf im Jahr 2016).

3. Sorge um den Weltfrieden angesichts der vielfältigen Waffenexporte in Kriegs- und bewaffnete Konfliktgebiete, die im Widerspruch zu dem gemeinsamen Standpunkt der EU zu Rüstungsausfuhren stehen.

In den letzten Jahren wurden die im europäischen Binnenmarkt hergestellten Waffen in vielen Kriegen und bewaffneten Konflikten eingesetzt. Die EU ist der zweitgrößte Waffenexporteur der Welt. Im Jahr 2017 machten die Exporte der 28 EU-Länder 24% der gesamten Waffenausfuhren aus. Um Konfliktdynamiken nicht zu verschärfen und die internationale Sicherheit zu stärken, hat die EU 1998 einen Verhaltenskodex für Rüstungsexporte beschlossen, der 2008 zum Gemeinsamen Standpunkt betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern aufgewertet wurde. Bei der Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen an Rüstungsexportunternehmen verstoßen die EU-Mitgliedstaaten jedoch häufig gegen die darin vorgegebenen Kriterien. Das Europäische Parlament hat deshalb die Einrichtung eines europäischen Aufsichtsgremiums für die Überwachung von Rüstungsexporten gefordert. Auch im Bereich der aktuellen Flüchtlingsproblematik haben diese Verstöße ihre Auswirkungen: Migranten fliehen zunehmend vor bewaffneten Konflikten aller Art. Diese Konflikte werden zum Teil auch durch den Einsatz von Waffen aus EU-Ländern verschärft, und es ist bedauerlich, dass manche Staaten diese „Einnahmequelle“ aufrechterhalten.

Justice et Paix erwartet von den Mitgliedern des nächsten Europäischen Parlaments, dass sie den Gemeinsamen Standpunkt der EU zu Waffenausfuhren uneingeschränkt unterstützen und sich aktiv für ein wirksames System von Sanktionen bei Verstößen der Mitgliedstaaten gegen die Vorschriften einsetzen.

Es ist auch wichtig sicherzustellen, dass in Bezug auf Luxemburg bei der Vermietung der militärischen Frequenzen des in der letzten Wahlperiode gestarteten GovSat1-Satelliten der gemeinsame Standpunkt der EU in Bezug auf Waffenausfuhren uneingeschränkt gewahrt bleibt. Eine Pflicht zur regelmäßigen öffentlichen Berichterstattung ist diesbezüglich erforderlich.

4. Sorge um die Achtung der Menschenrechte, denn einige europäische Unternehmen – und insbesondere transnationale Unternehmen mit Sitz im Gebiet des Binnenmarkts – agieren weltweit in einer Weise, die eine Verletzung der Menschenrechte darstellen kann.

Multinationale Unternehmen in der EU müssen bei all ihren Aktivitäten mehr Aufmerksamkeit auf die Achtung der Menschenrechte richten.

Justice et Paix fordert das nächste Europäische Parlament auf, sich für ein verstärktes Engagement der Europäischen Union bei den Vereinten Nationen für ein rechtsverbindliches Instrument für die Aktivitäten multinationaler Unternehmen im Einklang mit den Menschenrechten einzusetzen.

In diesem Zusammenhang erinnert Justice et Paix an die Selbstverpflichtung der Luxemburger Regierung, die zugleich auch für die EU-Parlamentarier unseres Landes gelten sollte: „Luxemburg wird europäische Initiativen zur Stärkung der sozialen und ökologischen Verantwortung transnationaler Unternehmen im Rahmen ihrer Lieferketten unterstützen und sich auf europäischer Ebene für verbindliche und wirksame Rechtsvorschriften einsetzen“ (siehe Koalitionsvertrag S. 218).

Justice et Paix fordert alle politischen Parteien auf, überzeugende und kohärente Antworten auf die hier identifizierten Herausforderungen zu entwickeln.

Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.

Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!

Spenden QR Code