Auf zwei Männer kommt eine Frau. Dies ist das Ergebnis der im Oktober 2018 präsentierten Pilotstudie „Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb“1 des Instituts für Medienforschung der Universität Rostock.

Hinter dieser Aussage steht das Forschungsergebnis, dass in allen Medien, mit Ausnahme von Frauenzeitschriften, männliche Autoren im Verhältnis 2 zu 1 häufiger und ausführlicher besprochen werden als Autorinnen. Hierbei kann allerdings nicht den männlichen Journalisten die Schuld in die Schuhe geschoben werden, denn nicht nur Männer, sondern auch Frauen schreiben laut dieser Studie mehr über Männer.

Das exakt gleiche Verhältnis 2:1 von männlichen zu weiblichen Protagonist*innen zeigt sich ebenfalls in Film und Fernsehen2 sowie bei den 100 beliebtesten YouTube-Kanälen und Instagrammer*innen in Deutschland3.

Dieses ungleiche Geschlechterverhältnis auf den Bildschirmen und den gedruckten Seiten ist auf ein traditionelles Rollenverständnis der Geschlechter zurückzuführen, das die weibliche Lebens- und Karrieregestaltung stark beeinflusst. So ist unter anderem die Wirkung von TV-Serien auf die Berufswahl hinreichend belegt: Der so genannte ‚Scully-Effekt‘ beschreibt gar das Phänomen, wonach Frauen, welche die TV-Serie Akte X verfolgten, sich deutlich öfter für die zukunftsträchtigen MINT-Berufe entschieden.

Die Mischung macht’s

Journalismus lebt von vielfältigen Perspektiven und von inhaltlicher Ausgewogenheit. Wie lässt sich also mehr Genderdiversität in den Medien erreichen? Was wird derzeit getan, um sowohl Männer als auch Frauen zu einer ausgewogeneren Berücksichtigung von weiblichen Interviewpartnern, Protagonisten und Interessen zu inspirieren?

Die Initiative ProQuote Medien4 setzt bei der Präsenz von Frauen in Entscheidungsfunktionen an. Da sich laut ProQuote gezeigt hat, dass eine verantwortliche Redakteurin fast dreimal so viele Frauen sichtbar werden lässt als ein Redakteur, fordert die Initiative seit 2012 eine Quote von zunächst 30%, mittlerweile 50%, für die Besetzung von Frauen in Führungspositionen im Medienbereich. Waren 2012 nur zwei Prozent aller Chefredakteurssessel oder leitenden Redakteuren der rund 360 Tages- und Wochenzeitungen in Deutschland von Frauen besetzt, ist mittlerweile die 30%-Marke bei einigen Publikationen, wie dem Spiegel oder der Zeit, ‚schon‘ erreicht.

Das Nicht-Erreichen der 30%-Marke von Frauen in leitenden Positionen in den Redaktionen diente auch den Gründerin-nen des Onlineportals NewsMavens – Women choose the news5 Ende 2017 als Argument und Ansporn, eine Newsseite mit exklusiv von Frauen kuratierten Nachrichten zu schaffen. „Tired of the news media’s prevailing male perspective? We are too“, fragt sie provozierend. Rund 20 Journalistinnen aus ganz Europa bieten täglich eine Auswahl an aktualitäts-relevanten und auf Englisch übersetzten Artikeln aus ihren jeweiligen Regionen an. Dies eröffnet nicht nur eine neue, ‚weibliche‘, Perspektive auf die Aktualität, sondern gibt auch lesenswerten Artikeln aus kleineren, regionalen Medien, die gerne übersehen werden, die Chance auf eine größere Leserschaft. Nach einem Jahr Online­präsenz hat sich gezeigt, dass nicht nur Frauen, sondern auch marginalisierte soziale Gruppen eine höhere Visibilität auf NewsMavens als auf vergleichbaren, nicht von Frauen geführten, Portalen erhalten. Finanziell gefördert wird NewsMavens zur Zeit durch die Google Digital News Initiative. Die kürzlich gegründete NewsMavens Online Academy mit kostenpflichtigen MOOCs soll nun auch eigene Einnahmen generieren.

Eine weitere von NewsMavens ins Leben gerufene Initiative ist das von der Europäischen Kommission ko-finanzierte Fact-Checking-Projekt #FemFacts. Über #FemFacts lassen sich sexistische Medieninhalte melden, welche dann von NewsMavens thematisiert werden.

Ein ähnliches, jedoch weltweit agierendes Projekt, ist das 2014 in Istanbul gegründete Fuller Project.6 Es basiert auf der Feststellung, dass Frauen in der Auslandsberichterstattung unterrepräsentiert sind. Benannt nach Margaret Fuller, einer der ersten US-amerikanischen Auslandskorrespondentinnen in Europa, hat sich hier ein global agierendes Team von (Video-)Journalist*innen und Fotograf*innen zusammengefunden, welches vorrangig über Frauen weltweit und deren Benachteiligungen berichtet. Die Reportagen erscheinen u.a. in der New York Times, auf CNN und im The Guardian. Das Projekt hat ebenfalls ein Trainingsprogramm für Journalistinnen in Syrien und dem Irak ins Leben gerufen.

Vom Malestream zum Mainstream

Auch im regionalen Journalismus lassen sich interessante, auf Fraueninteressen fokussierte Projekte finden. Hervorzuheben wäre hier die Plattform Chai Khana7, die Frauen und Minoritäten im Kaukasus durch attraktives multimediales Storytelling mehr Sichtbarkeit bieten will. Auch hier vervollständigt ein Mentoringprogramm für Frauen in den visierten Regionen das Angebot.

Im französischsprachigen Raum bietet TV5 mit dem Portal Terriennes8 Videos und Artikel zu der Situation der Frauen in der Welt an sowie Mediensets mit pädagogischem Material zu dem Thema für die Nutzung an Schulen. „Ce portail baptisé Terriennes témoignera de la réalité de la condition des femmes de par le monde, dénoncera avec impertinence et/ou indignation tout ce qui doit l’être, se moquera des machistes de tout sexe, se réjouira des avancées et des succès remportés, donnera la parole à celles et ceux qui ont des choses à dire, le tout, autant que possible, avec un zeste d’humour parce qu’il faut faire gaiement les choses sérieuses ! “, versprach die damalige Leiterin von TV5Monde, Marie-Christine Saragosse, beim Start des Angebots9.

Auch das französische Onlinemagazin Cheek magazine10 – „Le magazine qui parle des femmes pour ce qu’elles font, pas pour ce qu’elles sont“ – sticht durch einen interessanten Blickwinkel und eine frische Themenauswahl hervor.

Ähnlich hierzu erscheint die deutsche Edition F11, ein 2018 für den Grimme Online Award nominiertes Onlinemagazin. Es speist sich sowohl aus Artikeln der 30-köpfigen Redaktion sowie der Edition F-Community und legt den Schwerpunkt auf Karriere, Gesellschaft und Politik. Auch Edition F bietet mit der „Female Future Force“ kostenpflichtige Online-Coachings zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung an. In Kooperation mit Zeit Online und dem Handelsblatt wird außerdem jährlich der Edition F Award an Frauen verliehen, die dazu beitragen, dass die Wirtschaft gerechter wird.

Im Printbereich hat es Causette12 in Frankreich geschafft, als einziges Frauenmagazin die Anerkennung als Publikation von allgemeiner und politischer Information mit dem damit einhergehenden Zugang zu Mitteln der Presseförderung zu bekommen.

Neben der altbekannten deutschen Emma und der österreichischen an.schläge, ist im Print auch Missy Magazine13, das „Magazin für Pop, Politik und Feminismus“ erwähnenswert. Missy Magazine sendet mittlerweile eine eigene Radioshow namens Missy Radio über den Internet-Radiosender Reboot.fm. Seit Dezember 2018 produziert Missy Magazine zudem das Format Softie für funk, dem Online-Medienangebot der ARD und des ZDF für Jugendliche: „Softie ist das Zuhause der queerfeministischen Community im Internet. Softie bringt Queerfeminismus, Vielfalt und Offenheit in den Mainstream. (…) Gleichzeitig bringt der Kanal auch Diskursbegriffe in den Mainstream, sodass alle mitreden können.“

Das englischsprachige Pendant zu Missy Magazine ist Bitch Media, bestehend aus einem Printmagazin Bitch: Feminist Response to Pop Culture, einem Onlineportal auf bitchmedia.org, dem Bitchmart, einem Onlineshop mit u.a. feministischer Literatur, dem Podcast POPaganda Backtalk, dem Programm Bitch on Campus,, das Schulen Artikel und Speaker zur Verfügung stellt. Nicht zuletzt bietet Bitch noch Praktika und Stipendien an. Bitch präsentiert sich folgendermaßen: „Bitch seeks to be a fresh, revitalizing voice in contemporary feminism, one that welcomes complex arguments and refuses to ignore the contradictory and often uncomfortable realities of life in an unequivocally gendered world.“ Der Titel mag anstoßen, wird jedoch so erklärt: „While we’re aware that the magazine’s title, and the organization’s name, is off-putting to some people, we think it’s worth it. When it’s being used as an insult, “bitch” is an epithet hurled at women who speak their minds, who have opinions and don’t shy away from expressing them, and who don’t sit by and smile uncomfortably if they’re bothered or offended. If being an outspoken woman means being a bitch, we’ll take that as a compliment.“

„The future is furious“, steht auf über den Bitchmart verkauften Bleistiften. Her mit dem Ärger, nieder mit dem Malestreaming, ist man angesichts dieser Beispiele von frischem und konstruktivem Journalismus verführt zu denken.

Da eine verstärkte Präsenz von Frauen in den Medien als Nebeneffekt auch zu einer größere Beachtung von weiteren Minderheiten führen kann, ist es nicht abwegig, sich auf noch mehr Diversität in den Redaktionen und den Medieninhalten zu freuen. Wenn diese die ganze Vielfalt und Pluralität der Gesellschaft, auch über Gender-Grenzen hinaus, widerspiegeln, wird das Risiko von Stereotypisierung und Monotonie in der Themensetzung, Bildauswahl und Sprache vermindert. Und das tut letztendlich sowohl dem Journalismus wie auch dem gesellschaftlichen Zusammenhalt gut.

1) http://www.frauenzählen.de
2) „Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland“ (2017). https://www.imf.uni-rostock.de/forschung/kommunikations-und-medienwissenschaft/audiovisuelle-diversitaet/
3) „Weibliche (Selbst-)Inszenierung in den neuen Medien und in Musikvideos“ (2019) https://malisastiftung.org/wp-content/uploads/Selbstinzenierung-in-den-neuen-Medien.pdf
4) https://www.pro-quote.de
5) https://newsmavens.com
6) http://fullerproject.org
7) https://www.chai-khana.org
8) https://information.tv5monde.com/terriennes
9) https://www.facebook.com/pg/terriennes/about
10) http://cheekmagazine.fr
11) https://editionf.com
12) https://www.causette.fr
13) https://missy-magazine.de

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