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Denn sie dürsten nach Unabhängigkeit
Wie der Journalist zum Unternehmer und der Leser zum Verleger wird
Wie der Journalist zum Unternehmer und der Leser zum Verleger wird
Sie wollen den Journalismus retten und die Demokratie gleich dazu. Leserfinanzierte Onlinemedien zeigen einen Weg in die Zukunft des Journalismus, doch sie haben ihre Grenzen.
Médiapart in Frankreich, De Correspondent in den Niederlanden, Krautreporter in Deutschland und diesen Mai die neu gegründete Republik in der Schweiz: Diese Namen stehen für ein recht neues Phänomen – den partizipativen Journalismus.
Was haben diese Projekte gemeinsam? Vor allem eins: „une soif d’indépendance“, wie es im Gründungsmanifest von Médiapart heißt. Unabhängig vor allem von jenen reichen Männern, die in Frankreich und der Schweiz zahlreiche Verlagshäuser kontrollieren. Unabhängig aber auch von jeder Form der Werbung. Die Leser sind demnach durch ihre Abos die einzige Einkommensquelle.
Was ist daran partizipativ?
Diese neuen Medien beteiligen ihre Leser auf eine neue Art und Weise. Das beginnt bei ihrer Gründung: De Correspondent und Krautreporter und Republik haben sich mit einem Crowdfunding lanciert. Die Regeln dabei: Eine festgelegte Zahl an Lesern muss ein Jahresabo im Voraus zahlen oder das Projekt kommt nicht zustande. Im Schweizer Fall sind das 240 Franken (etwa 220 Euro). Trotz des stolzen Preises haben die Republik-Gründer ihr Ziel von 3000 Unterstützern innerhalb von acht Stunden erreicht. Am 31. Mai endete das Crowdfunding mit 13845 Unterstützern.
Médiapart wurde dagegen von den Gründern selbst finanziert. Für Journalisten, die nicht mehrere Hunderttausend Euro auf der Bank haben, ist Crowdfunding eine Möglichkeit sich selbstständig zu machen. Bisher überließen Journalisten es den Verlagen, Geld zu verdienen. Das klappt allerdings immer weniger, da große Verlagshäuser heute mehr auf Onlinehandel als auf Journalismus setzen.
Bei den genannten Projekten zeigt sich, dass so der Journalist als Person in den Fokus rückt. Republik hat so viel Erfolg, weil dahinter einer der anerkanntesten Schweizer Journalisten steht: Constantin Seibt. Die Krautreporter setzten zu Beginn auf bekannte Namen wie den Medienjournalist Stefan Niggemeier, der allerdings wieder recht schnell von Bord ging.
Der Journalist wird zur Marke, der die Konsumenten – aka Leser – vertrauen. Das führt zu mehr Nähe zwischen beiden Seiten, was in klassischen Medien meist fehlt. Nähe heißt Bindung: Leser sind eher bereit zu zahlen. De Correspondent investiert sehr viel darin: Die Hälfte ihrer Zeit diskutieren die Journalisten mit ihren Lesern. Ihr Motto: 100 Ärzte wissen mehr als ein Fachjournalist für Gesundheitsthemen.
Ist das der Journalismus der Zukunft?
Diese neuartigen Modelle klingen erstmal großartig. Es gibt ein Publikum, das hochwertigen Journalismus schätzt und dafür zahlen will. Den crowdfinanzierten Redaktionen erlaubt das, Hintergrundgeschichten zu liefern. Sie sind bewusst eine Alternative zum schnelllebigen Onlinejournalismus. Ihr Anspruch ist dabei hoch: Die Krautreporter begannen mit dem Spruch „der Onlinejournalismus ist kaputt“ und dem impliziten Ziel, dass sie ihn retten werden. Republik ist noch ehrgeiziger: Sie wollen gleich den Schweizer Journalismus und damit die Demokratie retten.
Sie greifen nach den Sternen und landen allerdings auf dem harten Boden der Medienwirtschaft. Das Hauptproblem ist aus meiner Sicht, dass diese neuartigen Medien immer ein Nischenprodukt bleiben werden. Das hat einen einfachen Grund: Sie brauchen eine Paywall, um von Abos im Internet leben zu können. Nur Abonnenten haben Zugang zu Artikeln. Die Krautreporter versuchten es am Anfang ohne Paywall, doch sie gaben dies schnell wieder auf. (Die Taz oder die woxx zeigen allerdings, dass es prinzipiell anders auch ohne Paywall geht.)
Paywall heißt, dass Artikel nur vergleichsweise wenigen Lesern zugänglich sind. Die Projekte brauchen also etablierte Massenmedien, damit ihre Recherchen Wirkung haben – im Sinne der 4. Gewalt. Das Beispiel Médiapart zeigt, dass dies möglich ist. Dessen Recherchen werden oft von großen Zeitungen aufgegriffen und verstärkt. Das belegt allerdings lediglich, dass wir nicht auf reichweitenstarke Zeitungen verzichten können, um das zu erfüllen, was Republik verspricht – nämlich die Demokratie mit gutem Journalismus zu erhalten. Dazu kommt, dass öffentlich-rechtliche Medien ein blinder Fleck in der Weltsicht der genannten Projekte sind – obwohl diese im besten Sinne leser- bzw. hörerfinanziert sind.
Zusätzlich sind diese Medien wie alle Start-up-Unternehmen massiv unterfinanziert. Dabei benötigt heute jedes Medium eine IT-Plattform, eine leistungsfähige Webseite, eine Paywall, eine App usw. Die Krautreporter wurden dafür kritisiert, dass viel Geld in die IT-Entwicklung geflossen ist. Vom 10-köpfigen „Aufbauteam“ der Republik sind immerhin drei ausschließlich für die Software zuständig.
Die komplette Ablehnung von Werbung macht die Projekte finanziell verletzlich. Es ist nun mal einfacher, 1000 Euro über Anzeigen zu verdienen als über den Verkauf von 60-Euro-Jahresabos. Die Krautreporter haben nach ihrem ersten Jahr über die Hälfte ihrer Abonnenten verloren. Mit dem Werbeverzicht wollen sie sich von klassischen Medien absetzen. Allerdings setzen diese auch immer weniger auf Werbung: Die New York Times nimmt heute mehr durch Abos ein als aus allen anderen Quellen. Das ist eine Notwendigkeit, denn im ersten Quartal sanken die Einnahmen der Times durch Printwerbung um 18 Prozent. Die zahlreichen neuen Digital-Abos machten diesen Verlust jedoch wett.
Was ist in Luxemburg nötig und möglich?
Die Krise der Printmedien ist in Luxemburg weniger ausgeprägt als etwa in Frankreich, Deutschland oder der Schweiz. Trotz finanzieller Schwierigkeiten vieler Medienhäuser fehlt die Dominanz eines Vorzeige-Bösewichts wie des Politikers und Unternehmers Christoph Blocher in der Schweiz. Rufe wie „Rettet den Journalismus“ wären im Moment wenig glaubhaft.
Der Luxemburger Medienlandschaft mangelt es nicht an Vielfalt. Hinter der woxx steht etwa eine Genossenschaft und demnach haben dort Journalisten und Leser gemeinsam das Sagen. Projekte wie forum sind größtenteils leserfinanziert. Allerdings könnte eine kleine aber schlagkräftige Truppe von Journalisten durchaus für einen Qualitätsschub sorgen. Die breitaufgestellten Medien laufen Gefahr, im Strudel der alltäglichen Pressekonferenzen und klickträchtigen Mini-Stories den Blick für das Wesentliche zu verlieren. Ein kleiner Stachel von außen würde sicher nicht schaden.
Die strukturellen Hürden sind jedoch sehr hoch. Misst man die Abonnentenzahl des erfolgreichen De Correspondent an der niederländischen Bevölkerung, dann kommt man für Luxemburg auf etwa 1800 Abonnenten – was den Zahlen von aktuellen Nischenprodukten entspricht. Ohne Pressehilfe oder Werbeeinnahmen kann man damit keine noch so kleine Redaktion von Berufsjournalisten finanzieren. Dazu kommt die sprachliche Fragmentierung – egal welche Sprache ein crowdfinanziertes Medium wählen würde, sie würde immer einen großen Teil der Bevölkerung nicht erreichen.
Unbestritten braucht es heute frische Ideen. Projekte, die andere Lösungen ausprobieren, neue Arbeitsweisen etablieren und nebenbei noch Skandale aufdecken, sind also sicher willkommen. Sie alleine werden den Journalismus jedoch nicht retten. Dafür braucht es etablierte Medien, die auf Qualität setzen. Es ist zudem eine Aufgabe des Staates: Der niederländische Innovationsfonds von 10 Millionen Euro 2015 hat Erfolgsgeschichten wie De Correspondent oder den Onlinekiosk Blendle möglich gemacht. Und schließlich muss sich der Leser seiner Verantwortung stellen: Er muss bereit sein, für Journalismus zu zahlen.
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