Die Intervention des Staates auf einem Wohnungsmarkt im Umbruch
Interview mit Diane Dupont und Jean-Paul Marc, erste Regierungsräte im Wohnungsbauministerium, zu den staatlichen Ansätzen in der Wohnungsbaupolitik
Stellen Sie in Luxemburg einen Wandel in den Einstellungen zum Wohnen bzw. zum Wohneigentum fest?
Diane Dupont / Jean-Paul Marc: Wir beobachten eine Veränderung bereits seit einiger Zeit. In Luxemburg ist es nach wie vor so, dass ungefähr 70% der Bevölkerung in den eigenen vier Wänden leben, 30% wohnen zur Miete. Im europäischen Vergleich ist dies einzigartig. Der Anteil der Wohnungseigentümer wird aber wohl in den nächsten Jahren tendenziell zurückgehen, zugunsten der Mietwohnungen und der damit einhergehenden alternativen Wohnformen. Der Markt stellt sich hierauf ein und ist dabei, ein entsprechendes Angebot zu entwickeln.
Welche positiven Tendenzen sehen Sie auf dem Wohnungsmarkt?
DD / JPM: Der Markt wird deutlich kreativer, alternative Wohnformen kommen, wie gesagt, mehr und mehr auf. Dies ist eine logische Reaktion auf die Tatsache, dass sich die Formen des Zusammenlebens geändert haben. Schule, Ausbildung, Heirat, Wohnungserwerb, Familiengründung – dies war lange Jahre unser klassischer Lebensweg. Heute ist das anders.
Hervorzuheben und sicherlich förderungswert sind z.B. das intergenerationelle Wohnen (mit derzeit Projekten u.a. in Beggen und Schifflange) und der sog. Erbpachtvertrag. In diesem Fall erwirbt man durchaus sein Eigenheim, der Grund, auf dem es steht, wird jedoch nur gepachtet. Der Pachtvertrag erstreckt sich über mehrere Generationen, bei öffentlichen Bauträgern in Luxemburg sind es mittlerweile i.d.R. 99 Jahre. Nachdem gerade die Preise der Grundstücke in unserem Land extrem hoch sind, hat dies natürlich sehr positive Auswirkungen auf den Kaufpreis. Dies nicht nur kurzfristig, sondern auch mittel- und langfristig, da die betroffenen Grundstücke von jeglicher Spekulation ausgeschlossen sind. Ähnlich verhält es sich übrigens bei staatlich mitfinanzierten Projekten, bei denen der Eigentümer Grundstück und Wohnung erwirbt, der Bauträger jedoch über ein Rückkaufsrecht im Falle einer Veräußerung verfügt. Auch hier wirkt man reinen Spekulationskäufen und -verkäufen entgegen.Weiterhin erwähnenswert sind Baugenossenschaften. Wie bei jeder Genossenschaft stehen hier der Solidargedanke und die Partizipation an einem gemeinschaftlichen Projekt im Vordergrund. In Luxemburg steckt diese Wohnform zwar noch in den Kinderschuhen, doch wir beobachten ein steigendes Interesse.
Welche Instrumente hat das Ministerium entwickelt, um den Wohnungsbau zu fördern?
DD / JPM: Wir haben eine ganze Reihe von Instrumenten entwickelt, die darauf abzielen, den Wohnungsbau zu fördern und insbesondere mehr bezahlbaren Mietwohnraum zu schaffen. Zum einen gibt es die individuellen Wohnbeihilfen (aides individuelles au logement). Sie können im Prinzip von jedem Bürger beantragt werden und werden in Abhängigkeit vom Einkommen und der familiären Situation berechnet. Als Beispiel kann man hier die Zinsbonifikation auf Immobilienkredite (max. 0,5% pro Kind) oder auch die staatliche Mietbürgschaft nennen.
Weiterhin gibt es seit mittlerweile acht Jahren das Konzept der gestion locative sociale in Luxemburg. Hier mieten soziale Organisationen Wohnungen von Privateigentümern an – zu einem Preis der durchschnittlich 30% unter dem Marktpreis liegt – und stellen diese dann Personen zu verfügen, die über ein geringes Einkommen verfügen und sich, ohne Unterstützung, keine Wohnung auf dem privaten Wohnungsmarkt leisten können. Bekanntester Vertreter ist sicherlich die Agence immobilière sociale (AIS). Sie besteht seit 2009 und hatte 2016 über 230 Wohnungen im Umlauf. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist der steuerliche Anreiz für den Besitzer, der der AIS (oder einer anderen Organisation, die mit dem Wohnungsbauministerium eine Konvention hat) seine Wohnung vermietet: 50% der Mieteinnahmen aus der gestion locative sociale sind steuerfrei.
Dann gibt es natürlich den klassischen subventionierten Wohnungsbau (construction d’ensembles), bei dem wir Projekte von öffentlichen Bauträgern (Fonds du logement, Société d’habitations à bon marché asbl, Gemeinden, Stiftungen, etc.) mitfinanzieren und somit bezahlbare Eigentumswohnungen sowie Mietwohnungen schaffen.
Ein viertes sehr interessantes Instrument ist das sogenannte Baulückenprogramm. Hier arbeiten wir eng mit den Gemeinden zusammen. Eine Studie hat ergeben, dass sich knapp 90% der Baulücken in Luxemburg in privater Hand befinden. Um ihre Bebauung voran zu treiben, nimmt die Gemeinde Kontakt mit den jeweiligen Eigentümern auf und erklärt Ihnen die Vorteile im Falle einer Erschließung.
Welche Vision hat das Wohnungsbauministerium für den Wohnungsmarkt in 10 Jahren?
DD / JPM: Die Lösungsansätze, die wir derzeit umsetzen, werden ihre Zeit brauchen, bis sie perfekt aufeinander abgestimmt sind und in vollem Umfang greifen. In zehn Jahren werden wir sie noch weiter ausgebaut und neue, zusätzliche Instrumente entwickelt haben. Unser Ziel ist es, dass es bis dahin nennenswert mehr bezahlbaren, qualitativ hochwertigen Mietwohnraum gibt und die Länge der Wartelisten zumindest für staatlich mitfinanzierten Wohnungen deutlich abgenommen hat.
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