„Eine Tat, die nicht vom Recht geahndet wird, kann trotzdem Unrecht sein“

In der öffentlichen Diskussion um Geflüchtete und Asyl überlagern sich z.T. unterschiedliche Rechtsrahmen. Daraus ergeben sich nicht nur widersprüchliche Vorgaben, sondern vor allem auch Rechtslücken. forum hat sich mit der Anwältin Laura Urbany über die wichtigsten Fragen in Sachen Flüchtlings- und Asylrecht unterhalten.

Können Sie uns zunächst den grundsätzlichen juristischen Unterschied zwischen legaler und illegaler Migration erklären?

Laura Urbany: Wie die Bezeichnungen ‚legal‘ und ‚illegal‘ vermuten lassen, ist der grundsätzliche Unterscheidungsfaktor der, ob man auf legalem Weg in ein anderes Land einreist oder illegal. ‚Legal‘ im Falle der Einreise bedeutet, dass man gültige Reisepapiere besitzt, die es einem erlauben, in ein bestimmtes Land zu reisen (zum Beispiel Visa, Reisepass usw.). Dies gilt nur, wenn man die Art der Einreise berücksichtigt, also den Akt der Migration an sich. Darüber hinaus kann man noch zwischen Menschen unterscheiden, die sich legal in einem Land aufhalten, also eine Aufenthaltsgenehmigung besitzen, und jenen, die sich illegal ohne Aufenthaltsgenehmigung auf einem Gebiet aufhalten, unabhängig davon, ob die Einreise an sich über den legalen Weg stattgefunden hat.

Ein solches Aufenthaltsrecht wird gewährt, wenn man, vereinfacht dargestellt, nachweisen kann, dass man dem etwaigen Land finanziell nicht zur Last fallen wird. Entweder dadurch, dass man ein gültiges Arbeitsverhältnis, also ein Einkommen nachweisen kann oder genug finanzielle Mittel besitzt, um keine Sozialzulagen beantragen zu müssen (Student, Sportler, Familienmitglied, Investment usw.). Dann gibt es noch eine Zwischenkategorie: Asylantragsteller. Diese kommen vorwiegend auf illegalem Weg in das Land, besitzen auch während des Antrags keine Aufenthaltsgenehmigung im eigentlichen Sinn, dürfen sich aber während der Dauer des Verfahrens im Land aufhalten.

Bedeutet ‚legale Migration‘ im Umkehrschluss also nicht ausschließlich die Arbeitsmigration von (hoch-)qualifizierten Arbeitskräften?

L.U.: Nicht ausschließlich, aber vorwiegend, ja. Es ist tatsächlich auch als Arbeitnehmer (eines Drittstaates) nicht sehr einfach, ein Aufenthaltsrecht als solcher zu erhalten. Die vorgesehene Prozedur sieht gewisse Voraussetzungen vor, die nicht immer einfach zu erfüllen sind. Es gibt allerdings auch Ausnahmen, bei denen man kein Einkommen nachweisen muss. Diese Ausnahme ist allerdings nur für anerkannte Flüchtlinge gültig und dies in doppeltem Maße. Der anerkannte Flüchtling selbst erhält ein Aufenthaltsrecht, sobald ihm der Status des Flüchtlings gewährt wird, wodurch bestimmte Mitglieder seiner Familie ohne Nachweis von Einkommen nachreisen können. Der Antrag dafür muss allerdings innerhalb von drei Monaten nach Erhalt des Flüchtlingsstatus erfolgen, danach müssen auch diese Familienmitglieder ihre finanziellen Mittel angeben.

Gibt es Herkunftsländer, denen Luxemburg derzeit ‚bedingungslos‘ Asyl gewährt?

L.U.: Bedingungslos nicht, nein. Jeder Antragsteller muss (und darf) sich einem „Interview“ unterstellen, in dem die individuellen Gründe der Flucht betrachtet werden.

Es gibt zwei Formen des ‚internationalen Schutzes‘: den Status des Flüchtlings und den des subsidiären Schutzes. Um als Flüchtling anerkannt zu werden, muss man ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Subsidiären Schutz erhält man, wenn man diese Bedingungen nicht erfüllt, die Person aber trotzdem erwiesenermaßen den Tod, Folter oder unmenschliches Verhalten in seinem Heimatland erwartet.
Das Ministerium für Immigration und Asyl bewilligt also eher im Rahmen des subsidiären Schutzes quasi automatisch Anträge aus bestimmten Ländern über einen bestimmten Zeitraum. Dies gilt etwa für Länder, in denen die allgemeine Situation für die gesamte Bevölkerung so gefährlich ist, dass man diese nicht ohne begründete Sorge um ihr Leben oder ihre Sicherheit zurückschicken kann. Dies gilt aktuell z.B. für Asylantragsteller aus Syrien oder Eritrea.

Können Schutzsuchende, die einen Antrag auf Asyl gestellt haben, Familiennachzug beantragen, oder bleibt dieser nur bestimmten Antragsteller*innen vorbehalten?

L.U.: Grundsätzlich muss man den Unterschied zwischen Antragstellern (Demandeurs de protection internationale) und jenen, die den internationalen Schutz erhalten haben (Bénéficiaires de protection internationale), machen. Als Antragsteller hat man kein Recht auf Familiennachzug. Man hat allgemein nur das Recht, sich bis zum Ende der Prozedur im Land aufzuhalten, andere Rechte (bis auf Grundrechte) hat man weitgehend nicht.

Erst nach Erhalt des internationalen Schutzes kann die Person einen Familiennachzug beantragen. Erfolgt dieser Antrag innerhalb von drei Monaten nach Erhalt des Bescheids auf internationalen Schutz, genügt es, den Familienstand nachzuweisen, damit besagte Familienmitglieder ein Einreiserecht und bei Ankunft dann ein Aufenthaltsrecht erhalten. Allerdings kann nicht jedes Familienmitglied nachziehen. Tatsächlich gilt in der Regel, dass nur Eheleute und minderjährige Kinder nachziehen dürfen. Für alle anderen Familienmitglieder müssen bestimmte Umstände geltend gemacht werden.

Welche Rechtsmöglichkeiten auf Widerspruch haben abgelehnte Antragsteller*innen? Wie realistisch sind Einspruchsverfahren?

L.U.: Gegen jede Form von Bescheid seitens des Ministeriums kann man vor dem Verwaltungsgericht Einspruch einlegen. Welche Form von Einspruch und innerhalb welcher Frist dieser Einspruch eingelegt werden kann, hängt vom jeweiligen Entscheid ab. Gegen eine Ablehnung des Antrags auf Asyl kann man z.B. innerhalb von einem Monat Einspruch einlegen. Gegen eine Ablehnung aus Gründen der Zuständigkeit eines anderen Landes hinsichtlich des Antrags (Dublin-Verfahren) hingegen muss man z.B. den Einspruch innerhalb von 15 Tagen einreichen.

Wie realistisch ein Einspruchsverfahren ist, hängt immer vom Fall selbst ab. Oft spielt aber das Herkunftsland des Antragstellers eine entscheidende Rolle. So sind z.B. Einsprüche von Antragstellern aus den Balkanländern überwiegend zum Scheitern verurteilt, auch wenn es natürlich Ausnahmen gibt. Was die Chancen eines Einspruchs anbelangt, gibt es auch einen Unterschied zwischen Verfahren, in denen es um die Prüfung der Gründe der Flucht geht und jenen, in denen es lediglich um die Prüfung des zuständigen Landes („Dublin-Verfahren“) geht. Bei der Frage, ob eine Person die Kriterien des internationalen Schutzes erfüllt, besteht weitaus mehr Raum zur Diskussion, da die Kriterien abstrakt und allgemein sind und in jedem Fall einzeln geprüft werden müssen.

Bei sogenannten Dublin-Verfahren hingegen sind die Regeln weitaus präziser und bieten wenig Spielraum. Entscheidet das Ministerium, dass ein anderes Land für den Antrag zuständig ist, gibt es in der Regel kaum eine Chance, diesen Entscheid anzufechten, da sich dieser ausschließlich auf die Anwendung einer klar definierten Dublin-Regel bezieht. Generell sind die Erfolgschancen also eher gering.

Welchen (Aufenthalts-) Titel bekommen ‚undokumentierte‘ Migrant*innen ohne gültige Reisepapiere, deren Identität nicht zweifels­frei festgestellt werden kann?

L.U.: Ein Migrant ohne gültige Reisepapiere muss das Land sofort verlassen oder wird dazu gezwungen. Eine Ausnahme gilt nur für Asylantragsteller, deren Aufenthalt ohne gültige Papiere gewährt wird, solange das Verfahren zur Prüfung des Rechts auf internationalen Schutz nicht abgeschlossen ist. Wie bereits erwähnt, wird der Aufenthalt „gewährt“, ohne dass eine Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt wird. Im Rahmen des Prüfungsverfahrens des Rechts auf internationalen Schutz wird die Identität des Antragstellers geprüft. Die Abwesenheit von Identitätspapieren allein ist kein Grund zur Ablehnung eines Antrags. Tatsächlich gibt es eine Reihe Länder, in denen die Menschen ganz einfach keine offiziellen Identitätspapiere besitzen oder überhaupt beantragen können. Die angegebene Identität wird allerdings im Rahmen des Möglichen von Seiten des Ministeriums überprüft. Man prüft z.B. die Kenntnisse der Sprache, Kultur, Politik, Bräuche usw. des Landes, aus dem die Person angibt zu stammen.

Wie lange können die biometrischen Daten einer Person, die gerade im Kontext des Dublin-Verfahrens entscheidend darüber sind, welches Land über ihren Fall entscheidet, gespeichert werden?

L.U.: Es gibt keine festgesetzte Begrenzung, soweit mir bekannt ist. Die Frage stellt sich nicht in Bezug auf die Speicherung der Daten, sondern in Bezug auf die Anwendung dieser Daten im Rahmen eines Dublin-Verfahrens. Das Dubliner Übereinkommen ist, wie gesagt, sehr detailliert und präzise, sodass es an dieser Stelle leider unmöglich wäre, die verschiedenen Zuständigkeitskriterien und Fristen alle aufzulisten und zu erklären. Die Zuständigkeitsregeln sehen allerdings eine gewisse Zuständigkeitsfrist vor, nach deren Ablauf ein Land seine Zuständigkeit auf Kosten eines anderen Landes verliert. Dies gilt z.B., wenn der Antragsteller nachweisen kann, dass er die Mitgliedsstaaten während eines Zeitraums von mindestens drei Monaten verlassen hat. Dies ist nur eine der Möglichkeiten, die das Dublin-Verfahren vorsieht, durch die ein Mitgliedsstaat seine Zuständigkeit verliert. Es genügt natürlich nicht nur zu behaupten, man hätte die Mitgliedsstaaten über diesen Zeitraum verlassen, sonst wäre die Regelung zu einfach zu umgehen. In der Regel ist ein laufendes Dublin-Verfahren nur sehr schwer anfechtbar und die Dublin-Regelung kaum zu umgehen.

Könnte rein theoretisch jemand, dessen Daten erfasst und nach Ablauf der Datenschutzverordnung wieder gelöscht wurden, in einem Land, in dem er abgelehnt wurde, erneut einen Antrag auf Asyl stellen?

L.U.: Hier muss man wieder unterscheiden. Wurde der Antrag auf internationalen Schutz an sich abgelehnt, kann man keinen neuen Antrag mehr stellen, es sei denn, dieser beruht auf unterschiedlichen oder neuen Gründen der Flucht aus dem Heimatland. Ansonsten ist der Antrag nicht zulässig. Wurde der Antrag jedoch aufgrund mangelnder Zuständigkeit (Dublin-Verfahren) abgelehnt, kann man rein theoretisch wieder einen Antrag im selben Land stellen, nachdem das eigentlich zuständige Land seine Zuständigkeit verloren hat.

Wie vorhin erwähnt, lässt die Dublin-Regelung in dieser Hinsicht aber sehr wenig Spielraum, und ein Antragsteller müsste schon für die Mindestdauer von drei Monaten die Mitgliedsstaaten verlassen, um ein neues Verfahren anlaufen zu lassen oder für die Dauer von zwölf Monaten komplett undokumentiert untertauchen, was in der Praxis natürlich kaum machbar ist.

Inzwischen haben viele EU-Mitgliedsstaaten ihre Asyl- und Geflüchtetenpolitik deutlich verschärft. Gibt es rechtliche Grundlagen, Rückführungen in andere EU-Länder (z.B. Italien, osteuropäische Länder) auszusetzen?

L.U.: Ja, das Dublin Verfahren sieht tatsächlich Ausnahmen vor, in denen ein Aussetzen der Rückführung in einen anderen Mitgliedsstaat möglich ist. Es gibt auch diverse Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs, die sich mit besagten Ausnahmefällen beschäftigen.

Grundlegend gilt die Ausnahme, dass eine Person nicht in einen, eigentlich für den Antragstellenden zuständigen Mitgliedsstaat zurückgeführt werden kann, wenn der Person im dortigen Staat unmenschliche und erniedrigende Behandlung droht oder im dortigen Staat die Genfer Konvention (die das Recht auf internationalen Schutz und die damit verbundenen Mindestgarantien vorsieht) und allgemein die Rechte von Asylantragstellern missachtet werden (systemische Mängel im Rechts­system). Die Anwendung einer solchen Ausnahme impliziert allerdings automatisch, dass ein Mitgliedsstaat einem anderen vorwirft, das internationale Asylrecht zu missachten – ein Vorwurf, der nicht leichtfertig getätigt wird in einer Union, die auf gegenseitigem Vertrauen basiert. Diese Ausnahme galt europaweit z.B. gegenüber Griechenland (wobei hier auf Europaebene beschlossen wurde, Griechenland angesichts der Krise, die in diesem Staat herrschte, zu entlasten) sowie Ungarn und Bulgarien, welche in einem solchen Maße gegen das Asylrecht verstoßen haben, dass es nicht mehr von der Hand zu weisen war.

Die Anwendung solcher Ausnahmen kann, muss aber nicht, auf europäischer Ebene beschlossen werden. Aktuell stellt sich z.B. die Frage in Bezug auf die Rechte von Asylanträgen in Italien. Bis dato ist eine Rückführung nach Italien nicht automatisch ausgeschlossen. Das Ministerium gesteht ein gewisses Maß an problematischer Behandlung von Asylantragstellern in Italien ein, hat jedoch bis dato nicht beschlossen, Rückführungen nach Italien grundsätzlich auszuschließen. Lediglich Frauen, Kinder und Menschen, die gesundheitliche Probleme haben, werden aktuell nicht nach Italien zurückgeführt.

Ist Asyl in der EU tatsächlich eine Glückssache? Muss man davon ausgehen, dass die Anerkennungschancen für Geflüchtete davon abhängen, in welchem Land ihr Antrag bearbeitet wird? Ist es in manchen europäischen Ländern einfacher, Asyl zu bekommen als in anderen? Woran liegt das?

L.U.: Es sollte eigentlich nicht der Fall sein, da jedes Land dieselben international bzw. europäisch festgelegten Kriterien anwendet, um zu bestimmen, ob eine Person als Flüchtling anzuerkennen ist. Da die Kriterien allerdings sehr allgemein gehalten sind, bleibt viel Spielraum zur Interpretation, sodass ein und derselben Person in einem Mitgliedsstaat der Status anerkannt werden könnte, in einem anderen aber nicht. Wie streng die festgelegten Kriterien angewandt werden, ist eng mit der Asylpolitik eines Landes verbunden. Zwar ist den Mitgliedsstaaten nicht selbst überlassen, nach welchen Kriterien eine Person Recht auf Asyl hat, jedoch ist nicht definiert, ab wann ein Kriterium erfüllt ist.

Ein Beispiel wären Antragsteller aus Eritrea. In Eritrea wird quasi jeder, egal ob Mann oder Frau, z.T. auch Minderjährige, zum Militärdienst verpflichtet. Jedoch ist der Dienst unbefristet und jeder Versuch, den Dienst zu verlassen, und sei es nach 20 Jahren, wird mit Folter und Gefängnis bestraft. Zudem ist der Dienst als solcher sehr schwierig, wird nur minimal bezahlt und ist häufig von körperlicher Folter begleitet. Ist es einem Antragsteller geglückt, das Land noch zu verlassen, bevor er den Dienst antreten muss (wohlwissend was ihn dort erwartet), ist es abhängig vom Land, in dem er den Antrag auf internationalen Schutz stellt, ob er diesen auch erhält. Einige Länder verlangen einen Nachweis, dass der Militärdienst tatsächlich auch angetreten wurde, bevor unmenschliche Behandlung geltend gemacht und anerkannt werden kann, quasi im Sinne von „noch ist Ihnen ja nichts widerfahren“. In anderen Mitgliedsstaaten wiederum erhält man zumindest den subsidiären Schutz, da die bevorstehende unmenschliche Behandlung solcher Personen im Falle eines Dienst­antritts allgemein bekannt ist und nicht in Frage gestellt wird. Wurde der Antrag abgelehnt, bleibt einem nur noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (je nach Fall ggf. der Europäische Gerichtshof), der allerdings nicht den Asylantrag der Person neu aufrollt, sondern nur überprüft, ob das Verfahren im betroffenen Mitgliedsstaat konform zu den Menschenrechten abgelaufen ist, sowohl auf Ebene der Prozedur als auch auf Ebene der Konsequenzen für den Asylantragsteller im Falle einer Rückführung in sein Herkunftsland.

Welchen Rechtsbeistand erhalten Geflüchtete in Luxemburg? Wer übernimmt die Kosten für Beratungshilfe, Prozesskosten, ggf. Dolmetscher?

L.U.: Jeder, der in Luxemburg Asyl beantragt, hat Recht auf Prozesskostenhilfe, sodass die Anwaltskosten und Dolmetscherkosten vom Staat übernommen werden.

In vielen europäischen Ländern gibt es zu wenig auf Asyl- und Migrationsrecht spezialisierte Anwälte, da dieses Rechtsgebiet den Ruf hat, wenig lukrativ zu sein. Könnte dies Auswirkungen auf die Qualität des Rechtsbeistandes haben?

L.U.: Lukrativ ist es nicht, das ist wahr. Man muss schon ein wenig persönliche Überzeugung mitbringen, um sich auf diesem Gebiet zu spezialisieren. Daher denke ich auch, dass kein Anwalt, der sich auf dem Gebiet spezialisiert hat, die Qualität seiner Arbeit leiden lässt, nur weil das Gebiet nicht lukrativ ist – andernfalls würde er wohl kaum in dem Gebiet arbeiten.

Anfang Juni haben Menschenrechtsanwälte am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Anklage gegen die EU wegen schwerer Verstöße gegen die Menschenrechte aufgrund einer Migrationspolitik erhoben, die bewusst den Tod tausender Menschen billigend in Kauf nehme. Hat die Klage Bestand? Kann man der EU tatsächlich unterlassene Hilfeleistung, Mitwisserschaft, Komplizenschaft mit lybischen Milizen und dadurch Mit­täterschaft oder Fahrlässigkeit mit Todesfolge vorwerfen?

L.U.: Ich kenne nicht den genauen Inhalt der Klage, deshalb ist es mir nicht möglich, eine Einschätzung abzugeben, ob diese (juristischen) Bestand hat oder nicht. Zum einen stellt sich z.B. die Frage, „wer“ angeklagt wird. Die EU als solche kann nicht angeklagt werden, es müssen Einzelpersonen angeklagt werden, was also schwierig zu beweisen sein wird. Hinzu kommt die unterliegende Frage der Mitschuld durch „indirektes“ Handeln, deren Antwort alles andere als einfach ist. Fest steht allerdings, dass die lybische Küstenwache z.T. von der EU finanziert wird und, wenn auch nicht zwangsläufig im Auftrag der EU, Menschen vergewaltigt, foltert und tötet. Man sollte sich vor Augen führen, dass das Recht auch nur Tatbestände bestrafen kann, die es selbst vorsieht. Eine Tat, die nicht vom Recht geahndet wird, kann trotzdem Unrecht sein.

Das Interview wurde am 22. Juli 2019 per E-Mail geführt. (SC)

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