- Geschichte, Gesellschaft, Klima
Die Naturparks:Alleskönner für die Region?
„In den fünfziger Jahren wurde an der Obersauer der Stausee errichtet. Es galt, die Versorgung des Landes mit Trinkwasser sicherzustellen. Damals versprachen die Politiker den Leuten in der Region neue Chancen und Einkommen…“
So beginnt ein Artikel, den ich als Gastautor vor genau sechsundzwanzig Jahren in der Zeitschrift Télécran veröffentlicht habe. Damals waren der Rückgang von Arbeitsplätzen in den Dörfern und Wegzug vor allem jüngerer Leute oder auch fehlende Finanzmittel der Gemeinden Themen, welche die Menschen in der Region bewegten. Heftig diskutiert wurde Ende der Achtziger der von der damaligen Ministerialdienststelle erstellte Globalplan „Naturpark Obersauer“. Dieser Entwurf, der haufenweise Einschränkungen vorsah, ohne ernsthafte Zukunftsperspektiven für die Region aufzuzeigen, wurde von Gemeinden und Bevölkerung rundweg abgelehnt. Das böse Wort vom Indianerreservat machte die Runde: die aussterbende Rasse der „Stausee-Aborigines“ als Fotoobjekt für die Bewohner aus Luxemburg-Stadt. Die Chancen, dass an der Obersauer je ein Naturpark entstehen würde, schienen auf den Nullpunkt gesunken, die Idee des Instrumentes Naturpark u.U. für Luxemburg für immer verloren.
Bottom-up Entwicklung im ländlichen Raum
De Naturpark – eng Chance fir d’Regioun hieß die Studie des Mouvement écologique und der Stiftung Oeko-Fonds, die 1989 die Wende brachte. Dieses Dokument zeigte auf, dass ein Naturpark nicht nur Einschränkungen bedeutete, sondern im Gegenteil positive Zukunftsperspektiven für eine Region bereithielt. So entstand an der Obersauer mit dem ersten Naturpark Luxemburgs ein wegweisendes Zukunftsprojekt für eine ländliche Region, welches gleichzeitig zum Vorbild für die Schaffung zweier weiterer Naturparks – Our und Mëllerdall – wurde. Zur gleichen Zeit wurden damals in der strukturschwachen Region staatliche und europäische Förderprogramme für die Entwicklung von Land- und Forstwirtschaft, Handel, Handwerk und Tourismus auf den Weg gebracht.
Vor allem das europäische LEADER Programm (Liaison entre actions de développement de l’économie rurale) hatte einen maßgeblichen Anteil daran, dass die Menschen in der Region ein neues Selbstbewusstsein entwickelten, das auschlaggebend für den Erfolg des Naturparks war. Mit der Einstellung hauptamtlicher Regionalmanager – unter ihnen die unvergessene und verstorbene Fernande Marx – und der Schaffung des Parks als festem Ziel vor Augen wurde mit dem Geld aus der EU-Kasse die regionale Entwicklung vorangetrieben. Eine der ersten Studien überhaupt, welche die LEADER-Aktionsgruppe in jenen Tagen in Auftrag gab, lieferte Schlussfolgerungen in Bezug auf die Förderung lokaler und regionaler Produkte. Diese begann mit dem „Téi vum Séi“, der heute in jeglichen Supermärkten vorzufinden ist. Kürzlich wurde zudem eine neue Produktionsstätte in Schleif („an der Schleef“) der Öffentlichkeit präsentiert.
Der Naturpark sollte eben kein Top-down geplantes Natur-Reservat werden, sondern ein Bottom-up Projekt, das die ländliche Wirtschaft, bei einem gleichzeitigen Mehr an Natur- und Wasserschutz, ankurbeln sollte. Letztendlich sollten bessere Lebensbedingungen und Zukunftsaussichten für die Menschen an der Obersauer entstehen.
Identitäts- und kooperationsfördernd
Die Erfahrung zeigt, dass unsere Naturparks in den vergangenen Jahren eine „Kultur“ der Kooperation herbeigeführt haben, die es vorher so nicht gab. Gemeinden, die zuvor kaum oder gar keinen Kontakt zu Nachbarkommunen hatten und eher nur bis zum eigenen Tellerrand blickten, ließen eine Vielzahl interkommunaler Projekte und Dienstleistungen entstehen und kooperieren heute gleich auf mehreren Ebenen. Viele Bürgerinnen und Bürger, Vereine und Interessengruppen nutzen den Naturpark als Anlaufstelle, um dort Hilfe zu erhalten, um ihre Region sozial und kulturell sowie ökonomisch und ökologisch weiterzuentwickeln. Dadurch, dass Gemeinden und Staat in Sachen Naturpark in gemeinsamen Gremien an einem Tisch sitzen, wurden nicht nur die Kontakte zwischen den Verantwortlichen auf beiden Seiten enger, sondern auch die Wege in Sachen Entscheidungsfindung kürzer.
Innovativ mit einem Hang zum Antreiben
Es waren die Mitarbeiter der Naturparks, die bereits vor der Abstimmung der Gesetzesvorlage zum Klimapakt signalisierten, dass sie dieses für den Klimaschutz notwendige nationale Projekt interkommunal, sprich regional, unterstützen wollten. Somit trugen sie nicht unwesentlich zur Erfolgsstory des Klimapaktes bei. Und es waren auch die Naturparks, die gemeindeübergreifende Projekte im Hinblick auf praktischen Natur- und Wasserschutz wie Flusspartnerschaften und biologische Stationen antrieben und Akzente setzten. Ein solcher Akzent ist beispielsweise die Gründung der „Landwirtschaftlech Kooperatioun Uewersauer“, kurz LAKU. Diese wurde vor einem Jahr mit dem Ziel gegründet, den Stausee zu schützen indem man das Eindringen von Nährstoffen und Pestiziden Grund- oder Bachwasser verhindert. Diese Partnerschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Interessen der Landwirte der Region und die des Trinkwasserversorgers SEBES (Syndicat des eaux du barrage d’Esch-sur-Sûre) in Einklang zu bringen. Während der Naturpark Obersauer in die Rolle des Koordinators und Organisators schlüpft, werden das erarbeitete Maßnahmenprogramm und die daran gekoppelten Subventionierungen den Mitgliedern der Kooperation angeboten.
In Bezug auf den Natur- und Wasserschutz gehört die Umwelterziehung zu den ursächlichen Aufgaben eines Naturparks. Nicht zuletzt mit Hilfe einer erlebnisorientierten Umweltbildung erreichen Naturparks die strategischen Ziele, die im Naturparkgesetz vorgegeben sind: die Erhaltung und Inwertsetzung des natürlichen und kulturellen Erbes, die Verbesserung von Umwelt-, Boden- und Wasserschutz sowie die Förderung eines nachhaltigen Tourismus.
Bilanz und zukünftige Perspektiven
Im Rahmen eines débat d’orientation in Bezug auf die Entwicklung der luxemburgischen Naturparks im Juni vergangenen Jahres, forderten die Abgeordneten die Regierung auf, mithilfe eines systematischen Monitorings Aktionen und Projekte der Naturparks periodisch zu bewerten. In ihrer Stellungnahme zu dieser Debatte unterstrich die Organisation Mouvement écologique die Notwendigkeit, auf nationaler Ebene anhand von gemeinsam festgelegten Indikatoren eine Untersuchung durchzuführen. So könnte ermittelt werden, inwiefern die Ziele der Gesetzgebung und der jeweiligen Naturparks erreicht werden konnten bzw. wo es Probleme und Defizite oder welche Lösungsmöglichkeiten es gibt.
Vor allem monierte die Umweltgewerkschaft zu Recht die Tatsache, dass im Dokument des Nachhaltigkeitsministeriums zu besagter Debatte kein Bezug zur landesplanerischen Diskussion der letzten Jahre genommen wurde. Darüber hinaus warf man die Frage auf, welche Rolle den Naturparks in Zusammenhang mit der Folgediskussion um die sektoriellen Pläne zukommt und unterbreitete eine Reihe von Vorschlägen, die zu einer Weiterentwicklung der Naturparkidee im Rahmen der Landesplanung beitragen könnten. In der Tat sind die Naturparks zu einem unverzichtbaren Instrument einer nachhaltigen Regionalentwicklung geworden.
Persönlich teile ich die Meinung des Mouvement, dass im Zuge einer Weiterentwicklung der Landesplanung Naturparks ein wichtiges Bindeglied zwischen nationaler und kommunaler Politik darstellen. Ich denke, Naturparks sollten in Zukunft eine noch bedeutendere Rolle spielen, um ökonomische und soziale Interessen im ländlichen Raum in Einklang zu bringen. Naturparkregionen haben gelernt, auf vielen Ebenen – auch grenzüberschreitend in der Großregion – zu kooperieren. Vor allem aber sollte die Regierung nicht auf das Instrument Naturpark verzichten, wenn es gilt gemeinsam mit diesen Zweckverbänden Entwicklungsziele festzulegen und diesen Kommunen anschließend auch den Handlungsspielraum und die notwendigen Finanzmittel zu geben, um ihre Region konsequent weiterzuentwickeln.
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