Der Storch hat ausgedient

Sexuelle Bildung in Luxemburg

„Es gibt so viele Mythen, Falschinformationen und Tabus in Bezug auf Sexualität. Diese schränken die Personen, die sie betreffen, oft ein und lassen sie Scham empfinden. Häufig entsteht das Gefühl, ‚nicht richtig zu sein‘. Meiner Auffassung nach steckt darin viel emanzipatorisches Potenzial, das es zu stärken gilt.“ Für die ausgebildete luxemburgische Sexualpädagogin Kelly Kosel war schnell klar, dass sich die sexuelle Bildung, die sie vermitteln wollte, von jener unterscheiden sollte, die sie selbst vor mehr als zehn Jahren als Jugendliche in Luxemburg erfuhr: „Diese bestand darin, dass ich am Gymnasium etwas über den Menstruationszyklus und die Schwangerschaft lernte – und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem ich schon länger menstruierte.“ Die Informationen, die sie nun im Rahmen von Workshops weitergibt, sind der Lebensphase, in der sich die Kinder und Jugendlichen befinden, angepasst und beschränken sich demnach nicht auf Reproduktion. Sie verfolgt einen holistischen Ansatz, welcher ebenfalls die Kommunikation von Gefühlen, das Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen und Gespräche über vielfältige sexuelle Identitäten impliziert.

Wäre Kelly Kosel in Luxemburg geblieben, hätte sie beispielsweise die Erzieher:innen-Schule besuchen können, wo sexuelle Bildung als Teil der pädagogischen Arbeit auch behandelt wird, indes wäre es nicht möglich gewesen, sich im Großherzogtum integral zur Sexualpädagogin ausbilden zu lassen. So führte ihr Weg nach Wien. Dort machte sie ihre ersten sexual­pädagogischen Schritte als Mitarbeiterin („Liebling“ genannt) des selbstverwalteten Studierendenprojekts „achtung liebe“1, das auf eine Initiative der Austrian Medical­ Students’ Asscociation zurückgeht. Ihre Ausbildung absolvierte Kelly Kosel bei der Österreichischen Gesellschaft für Sexualwissenschaften. Entgegen dem, was man bei diesem Fachbereich annehmen könnte, steht anatomisches Faktenwissen nicht an erster Stelle – wenngleich es keineswegs weggelassen werden darf. Es sollte der Sexualpädagogin zufolge vor allem mit Kontext vermittelt werden. Ihr ist es wichtig, dieses Wissen so einzubetten, dass die Jugendlichen verstehen, warum die medizinischen Fakten von Relevanz sind.

„Ein großes Thema bei der Altersgruppe zwischen 13 und 15 Jahren ist und bleibt beispielsweise die Penisgröße und die damit angeblich einhergehende Qualität von Sex. Da gebe ich dahingehend anatomische Infos, als dass ich erkläre, dass die Vagina ein acht bis 12 Zentimeter langer dehnbarer Muskelschlauch ist und lasse die Schüler:innen bei Bedarf auf ihrem Lineal nachschauen, mit welcher Dimension man es tatsächlich zu tun hat.“ Dieser „Realitätscheck“ führe dann bei vielen zu einem beruhigten Aufatmen. Darüber hinaus sei es auch wichtig, zu vermitteln, wie Vulva und Vagina aufgebaut sind und wo die empfindlichen Nerven liegen – nämlich außen –, „um etwas von der ‚Penetrationsidee‘ wegzukommen“, so Kelly Kosel, welche immer wieder auf Teilnehmer:innen stößt, die denken, dass Sex sich hauptsächlich um den Akt des Penetrierens dreht. „In diesem Kontext diskutieren wir dann auch häufiger mal über Bilder, die uns über die Mainstream-Pornografie oder die Popkultur erreichen, denn das Vermitteln von Medienkompetenzen ist ein wichtiger Bestandteil der sexuellen Bildung.“

Luxemburg, wie hältst du’s mit der sexuellen Edukation?

„(Fast) alles kann, nichts muss.“ Eigentlich stammt dieser Slogan aus der Szene der Swinger-Clubs, bei deren Betreten man sich nicht automatisch dazu verpflichtet, am sexuellen Geschehen teilzuhaben, sich dennoch „austauschen“ kann, wenn man denn möchte. Ein Stück weit passt dieses Motto auch zur Situation der sexuellen Bildung an luxemburgischen Grundschulen. Denn es stehen mannigfaltige Materialien und externe Hilfsangebote zur Verfügung, um das Thema mit Kindern zu besprechen, jedoch sind Lehrkräfte nicht dazu verpflichtet, es zu behandeln, wenn sie sich damit nicht wohl oder unsicher fühlen.

In diesem Kontext kann das Team der ESA (Education sexuelle et affective), welches eine Arbeitsgruppe innerhalb des Planning Familial darstellt, Abhilfe schaffen. Hier bieten Sandra Michely, Miguel Dias, Liz Van Rijswijck und Sandy Lorente, deren akademische Ausbildung sich in einem Feld zwischen Psychologie, Sozialpädagogik und interkultureller Kommunikation bewegt, als „Chargé(e)s d’éducation sexuelle et affective“ Beratungen für Lehrer:innen an, welche die Themen Sex und Sexualität im Unterricht behandeln wollen. Überdies kann das Schulpersonal diesbezügliche Fortbildungen am Institut de formation de l‘Éducation national (IFEN) besuchen. Letztere sind fast immer ausgebucht und wie Sandra­ Michely feststellt, lassen sich dabei durchaus gesellschaftliche Veränderungen ablesen: „Uns fällt auf, dass die Offenheit zunimmt und der Umgang mit dem Thema evolviert.“ Auch die Konferenzen, die bisher teilweise in Zusammenarbeit mit dem 2017 gegründeten nationalen Referenz-Zentrum für die Promotion der sexuellen und affektiven Gesundheit (CESAS) organisiert worden sind, erfreuen sich laut Michely einem erhöhten Interesse. Bei aller Freude über den Zuspruch dürfe man trotzdem nicht ignorieren, dass es sich bei den Teilnehmer:innen doch häufig um Lehrkräfte handele, die ohnehin bereits ein gewisses Engagement vorwiesen und Vorwissen mitbrächten.

Außerdem wird bei Fortbildungen dieser Art häufig mit relativ kleinen Gruppen gearbeitet. Bei voller Auslastung belief sich die Zahl der teilnehmenden Grundschul- und Gymnasial-Lehrer:innen für das Jahr 2018 auf 95.2 Wenngleich nicht jedes Fach sich dafür eignet, auf dieses Themenfeld einzugehen, so ist der Anteil an Lehrenden, die mit diesem zusätzlichen Wissen in die Klassenräume zurückkehren, doch schmerzlich gering, beachtet man, dass an luxemburgischen Grundschulen und Gymnasien aktuell insgesamt 10. 809 Personen unterrichten.3

Wie andere Träger (Cigale, HIV Berodung, usw.) bietet die ESA zudem Workshops für Schüler:innen an. Diese können kostenlos gebucht werden, sind aber nicht verpflichtend. Ob sie stattfinden, hängt dementsprechend von der Eigeninitiative der Lehrkräfte und der jeweiligen Schulen ab. Zwar hat das kleine ESA-Team allein mit diesen Anfragen alle Hände voll zu tun und konnte 2018 landesweit mit 2.761 Schüler:innen arbeiten, indes vermerkt das Bildungsministerium für den Zeitraum 2017/18 eine Gesamtzahl an Grundschulkindern, die sich auf 48.542 beläuft.4 Bedenkt man ferner, dass zahlreiche Kinder zuhause nicht unbedingt über alles mit ihren Eltern reden können und, wie eingangs erwähnt, einige Lehrer:innen sexuelle Bildung nicht zwingend auf den Lehrplan setzen, so verhärtet sich der Eindruck, dass in der sexuellen Bildungslandschaft Wissenslücken klaffen und bestimmte Themen eventuell nicht zur Sprache kommen, die man im Bereich der Sexualpädagogik als „schlechtes Geheimnis“ bezeichnet, das man im Gegensatz zu den „guten Geheimnissen“ eigentlich nicht für sich behalten sollte.

(Schutz-)Raum für Fragen

„Es passiert immer mal wieder, dass 13-, 14- oder 15-jährige Mädchen sich bei mir zu sexueller oder sexualisierter Gewalt outen“, erzählt Kelly Kosel. „Meistens handelt es sich dabei um Gewalt, die sie im Rahmen von Partner:innenschaften erleben, manchmal aber auch um Übergriffe durch Menschen, mit denen sie gar nicht intim werden wollten. Es ist hart, mit so etwas umzugehen. In der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung steht, ist es ein enormer Balanceakt, diesen jungen Menschen das Gefühl zu geben, dass es nicht ihre Schuld ist, es aber gleichzeitig nicht okay ist, dass die andere Person das gemacht hat, und ihnen zu vermitteln, wie sie damit umgehen können.“ Wenn ein solches Outing stattfinde, zeige dies ihr trotzdem zumindest, dass sie die dafür notwendige wertschätzende und sichere Atmosphäre geschaffen habe, erklärt die Sexualpädagogin. Außerdem weisen Situationen wie diese darauf hin, dass sexualpädagogische Angebote eine wichtige gewaltpräventive Aufgabe erfüllen können: Denn wer gelernt hat, Körperteile, Gefühle, Wünsche und insbesondere auch Grenzen zu benennen, kann sich besser schützen, leichter über Schwieriges sprechen oder Hilfe suchen.

Gerade in diesem Kontext betonen alle befragten Pädagog:innen, wie wichtig es ist, Raum dafür zu schaffen, dass Schüler:innen sich jemandem anvertrauen könnten, der ihnen neutral gegenüber steht. Dies bedeutet nicht, dass Lehrkräfte dies gemeinhin nicht leisten können, jedoch kann es durchaus Kinder und junge Menschen geben, die davor zurückschrecken, sich jemandem zu öffnen, der sich in einem hierarchischen Verhältnis zu ihnen befindet, sie benotet, ihre Eltern kennt, usw. Aus dieser Perspektive kann eine bestimmte Änderung in der luxemburgischen Schulgesetzgebung, die seit 2017 in Kraft ist, als zusätzliche Barriere gedeutet werden. Laut der neuen Regelung muss bei externen Interventionen in der Grundschule zwingend eine Lehrkraft im Raum sein. Wie reporter.lu im vergangenen November berichtete, umgingen Lehrkräfte aus der „Nei Schoul“ das angesprochene Problem, indem sie vor der Tür des Klassenraums sitzen blieben, damit eine Expertin die Fragen der Schüler:innen beantworten konnte. Zeugt dies nun von mangelndem Pflichtbewusstsein oder doch eher von Respekt vor der Intimsphäre der Kinder und dem Willen, sie zu stärken?

Unter anderem von Seiten des Planning Familial wird die Regelung nach wie vor kritisiert. Sie erschwere vor allem die Arbeit im „Cycle 4“, also in der 5. und 6. Klasse – wo doch gerade vor und während der Pubertät zahlreiche Fragen aufkämen, mit denen man die Heranwachsenden nicht alleine lassen sollte. Dass ein:e externe:r Expert:in den jungen Schüler:innen nur für einen kurzen Moment im Schulkontext begegne, schaffe eine Art temporären Safe Space, in dem offene Fragen behandelt werden könnten. Hierbei betont der Träger gegenüber forum, dass er die von ihm erbrachte sexuelle Bildung als Ergänzung zu jener der Schule und die Lehrkräfte als Partner:innen versteht. Sowohl die Vor- als auch die Nachbereitung von Interventionen finde in enger Zusammenarbeit statt und es sei klar, dass je nach Härte des anvertrauten Falls eine Rücksprache mit der Lehrkraft erfolge. Obwohl das Planning Familial diesen Umstand gegenüber dem Bildungsministerium schon mehrfach problematisiert hat, erhielt es bisher die stets gleichbleibende Antwort, dass das Lehrpersonal die Klasse nun mal nicht verlassen dürfe. Daher verzichtet das Planning Familial bis auf Weiteres auf Workshops in den betreffenden Klassen. Der zuständige Minister Claude Meisch reagierte nicht auf Nachfragen, welche forum diesbezüglich an ihn geschickt hatte. (Falls dies lediglich der Corona-Krise geschuldet sein sollte, kann er sich gerne zu einem späteren Zeitpunkt bei der Redaktion melden.)

Das politische Private

Eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem sexuellen Bildungsangebot kann wohl auf verquere Vorstellungen, was dieses Lernfeld impliziert, zurückgeführt werden. Eine deutsche Initiative mit dem Namen „Familienschutz“ verbreitet beispielsweise Flyer gegen die sogenannte „Frühsexualisierung“, auf denen zu lesen ist, dass nun „Dildos, Anti-Baby-Pillen, Vaginalkugeln, Potenzmittel“ Einkehr in den Unterrichtsräumen hielten. Jugendliche würden lernen, wie „Gruppensex-Konstellationen“ nach dem Kamasutra funktionieren, und für die Aufklärungsgegner:innen steht fest, das Sexualpädagog:innen „Puffs für alle“ einrichten und ihnen Vielfalt aufzwingen wollen.5 Ein Schelm, wer diesbezüglich annimmt, es ginge weniger um das Wohl der Kinder, als vielmehr darum, politisch Andersdenkende als Gefahr darzustellen.

Kelly Kosel erinnert an einen ähnlichen Fall, bei dem sexuelle Bildung zum Spielball politischer Interessen wurde: Letztes Jahr deckte die österreichische Wochenzeitung Falter auf, dass der ultra-konservative Verein Teenstar, welcher der FPÖ nahesteht, in Schulen vorgebliche sexualpädagogische Workshops abgehalten hat, bei denen vor allem vermittelt wurde, dass man vor der Ehe keinen Sex haben sollte und dass Homosexualität eine Krankheit sei. Im Anschluss an diesen Skandal stand ein generelles Verbot sexualpädagogischer Arbeit von externen Anbieter:innen im Raum. Dies wurde jedoch von der neuen schwarz-grünen Regierung nicht umgesetzt. Im neuen Regierungsprogramm ist derweil vorgesehen, dass Vereine, die sexuelle Bildung an Schulen vermitteln, sich akkreditieren müssen. Wie das Gremium, das diese Akkreditierungen durchführen wird, genau zusammengesetzt sein soll, ist noch nicht klar. Allerdings wird sich die Regierung dabei wohl auf einen Erlass zur Sexualpädagogik beziehen, der recht inklusiv ist.

Zwar bleiben einem in Luxemburg derart abstruse, Unheil verkündende Hirngespinste erspart. Dennoch hat das vergangene Jahr auch gezeigt, dass Theaterstücke über homosexuelle Kängurus rechte Politiker und besorgte Erziehungsberechtigte ganz schön auf Trab halten können6, und es fällt laut des ESA-Teams zudem auf, dass es auch im Großherzogtum – wenn auch selten – an Workshop-Tagen schon mal zu plötzlichen Krankmeldungen kommt.

Gegenüber Eltern, die befürchten, dass ihre Kinder eventuell zu früh mit bestimmten Fragen konfrontiert werden, haben die Pädagog:innen Verständnis und bemühen sich, auch die Erwachsenen zu sensibilisieren und ihnen Ängste zu nehmen. „Diesen Eltern möchten wir zeigen, dass wir nicht gegen sie agieren, sondern komplementär zu ihnen arbeiten und ihre Kinder ebenso schützen wollen wie sie“, so Sandy Lorente von der ESA. Ihre Kollegin Sandra Michely fügt hinzu: „Außerdem muss mehr Bewusstsein dafür entstehen, dass informierte Kinder und Jugendliche nicht zwei Tage nach unseren Workshops ‚zur Tat schreiten‘, sondern danach gestärkt und mit mehr Kompetenzen, sich selbst zu schützen, ausgestattet sind.“

Gerade dies verleiht der sexuellen Bildung Kelly Kosel zufolge gewissermaßen eine politische Note: „Das gehört automatisch mit dazu, weil wir in einer Welt leben, in der die Selbstermächtigung eines und einer jeden nicht selbstverständlich ist.“ Dem schließt sich das ESA-Team an. Liz Van Rijswijck verweist darauf, dass es sich bei sexueller Bildung um ein Menschenrecht handelt: „Dabei geht es nicht allein um die Kinder. Es ist genau so wichtig, dass die Eltern bestimmte Standpunkte reflektieren und mit manchen Stereotypen brechen. Erst dadurch wird ein gesamtgesellschaftlicher Wandel möglich.“

Die Pädagog:innen sind sich einig darüber, dass es neben dem spezifischen Wissen, das während der dreistündigen Workshops vermittelt wird, ein Lernprozess angestoßen werden soll, der es den Teilnehmer:innen ermöglicht, im Nachgang bewusst und mit der nötigen Vorsicht mit Informationen umzugehen. Als Beispiel wird der Schwangerschaftsabbruch angeführt, bei dem äußerst relevant sei, wertfreie Informationen von jenen differenzieren zu können, die man eventuell auf Internetseiten von Abtreibungsgegner:innen finden könne. „Eine Schnittstelle zwischen der Gesellschaft und der Politik besteht ja auch darin, dass junge Bürger:innen wissen, welches Gesetz in welcher Lebenssituation greift“ ergänzt Lorente. Dies beziehe sich gleichermaßen auf den gerade angesprochenen Schwangerschaftsabbruch wie auch auf die Möglichkeit, als gleichgeschlechtliches Paar heiraten zu dürfen.

Never ending story

Zum Schluss sei noch ein Verweis auf die von der Kritik hochgelobte britische Bildungsserie Sex Education7 aus der Feder Laurie Nunns erlaubt. Stellen Sie sich folgende Szene vor: Das Gerücht macht die Runde, jemand habe sich beim Geschlechtsverkehr mit Chlamydien infiziert und nun sei eine Großepidemie an der Schule ausgebrochen. Panik bricht aus. Der Direktor veranlasst eine Versammlung, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Mehrere Eltern und Lehrkräfte erscheinen mit Mundschutz. Als die Mutter eines Schülers, ihres Zeichens Sexualtherapeutin, darauf hinweist, dass ein derartiger Schutz bei dieser Geschlechtskrankheit nichts bringt, sorgt sie bei den Erwachsenen sowie den Schüler:innen für großes Staunen.

Das einzige tatsächliche Schockpotenzial der Serie und damit auch der titelgebenden modernen sexuellen Bildung liegt darin, dass sie zeigt, dass auch 50 Jahre nach der angeblichen sexuellen Revolution noch zahlreiche Kinder und Erwachsene Ängste entwickeln, denen man recht schnell entgegenwirken könnte, wenn man ein offenes, verständnisvolles sowie wertfreies Gespräch wagt und Raum für Fragen schafft. Selbst in einer sich als fortschrittlich gebärdenden westlichen Welt tut so manches sexuelle Grundwissen altersübergreifend Not, und in Sachen respektvoller und ehrlicher Kommunikation besteht noch recht viel Luft nach oben. Des Weiteren wird ersichtlich, dass eine weitreichende und für die Gesellschaft sinnstiftende sexuelle Bildung nur funktionieren kann, wenn sie im Verbund stattfindet, sich nicht nur auf die Schule beschränkt und alle Altersgruppen und sozialen Gruppen umschließt.

Somit ist es durchaus sinnvoll, dass Teams wie jenes der ESA auch Workshops für Erwachsene anbieten. Kelly Kosel hat in Österreich sogar ein Bildungsprojekt gegründet, welches sich „Die zweite Aufklärung“ nennt und ein angepasstes Informationsangebot für junge Erwachsene darstellt. Auch die Gründung des luxemburgischen nationalen Referenz-Zentrums für die Promotion der sexuellen und affektiven Gesundheit (CESAS), die auf das Jahr 2017 zurückgeht und an der gleich vier Ministerien beteiligt sind, kann als Schritt in diese Richtung gedeutet werden. Jedoch wird die dafür notwendige Netzwerkarbeit zwischen jeglichen sozialen Institutionen8, die im engeren und im weiteren Sinn mit dem Thema befasst sind, wohl mehrere Jahre beanspruchen und die Betroffenen vor große Herausforderungen in Sachen Teamwork stellen. Dass sich im aktuellen nationalen Aktionsplan zur affektiven und sexuellen Gesundheit nicht weniger als eine „contribution fondamentale à la santé et au bien-être global de la personne tout au long de sa vie“9 auf die Fahne geschrieben wird, klingt ebenfalls nach einem ambitionierten Großunternehmen, dessen Erträge sich aber erst zu einem späteren Zeitpunkt ablesen lassen werden.

  1. http://www.achtungliebe.at/index.php/wir (alle Internetseiten, auf die in diesem Beitrag verwiesen wird, wurden zuletzt am 24. März 2020 aufgerufen).
  2. Diese Zahl fasst IFEN sowie SCRIPT-Fortbildungen zusammen. Daten hierzu kann man dem Jahresbericht des Planning Familial entnehmen: http://www.planningfamilial.lu/_dbfiles/lacentrale_files/300/344/Planning-Rapport-2018.pdf.
  3. http://www.men.public.lu/catalogue-publications/themes-transversaux/statistiques-analyses/enseignement-chiffres/2019-2020-depliant/fr.pdf.
  4. http://www.men.public.lu/fr/actualites/articles/communiques-conference-presse/2017/09/26-comm-manque-instituteurs/index.html.
  5. https://www.familien-schutz.de/2016/01/18/ein-fisch-ist-kein-fahrrad-und-ein-mann-keine-frau/.
  6. Vgl. Henning Marmulla, „Ein Schritt vor und zwei zurück. Vom Känguru und Herrn Kartheiser“, in: forum 393, März 2019, S. 41-43.
  7. Die Serie, die vergangenes Jahr ihr Debüt feierte, erreichte allein mit der ersten Staffel weltweit über 40 Millionen Zuschauer:innen.
  8. Unter dem Link https://www.cesas.lu/de/liste-der-verbande-und-institutionen.php findet man eine breit angelegte Liste mit allen luxemburgischen Institutionen und Verbänden samt Geolokalisation.
  9. https://sante.public.lu/fr/politique-sante/plans-action/plan-national-sante-affective-sexuelle-2019/index.html.

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