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Der Weg vom Spoun zur woxx
Datiert auf Oktober 1988 entsteht die Nullnummer des GréngeSpoun, dessen Name Programm sein soll – wie es im ersten Editorial heißt. Anfangs von einer unbezahlten Kernredaktion – allesamt Mitglieder der linksgrünen GAP – in monatlicher Folge gestaltet, soll die Zeitung „fir eng ekologesch a sozial Alternativ“ etappenweise in den Wochenrhythmus überführt werden, mit dem klaren Ziel, die geltenden Bedingungen zum Erhalt der staatlichen Pressehilfe zu erfüllen. Die sieht neben dem wöchentlichen Erscheinen unter anderem auch die Verpflichtung von mindestens drei hauptamtlichen JournalistInnen vor. Ab 1989 erscheint die Zeitung alle zwei Wochen und es werden zwei Halbtagsposten geschaffen.
Anfang 1991 wird eine Kooperative gegründet, die die Herausgabe der Zeitschrift von der gleichnamigen asbl übernimmt. Ab dem 1. März erscheint der „Spoun“ wöchentlich. Zwischendurch wird allerdings das Pressehilfegesetz „großzügig“ reformiert: Statt drei sind jetzt fünf hauptamtliche JournalistInnen erforderlich. Das bedeutet zwar mehr Geld für die etablierte Presse, doch das inzwischen vollkommen autonome Projekt, dessen „Business“-Plan auf drei Gehältern beruht, muss jetzt fünf Leute einstellen und vorfinanzieren – was 1992 auch geschieht.
Doch dass die alternative Zeitung sich zu einem Wochenblatt mit dem charakteristischen, voll ausgestatteten Kulturkalender entwickelt, ist nicht nach dem Gusto der etablierten Konkurrenz. Die fünf MitarbeiterInnen werden nur widerstrebend durch den Presserat als JournalistInnen anerkannt. Ausgerechnet der einzig studierten Journalistin wird der Status verweigert. Da somit nur noch vier JournalistInnen beschäftigt sind, lehnt der Staatsminister die Zahlung der Pressehilfe ab – dem Projekt droht das Aus. Die Zeitung klagt vor dem Streitsachen-Ausschuss des Staatsrats; dem damaligen Verwaltungsgericht und gewinnt den Rechtsstreit – allerdings erst nachdem ein Einspruch des Präsidiums des Presserats abgeschmettert wurde. Die 1996 zwar rückwirkend, aber nicht in voller Höhe, erstattete Pressehilfe reicht nicht ganz aus, um die inzwischen angehäuften Schulden abzubauen. Erst 2009 (!) kann die letzte Schuldverschreibung ordnungsgemäß abbezahlt werden.
Der lange Atem hat sich gelohnt: Inzwischen sind neue, junge JournalistInnen zum Projekt gestoßen, die redaktionelle Vielfalt hat sich erweitert und mit der Gewährung der Pressehilfe ist auch die Abnabelung von den inzwischen wiedervereinten Grünen abgeschlossen. Nach überstandenen Bedrohungen seiner Existenz mischt der GréngeSpoun nun auch an der publizistischen Front kräftig mit: Es finden öffentliche Veranstaltungen zu diversen Themen statt. Legendär sind die „Sträitkultur“-Gespräche, an denen auch schon mal ein Premierminister teilnimmt. Doch auch „Lifestyle“ und Kultur werden umfangreich behandelt: Bestand 1988 der Kulturkalender gerade mal aus zwei Seiten, so beansprucht er nun gut die Hälfte des Heftumfangs.
Im Jahre 2000 wird die neue Unabhängigkeit mit der Umbenennung in woxx auch nach außen hin sichtbar. Ebenfalls in diesem Jahr beginnt eine weitere Aufbauphase: Ein neues Layout entsteht, die Technik wird modernisiert, der Kreis der freien MitarbeiterInnen vergrößert sich und das Internet-Abenteuer von woxx.lu geht an den Start. Zahlreiche KollegInnen und PraktikantInnen nutzen ihre woxx-Jahre als Sprungbrett für ihre journalistische Karriere in anderen Medien.
2007 erfolgt ein Formatwechsel, der die Nutzung der Zeitung handlicher macht. Die woxx hat jetzt zwei Deckelseiten: Von vorne präsentiert sich der politische Teil. Dreht man das Heft um 180 Grad, wird die Rückseite zur Vorderseite und es eröffnet sich den LeserInnen der umfangreiche Agenda-Teil.
Trotz des schönen Erscheinungsbilds bleibt die finanzielle Basis der woxx die ganze Zeit über ziemlich prekär. Wegen der für ein alternatives Medium typischen eingeschränkten Reichweite entwickelt sich das private Anzeigengeschäft zu keiner Zeit zu einem wirklich eigenen Standbein. Zudem erhält das Blatt, das sich ständig kritisch mit der allgegenwärtigen Konsumwelt auseinandersetzt, keine Gefälligkeitsanzeigen aus Wirtschaftskreisen. Die so bewahrte Unabhängigkeit hat eben doch ihren Preis.
Dementsprechend lebt ein Projekt wie die woxx in der Hauptsache von den staatlich gewährten Zuschüssen und dem, was die LeserInnen über Abos und Spenden beizutragen bereit sind. Die seit 1976 der Presse gewährte staatliche Unterstützung wurde Ende der 1990er Jahre strukturell umgewandelt. Durch die Aufhebung der Deckelung pro Medium hat sich der Ausgabenposten im Budget mit etwa 7,5 Millionen Euro seit 1996 zwar mehr als verdreifacht, doch gerade die weniger umfangreichen Wochenzeitungen profitieren davon nicht. Erhielt die woxx noch 5,8 Prozent der 1996 ausgezahlten Pressehilfe, so waren es zuletzt nur mehr knapp über 3 Prozent.
Internet-Angebote und die inzwischen an jeder Straßenecke verfügbare „Gratis“-Presse stellen zudem die Bereitschaft der LeserInnen, für redaktionellen Inhalt zu zahlen, stark auf die Probe. Inzwischen wächst eine Generation heran, die es nicht mehr als normal empfindet, wenigstens eine Zeitung zu abonnieren oder regelmäßig am Kiosk zu erstehen. Die seit 2008 grassierende Wirtschaftskrise hat zudem auch in Luxemburg das ihre dazu beigetragen, dass das materielle Gedeihen der journalistisch ausgerichteten Printmedien in Gefahr gerät.
Die Sparmaßnahmen des „Zukunftspak“ – Kündigung von Abos der Verwaltungen und Stornierung der staatlichen Anzeigen – haben diesen Schrumpfungsprozess noch beschleunigt. Die woxx wird sich wohl oder übel an die Erfahrungen aus ihren kargen Ursprüngen erinnern müssen. Bleibt nur zu hoffen, dass am Ende der Austeritätsspirale nicht doch die Presse-, und damit die Meinungsvielfalt, auf der Strecke bleibt.
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