Die Protagonisten:
Emile Krieps: Offizier, später Staatssekretär und Minister (1971-1989)
Robert Winter: Offizier, später Generalstabschef
Rudy Ensch: Offizier
Jean Jüttel: Offizier
Albert Wingert: Lehrer, Berater im Arbeitsministerium
Joseph Bech: Außenminister (1937-1953), Staatsminister (1926-1937/1953-1958)
Henri Koch-Kent: Journalist

„Enthüller“: Joseph Bech
Zeitraum: 1946
Verschwörungsziel: Putsch
Attraktivität: 2 von 5

Die Story: Die jungen Offiziere Krieps, Winter, Ensch und Jüttel sowie der ehemalige Resistenzler Wingert planen einen Regierungsumsturz — wenn nötig gewaltsam —, weil sie der Regierung vorwerfen, keine demokratische Legitimität zu haben und die épuration zu zaghaft voranzutreiben.

Die Enthüllung: Am 2. August 1946 werden Emile Krieps, Robert Winter, Rudy Ensch, Jean Jüttel und Albert Wingert von der Sûreté, dem damaligen polizeilichen Exekutivorgan verhaftet. Die Anklage lautet: „Attentat und Komplott gegen die Staatsform“ und „innere Gefährdung der Staatssicherheit“. Da der zuständige Untersuchungsrichter keine Anhaltspunkte für einen Putsch fand, wurden die Offiziere noch am gleichen Tag aus der Haft entlassen. Albert Wingert kam erst Tage später frei, nachdem es öffentliche Proteste und Demonstrationen gegeben hatte. Das Gerichtsverfahren wurde am 30. Oktober 1946 eingestellt. Am 13. August rechtfertigte sich Staatsminister Pierre Dupong vor dem Parlament: Er habe „Gerüchte“ über ein Komplott gehört und „von vertrauenswürdigen Leuten“ habe er erfahren, dass die Verschwörer Regierungsmitglieder „verschwinden“ lassen wollten. Der Auslöser der Verhaftungen war jedoch Joseph Bech. Er soll den Generalstaatsanwalt Félix Welter in einem Brief auf den Verdacht eines Komplotts der vier Offiziere hingewiesen haben — dieser Brief verschwand noch 1946. Ein weiteres Element waren „abenteuerliche Berichte“ des Sûreté-Beamten Jean Wictor über umstürzlerische Pläne der früheren Resistenzler Albert Wingert und Rudy Ensch.

Der Kontext: Als Hintergrund des Putsch-Vorwurfs gilt der Gomand-Prozess. Norbert Gomand, der Herausgeber der Zeitung L’Indépendant, warf im Juli 1945 in Artikeln und „Aufklärungsversammlungen“ der Exilregierung (d.h. Pierre Dupong, Joseph Bech und Victor Bodson) vor, sich nicht um Luxemburger Flüchtlinge und Widerstandskämpfer gekümmert zu haben, die von Spanien, Portugal oder Südfrankreich nach England gelangen wollten. Gomand kam wegen Verleumdung vor Gericht: Krieps und Winter, die auf Seiten der Alliierten gekämpft hatten, stützten im Prozess Anfang 1946 Gomands Vorwürfe. Zurück aus dem Exil übernahmen die Minister wieder die Regierungsgeschäfte und organisierten erst im Oktober 1945 Parlamentswahlen. Politisch brisant war ebenfalls die Frage, wie weit die Verfolgung von Kollaborateuren getrieben werden sollte: Während KZ-Heimkehrer und Resistenzler eine harte Linie befürworteten, förderte die Regierung im Sinne der nationalen Einheit den staatstragenden „Mythos“ des einig widerständigen Landes.

Die Version, dass der „Putsch“ weniger eine Verschwörung gegen die Regierung darstellte als ein Versuch der Regierung, ihre Kritiker zum Schweigen zu bringen, präsentierte Henri Koch-Kent 1979 in seinem Buch Putsch à Luxembourg.

Die Muster: Die Theorie eines Putschs ist in der Luxemburger Geschichte eine Seltenheit. Weniger außergewöhnlich ist jedoch der Umgang damit. Die Prozessakte der Affäre ist seit November 1946 verschollen — ein Verweis, der erst 1979 auftauchte, betrifft eine Öbergabe ans Justizministerium, wo sie jedoch nie ankam. Nicht nur verschwinden in Luxemburg oft Archivakten zu sensiblen Themen, sondern auch Historiker schreiben ungerne darüber. Den Standardwerken war der „Putsch“ selten mehr als eine Fußnote wert. Henri Koch-Kent, der als Beteiligter viel über die Kriegsjahre schrieb und eine regierungskritische Sicht vertrat, galt anderen Historikern als unseriös. Der „Putsch“ von 1946 gehört heute zur Anthologie der Affären und Skandale in Luxemburg. So erwähnte der frühere SREL-Chef Marco Mille den „Putsch“ in seinen Theorien vor der Untersuchungskommission, warum Stay Behind hinter den Bommeleeër-Attentaten stecke.

Zum Weiterlesen: forum 251, November 2005 — Dossier: „Putsch 1946“

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