In Reaktion auf den als „Faktuell 42“ erschienenen Beitrag „Das Sprachenparadoxon“ von Fernand Fehlen – erschienen in forum 426 (Juli 2022), S. 16 – hat Tom Weidig ein droit de réponse gemäß Artikel 36 der loi modifiée du 8 juin 2004 sur la liberté d’expression dans les médias geltend gemacht.

In „Faktuell 42“ beschwert sich Herr Fehlen, dass wir seine Argumente nicht berücksichtigt hätten. Wir greifen hier einige Argumente auf und sind auch offen für ein öffentliches Streitgespräch.

Die Hauptthese unseres Buches1 betrifft nicht das Aussterben unserer Sprache, sondern die Auflösungserscheinungen unserer kleinen Nation. Die vielen Gemeinsamkeiten, die uns verbanden und uns zu einer stabilen und produktiven Nation machten, lösen sich langsam auf. Dem Wegfall der gemeinsamen Sprache haben wir das erste und längste Kapitel gewidmet, weil unsere Sprache der Kern unserer Identität ist. Herr Fehlen widerspricht sich, wenn er einerseits „noch nie hat ein so großer Prozentsatz der Wohn- und der Erwerbsbevölkerung kein Luxemburgisch gesprochen“ als Fakt darstellt, aber zugleich uns die „Verbreitung defätistischer Thesen vom angeblichen Rückgang des Luxembur­gischen“ vorwirft. Er bestätigt, dass Luxemburg seine gemeinsame Sprache schon verloren hat. Eine Sprache braucht ein Territorium, wo sie als dominante Alltagssprache lebt. Die Folgen auf die Menschen verschweigt er auch. Die Luxemburger müssen heute mehrheitlich in einer Fremdsprache, Französisch, in ihrem eigenen Land kommunizieren. Gefällt ihnen das nicht, dann werden sie als „identitär-national“ verschrien. Aber auch die vielen integrationswilligen Ausländer können ihr mühsam gelerntes Luxemburgisch seltener anwenden und müssen Französisch lernen. Dies fördert Parallelgesellschaften, soziale Ungerechtigkeiten und politische Spannungen.

Herr Fehlen hat recht, dass die Sprache mehr geschrieben wird, institutionell besser verankert ist und Sprachkurse besucht werden. Er sollte aber den „bösen“ identitär-nationalen Kräften, wie der Actioun Lëtzebuergesch, dafür danken, dass diese sich seit Jahrzehnten, meistens gegen die Lethargie linker und liberaler Kreise, dafür eingesetzt haben. Heute nimmt er die Früchte dieser Arbeit als Beweis, dass es der Sprache gut geht!

Dies reicht aber nicht aus, um das langsame Aussterben zu verhindern, weshalb die UNESCO die Sprache als „vulnerabel“ eingestuft hat. Unser Buch erklärt dieses Sprachenparadox. Zum Beispiel zeigt unser Inselszenario, dass die Zahl der Sprecher zweitrangig ist. Wenn auf einer Insel 100.000 Luxemburger leben und 50 % sterben, dann wird die Sprache überleben, weil es keine Konkurrenz der Sprachen gibt. Wenn zu den 50.000 noch 50.000 Franzosen hinzukommen, wird sie aussterben, auch wenn einige Luxemburgisch lernen und es dadurch mehr Sprecher gibt.

Auch die Sprachkurse sind eine Fata Morgana. Die jährlichen Einschreibungen entsprechen nicht mal 2 % der ausländischen Bevölkerung! Viele machen den Anfangskurs nur, um den begehrten Pass zu bekommen. Die meisten verwenden Luxemburgisch kaum. Und die wenigsten haben B2-Niveau, das es ihnen zumindest erlauben würde, alles auf Luxemburgisch zu verstehen.

Tom Weidig

1 Fred Keup / Tom Weidig, Mir gi Lëtzebuerg net op. Auflösungserscheinungen einer kleinen Nation, Luxemburg,  im Eigenverlag, 2022.

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