Die rechte Szene Luxemburgs und Verschwörungstheorien
Soziale Netzwerke haben sich überall in Europa in den letzten Jahren als primäres Kommunikations- und Rekrutierungsmittel der rechten Szene herauskristallisiert — so auch in Luxemburg. Die digitalen Strukturen dieser Bewegungen begünstigen aber nicht nur deren Organisation, sondern auch die Verbreitung von Verschwörungstheorien, verfälschten Nachrichten und aus dem Kontext gerissenen Beiträgen, die dazu dienen, Hetze zu betreiben und Mitglieder anzuwerben.
Es verwundert kaum, dass Verschwörungstheoretiker und der rechte Rand des politischen Spektrums schon seit jeher so wunderbar miteinander harmonieren — beide teilen nämlich den Hang zu Paranoia, ein arg simplifiziertes Weltbild und schematische Feindbilder. Das historisch wohl markanteste Beispiel hierfür ist der Nationalsozialismus: Um seine antisemitische Propaganda zu untermauern, griff das NS-Regime nämlich maßgeblich auf die bereits Anfang des 20. Jahrhunderts veröffentlichten Protokolle der Weisen von Zion zurück — eine Sammlung gefälschter Texte, die angeblich die Pläne der Juden zur Errichtung eines „Weltjudentums“ offenlegen sollten. Dazu ersannen die Nazis auch gleich selbst gezielt Verschwörungstheorien, um an die Macht zu gelangen, beispielsweise indem sie den Reichstagsbrand im Jahre 1933 Kommunisten in die Schuhe schoben.
Die NS-Ideologie und die von ihr verbreiteten Mythen, die den Nazis letztlich auch als willkommenes Mittel zur Identitätsbildung dienten, mögen heute zwar ein Nischendasein fristen, aber angebliche Verschwörungen, verfälschte Nachrichten und aus dem Kontext gerissene Texte üben nach wie vor eine große Anziehungskraft auf all diejenigen aus, die sich am rechten politischen Rand positionieren. Dank der rasanten Entwicklung des Internets und der sozialen Netzwerke haben sich rechtsgerichteten Verschwörungstheoretikern gänzlich neue Kommunikationswege eröffnet, mittels derer sie ihre wirren Ansichten zu Paradigmen hochstilisieren können. Insbesondere in Deutschland haben sich so im Laufe der letzten Jahre regelrechte Nachrichten- und Medienkomplexe abseits des üblichen öffentlichen Diskurses gebildet. Deren Verschwörungstheorien und verfälschte Nachrichten erreichen bislang ungeahnte Verbreitungs- und Popularitätsgrade — so auch in Luxemburg.
Die Strukturen der rechten Szene
in Luxemburg
Um zu verdeutlichen, inwiefern verfälschte Nachrichten und Verschwörungstheorien von der rechten Szene in Luxemburg rezipiert werden, bedarf es zunächst einer näheren Charakterisierung ebendieser. Mit der „rechten Szene“ meine ich all jene Menschen, deren politische Gesinnung rechts der ADR anzusiedeln ist (wobei es durchaus einige personelle und ideelle Schnittpunkte mit dieser gibt), und die sich in mehr oder minder loser Form organisieren.
Das Rumoren am rechten Ende des politischen Spektrums in Luxemburg ist keine rezente Entwicklung. In den letzten Jahrzehnten hatte es in Luxemburg, beispielsweise mit Pierre Peters „Nationalbewegung“, bereits mehrere Ansätze gegeben, rechtsextreme Bewegungen und Parteien in der politischen Landschaft zu etablieren. All diese Versuche sind jedoch bereits im Ansatz oder spätestens bei den Gemeinde- und Nationalwahlen gescheitert.
Mit dem Aufkommen sozialer Netzwerke begann sich die rechte Szene Luxemburgs zu wandeln. Insbesondere Facebook wurde zum primären Kommunikations- und Organisationsmedium, da es den Rechtsextremen bislang ungeahnte, neue Möglichkeiten zur Vernetzung untereinander und massenhaftem Hinausposaunen ihrer politischen Meinung bot. Ab Anfang der 2010er Jahre kristallisierten sich dann die heutigen Strukturen der rechten Szene in Luxemburg heraus. Im Mittelpunkt stehen dabei sogenannte Hubpages. Damit gemeint sind Seiten, Gruppen und auch Profile von Privatpersonen, die als Sammelbecken für den harten Kern der rechtsextremen Szene fungieren, der in Luxemburg aus nicht mehr als einem Dutzend Menschen besteht. Aus vielen dieser Hub-
pages resultierten rechtsextreme Gruppierungen wie etwa die „NDU“, die „Lëtzebuerger Patrioten“ (von der sich die tatsächliche Resistenzbewegung aus dem 2. Weltkrieg, die „Lëtzebuerger Patriote Liga (Amicale)“, bereits ausdrücklich dis-tanziert hat) oder die „Luxemburg (sic!) Defence League“.
Diese bekundeten des Öfteren auch parteipolitische Ambitionen, verschwanden aber aufgrund innerer Streitigkeiten und der geballten Inkompetenz ihrer Mitglieder immer wieder in der Versenkung, bevor es überhaupt zu einer Parteigründung kommen konnte. Dies sollte erst vor einigen Monaten Nico Castiglia (auf den ich später noch eingehen werde) gelingen, der zunächst auf Facebook, und dann auch offiziell seine „Sozial-Demokratische Volkspartei“ gründete. Meistens konzentrieren sich die rechtsextremen Aktivitäten nur während einer bestimmten Zeit auf einzelne Hubpages, die zu einschlägigen Adressen für Gleichgesinnte werden, während sie parallel dazu weiterhin die Kommentarspalten der Facebookpräsenzen großer luxemburgischer Nachrichtenseiten wie etwa RTL.lu oder wort.lu mit rassistischen, xenophoben und homophoben Hasstiraden überfluten.
Rechtsextreme Hubpages als Nährboden
Die momentan populärste Hubpage für die rechte Szene in Luxemburg ist eine Facebookseite namens „I Love main Lëtzebuerg“. Alleine schon die Namensgebung ist bewusst irreführend, um auch möglichst viele Menschen ohne rechtsextremen Hintergrund dazu zu bewegen, die Seite zu liken. Vermeintlich harmlose Hubpages dieser Art erfüllen so nicht nur den Zweck, Rechtsextreme miteinander in Verbindung zu halten, sondern, wenn die Admins zur rechten Szene gehören, auch gezielt weitere Menschen mittels hetzerischen Beiträgen für die eigene politische Agenda einzuspannen. Dadurch fühlen sich auch tatsächlich oftmals Menschen außerhalb des harten Kerns der rechten Szene dazu ermutigt, selbst xenophobe, rassistische oder homophobe Beiträge oder Kommentare zu posten — insbesondere im Zuge brisanter gesellschaftlicher Debatten ist des Öfteren zu beobachten, dass auf einmal der „Extremismus der Mitte“ losgetreten wird und, angefeuert durch die rechte Szene, all die latenten Ressentiments hervor brechen.
Einer der Admins bei „I Love main Lëtzebuerg“ ist Dan S., Teil des harten Kerns der rechten Szene. Trotz der Tatsache, dass er wegen seiner auch auf Facebook geäußerten Morddrohungen gegen die ASTI-Vorsitzenden Serge Kollwelter und Laura Zuccoli jüngst zu 6 Monaten Haft verurteilt wurde, gibt er dort nach wie vor munter seine Weltsicht zum Besten, die sich vor allem in Form von rechtsextremen Verschwörungstheorien äußert. Am 5. Mai teilte die Seite beispielsweise ein YouTube-Interview mit der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverback, die immer wieder auf NPD-Demos auftritt und dort ihre kruden Verschwörungstheorien hinausposaunt; am 9. Juni wurde ein Video gepostet, in dem es um die insbesondere unter PEGIDA-Anhängern beliebte Frage ging, ob denn nun eine US-Amerikanisierung oder Islamisierung des Abendlandes bevorstünde; und am 14. Juni folgte ein weiteres antisemitisches YouTube-Video namens „Die Welt wird beherrscht von einer Clique von jüdisch zionistischen Bankerfamilien“, in dem mittels bewusst aus dem Kontext gerissenen Interviews mit Politikern und Wirtschaftsfachleuten eine angebliche jüdische Weltverschwörung bewiesen werden soll. All dies ist exemplarisch für eine in der Szene weit verbreitete Affinität für Verschwörungstheorien.
Dass das letzte Video im Zuge der rezenten öffentlichen Diskussion um den sogenannten „Artuso-Bericht“ gepostet wurde, mischt dem Ganzen dann noch einen umso bittereren Nachgeschmack bei. Der Historiker Vincent Artuso hat die Beteiligung der damaligen luxemburgischen Verwaltungsinstitutionen bei der Judenverfolgung während des 2. Weltkriegs untersucht und war dabei zum Schluss gekommen, dass es sich bei der Vorstellung Luxemburgs als geeintem „Resistenzler“-Land nur um einen Mythos handele. Vielmehr hatte der Antisemitismus hierzulande bereits in den 1930er Jahren floriert. Diese Entmystifizierung eines konstitutiven Elements luxemburgischen Nationalstolzes hat daraufhin viele selbsternannte Patrioten in Rage versetzt und für allerlei antisemitische Posts auf Facebook gesorgt — womit sie wiederum genau das intolerante Verhalten ihrer Vorfahren aus den 1930ern und 1940ern an den Tag legten, das Artuso in seinem Bericht hervorgehoben hatte. Die von „I Love main Lëtzebuerg“ geposteten Beiträge waren dementsprechend darauf abgerichtet, unverhohlen und opportunistisch an genau diese antisemitischen Tendenzen zu appellieren, die nicht nur in Luxemburg, sondern überall in Europa wieder in drastischem Maße zunehmen.
Nico Castiglias Instrumentalisierung latenter Ängste
Auf „I love main Lëtzebuerg“ werden aber nicht nur offensichtliche Verschwörungstheorien, sondern auch allerlei reißerische Nachrichten von einschlägigen Seiten wie „Netzplanet“, „Kopp-Verlag“ und „PI-News“ gepostet. Insbesondere der Kopp-Verlag steht in der Nähe diverser rechter Verschwörungstheoretiker; dazu verfügen weder der Kopp-Verlag noch „PI-News“ über ein Impressum — nicht gerade ein Hinweis auf deren Seriosität. Besagte Beiträge werden dann wiederum von anderen Mitgliedern der rechten Szene weiter verbreitet — unter anderem Nico Castiglia. Seit der offiziellen Gründung und Präsentation seiner Partei ist Castiglia stets darum bemüht, sich in der Öffentlichkeit als Saubermann zu inszenieren und jegliche Vorwürfe des Rechtsextremismus an seine Partei oder ihn selbst abzuwehren.
Seine Onlineaktivitäten zeichnen allerdings, wie man bereits erahnen kann, ein anderes Bild. Am 13. Juni postete Castiglia
beispielsweise kommentarlos einen denunzierenden „Netzplanet“-Beitrag über einen Flüchtlingsaufstand in Sardinien. Auffällig hierbei ist, dass dieser bereits zuvor von Dan S. mit dessen Privatprofil in der offiziellen SDV-Gruppe auf Facebook geteilt worden war, und dort reichlich Zustimmung geerntet hatte. Castiglia toleriert also nicht nur einen Holocaust-Leugner und verurteilten Rechtsextremen in seinen eigenen Reihen, sondern teilt dazu noch eifrig dessen Beiträge, die insbesondere unter deutschen Rechtsextremen, der PEGIDA-Bewegung, und Teilnehmern der Montagsmahnwachen (die wiederum ein schwer zu überblickendes, heterogenes Sammelsurium aus Neonazis, rechten Esoterikern und Chemtrail-Verschwörungstheoretikern darstellen) populär sind. Dan S. ist übrigens nicht das einzige bekannte rechtsextreme Gesicht in Castiglias Partei: Auch Francis S., jüngst seinerseits wegen Drohungen zu 6 Monaten auf Bewährung verurteilter Gründer der „Lëtzebuerger Patrioten“, und der wegen seiner extremen Ansichten aus der ADR ausgeschlossene Timon Müllenheim sind Mitglieder.
Castiglia teilt all diese Beiträge aber nicht nur, um sein eigenes krudes Weltbild öffentlich zu bekunden, sondern auch um seine über 4000 Facebookfreunde gezielt für seine politischen Ambitionen einzuspannen. Das verwandelt sein Facebookprofil dann auch immer wieder in eine Hubpage für die rechte Szene. Im Kontext der öffentlichen Diskussion um das Referendum am 7. Juni teilte Castiglia
beispielsweise ein Bild mit dem Text „Tauscht die Politiker aus, ehe sie das Volk austauschen!“, die auf die von Mitgliedern der NPD und anderen rechtsextremen Parteien verbreitete Verschwörungstheorie hindeutet, der zufolge die Politiker in Europa den geheimen Plan hätten, die Bevölkerung des Kontinents mit Einwanderern aus Afrika und Asien zu ersetzen. Castiglia formulierte diese Theorie nun um und behauptete in seinem das Bild begleitenden Text, dass auch in Luxemburg der reinrassige Luxemburger in höchstens 5 Jahren in der Unterzahl sein würde — womit er gezielt eine unter nicht wenigen Luxemburgern verbreitete Angst schürte. Die wissenschaftlichen Fakten und Statistiken widersprechen zwar eindeutig dieser Auffassung, aber darum schert sich die rechte Szene kaum.
Bereits am 20. März hatte Castiglia dazu einen ähnlichen, von Paranoia getränkten Artikel einer Seite namens „Kopten ohne Grenzen“ geteilt — die wie „Netzplanet“ & Co. auch über kein Impressum verfügt und mit keinerlei oder nur sehr dubiosen Quellen hantiert —, in dem nicht nur behauptet wurde, dass die EU angeblich 50 Millionen „Afrikaner“ nach Europa holen möchte, sondern auch ab 2045 51 Millionen (!) Muslime in Deutschland leben würden. Alleine schon aus rechnerischer Sicht sind all diese Zahlen klar aus der Luft gegriffen — nichtsdestotrotz schrie der braune Mob unter dem Beitrag Zeter und Mordio.
Den durch seine Beiträge und plumpen Verschwörungstheorien provozierten Aufruhr nutzte Castiglia dann perfide aus, in dem er dazwischen immer wieder auf seine Partei hinwies, die selbstverständlich die Lösung für all diese von ihm zurechtgezimmerten Probleme bietet. Die Rechnung ging schlussendlich auf: Castiglia vermochte genügend Gleichgesinnte um sich zu scharen, um am 25. April offiziell die SDV zu gründen, die trotz aller Abwiegelungen ihres Gründers deutlich rechtsextreme Züge besitzt.
Das Internet und die damit verbundene, problematische Gleichstellung von unterschiedlichen Paradigmen haben also letztendlich für eine Besorgnis erregende Etablierung rechtsextremer Strukturen und eine wachsende Anzahl an Äußerungen, die auf eine latente xenophobe Stimmung in Luxemburg hindeuten, gesorgt. Ähnlich wie in Deutschland drückt sich durch diese und das massenhafte Teilen von aus dem Kontext gegriffenen Nachrichten und Falschmeldungen ein tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber der Politik und den etablierten Medien aus. Das erklärt dann auch beispielsweise, wieso die hanebüchenen Argumente von „Nee 2015.lu“ —
die übrigens teilweise bereits seit Jahren von Leuten der rechten Szene hinausposaunt werden und genauso die Ängste der Menschen instrumentalisieren — sich trotz mehrfacher Widerlegung so hartnäckig in den Köpfen der Menschen festsetzen konnten.
Diese durch das Internet begünstigte Fes-tigung der Strukturen der rechten Szene Luxemburgs macht es umso schwieriger, etwas dagegen zu unternehmen. „I Love main Lëtzebuerg“ und all die anderen Hubpages mögen dementsprechend zwar irgendwann einmal gelöscht werden (insbesondere nach all den Beiträgen, die eindeutig dem Strafbestand der Volksverhetzung entsprechen) — doch es wird nicht allzu lange dauern, bis die nächste Hass verbreitende Hubpage aus dem braunen Morast hervorkriecht. u
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