Eine unterschätzte Reform

Die Begrenzung der Mandatsdauer

Wenn man den Umfragen glaubt, genießt die Frage, ob die Amtsdauer von Regierungsmitgliedern auf 10 Jahre begrenzt werden soll, von den verbleibenden drei Fragen des Referendums in der Bevölkerung mit Abstand die größte Zustimmung.1 Allerdings ist oft zu hören, im Vergleich zum Ausländerwahlrecht handele es sich um eine Angelegenheit von geringerer Bedeutung, die nicht unbedingt Gegenstand eines Referendums sein müsse. In der Januarausgabe von forum hieß es z.B., die Frage der Amtsdauer wirke „anekdotisch“ und werde „kaum die politische Kultur des Landes revolutionieren“. Vielleicht ist die Frage damit aber etwas zu voreilig abgehakt.

Ein republikanisches Prinzip mit langer Geschichte

Die Idee, die Ausübung öffentlicher Ämter zeitlich zu beschränken, ist an sich nicht neu. Sie hat ihre Wurzeln in der griechischen Demokratie und der römischen Republik.2 Das Rotationsprinzip war dort für viele öffentliche Ämter die Regel. Tatsächlich entspricht die zeitliche Beschränkung von Macht sogar in größerem Maße dem ursprünglichen republikanischen Gedanken als das Prinzip der Wahl. Etliche Ämter wurden in der Antike nicht durch Wahl, sondern durch das Los besetzt. Herrschaft auf Dauer, und sei sie plebiszitär legitimiert, war nicht vereinbar mit dem Ideal, dass die Bürger abwechselnd regieren und sich regieren lassen. Dieser Gedanke wurde in den Stadtrepubliken der Renaissance aufgegriffen und fand von dort aus Eingang in die amerikanische Verfassungstheorie. Die Verfassung des Staates Pennsylvania von 1776 etwa schrieb das Rotationsprinzip nicht nur für die Exekutive, sondern auch für die Legislative vor, um der Gefahr einer „neuen Aristokratie“ zu begegnen. Die heute im 22. Verfassungszusatz festgeschriebene Begrenzung der Amtsdauer des US-Präsidenten auf zwei Amtsperioden war dagegen bis Mitte des 20. Jahrhunderts gewohnheitsrechtlicher Natur und wird in der Regel auf das stilbildende Beispiel George Washingtons zurückgeführt, der freiwillig auf eine erneute Kandidatur verzichtete.

Die Hoffnungen, die historisch mit dem Prinzip einer zeitlichen Begrenzung öffentlicher Machtausübung verknüpft waren, lassen sich in drei Punkten zusammenfassen. Erstens versprach man sich mehr Partizipation: Eine größere Zahl von Bürgern erhalte Gelegenheit, in öffentlichen Ämtern Verantwortung zu übernehmen und Erfahrungen zu sammeln. Zweitens wollte man der Gefahr einer zur Tyrannei verleitenden Konzentration der Macht in den Händen Einzelner vorbeugen. Drittens versprach man sich eine bessere Repräsentation, indem durch die häufige Rotation eine Entfremdung zwischen Regierenden und Regierten verhindert werde. Das Grundmotiv war also republikanischer Natur, sprich von der Sorge um die Gleichheit und Freiheit der Bürger beseelt.

Im Vergleich dazu fällt auf, dass in der aktuellen Luxemburger Debatte meist eine andere Begründung auftaucht, nämlich die Problemlösungs- und Innovationsfähigkeit: Nach zehn Jahren hätten — so etwa Etienne Schneider — Führungskräfte ihre „beste Milch“ gegeben, also keine neuen Ideen mehr.3 Letzteres Argument hat natürlich mit Demokratie wenig zu tun. Schneider verwies vielmehr ausdrücklich auf das Vorbild der Privatwirtschaft. Darüber, ob die Amtszeitbegrenzung dem Ziel einer verbesserten Problemlösung angemessen ist, lässt sich allerdings keine sinnvolle Aussage treffen. Die Frage, ob ein Problem „gut“ oder „schlecht“ gelöst wurde und ob es überhaupt das richtige Problem war, das in Angriff genommen wurde, bleibt in einer Demokratie dem politischen Urteil der Wähler überlassen. Es ist auch kein Wert an sich, ständig neue Ideen zu haben: Konservatismus ist schließlich ein legitimer politischer Standpunkt. Ich beschränke mich in den folgenden Öberlegungen daher auf die drei oben genannten republikanischen Erwartungen, die mit dem Prinzip der Amtszeitbegrenzung assoziiert werden: Mehr Partizipation, weniger Machtkonzentration und bessere Repräsentation. Sind diese Hoffnungen berechtigt?

Amtszeitbegrenzung:
Eine unbekannte Konstruktion

Die Antwort fällt nicht leicht. Die politikwissenschaftliche Literatur zu „term limits“, die Aufschluss über deren demokratische Potentiale in der Gegenwart geben könnte, konzentriert sich vor allem auf die Vereinigten Staaten, wo es eine stärker in der republikanischen Tradition stehende Debatte um die Begrenzung von Amtszeiten auch für Parlamentarier gibt, oder aber auf Fragen der Konsolidierung von Demokratie in ehemaligen Diktaturen (und auch wenn Regierungswechsel hierzulande nicht häufig sind, wird man Luxemburg nicht zur letzteren Kategorie zählen).4 Es gibt jedoch noch ein gewichtigeres Problem, warum Vorhersagen schwierig sind: Eine Begrenzung der Amtsdauer von Regierungsmitgliedern ist in parlamentarischen Regierungssystemen schlicht völlig unüblich. Eine solche Begrenzung finden wir vor allem in Ländern mit präsidentieller Regierung, etwa in den USA oder in Südamerika. Dort ist die Regierung vom Parlament unabhängig. Der amerikanische Kongress kann den Präsidenten nicht zum Rücktritt zwingen. Im Gegenzug ist dessen maximale Amtsdauer begrenzt. Im Präsidentialismus trägt die (exekutive) Amtszeitbegrenzung also dazu bei, die Balance zwischen den Gewalten zu wahren. In der parlamentarischen Regierungsform dagegen stellen diejenigen Parteien die Regierung, die im Parlament eine Mehrheit haben. Auch in Luxemburg ist das bekanntlich so, gleichwohl der veraltete Verfassungstext es nicht explizit vorschreibt. Anders als Präsidenten haben parlamentarische Regierungen daher formal auch gar keine festgelegte Amtsperiode, auch wenn es aufgrund des häufigen Zusammenfallens von Wahlen und Regierungsumbildungen bisweilen so aussieht. Sie bleiben vielmehr im Amt, solange die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse sich nicht ändern. Sie können aber genauso zwischen zwei Wahlterminen jederzeit durch wechselnde Koalitionen zum Rücktritt gezwungen werden oder vorgezogenen Neuwahlen zum Opfer fallen. Schon aus diesem Grund passt eine förmliche Begrenzung der Amtszeit nicht so recht zur Logik parlamentarischer Regierungssysteme.

Die Einführung der geplanten Amtszeitbegrenzung in Luxemburg, so unspektakulär sie auf den ersten Blick scheinen mag, wäre also bei genauerem Hinsehen durchaus ziemlich einzigartig. Das ist in Luxemburg vermutlich den wenigsten Bürgern klar. Auch die Regierung und der Staatsrat haben dazu bislang kein Wort verloren. Tatsächlich gibt es zur Stunde aber vermutlich mehr Staaten, nämlich immerhin vier, in denen ein allgemeines Ausländerwahlrecht besteht, als solche, in denen die Minister einer parlamentarischen Regierung einer verfassungsmäßigen Begrenzung ihrer Amtsdauer unterliegen. Mir ist zumindest kein Beispiel für den letzteren Fall bekannt.5 Öber die konkreten Auswirkungen der geplanten Reform kann man daher auch nur spekulieren. Im nächsten Abschnitt skizziere ich ein mögliches Szenario, das mir zumin-dest halbwegs plausibel erscheint.

Folgen für die Demokratie in Luxemburg

Würde die vorgeschlagene Maßnahme für mehr Partizipation sorgen? In erster Linie sind unter diesem Gesichtspunkt heute die innerparteiliche Demokratie und die Attraktivität der Parteien als Plattformen politischer Partizipation zu bedenken. Der innerparteiliche Pluralismus und Wettbewerb würde durch eine Amtszeitbegrenzung vermutlich gestärkt. Schließlich könnten sich mehr Nachwuchspolitiker eine Chance ausrechnen, in absehbarer Zeit in ein Amt nachzurücken. Vor diesem Hintergrund könnten sie geneigt sein, offener als bislang die etablierte Garde herauszufordern. Derzeit können wir ja beobachten, dass es sogar in der CSV abweichende Meinungen gibt, die sich nach dem Ende der Ära Juncker nun zu Wort melden. Ein forcierter Rückzug Junckers zu einem früheren Zeitpunkt hätte eine solche Erneuerung möglicherweise schon einige Jahre vorher angestoßen. Parteien als Orte politischer Partizipation könnten dadurch attraktiver werden. Der typisch luxemburgische Klientelismus würde durch eine Begrenzung der Mandatsdauer jedoch nicht verschwinden, sondern nur pluralisiert. Gerade die vorgesehene Möglichkeit, nach einer Pause von fünf Jahren wieder in die Regierung zurückzukehren, würde dafür sorgen, dass auch altgediente Politiker weiter ihre Seilschaften pflegen, um im Spiel zu bleiben. Aber auch strengere Regelungen würden politischen Filz nicht zuverlässig verhindern. Mexiko hatte jahrzehntelang die strengsten Amtszeitbeschränkungen der Welt: Auch Parla-
mentarier und Bürgermeister konnten hier nicht wiedergewählt werden. Trotzdem galt das Land lange als Musterbeispiel für eine durch und durch von Klientelismus geprägte Politik. Erfahrungen aus den USA deuten ihrerseits darauf hin, dass ‚term limits‘ auch nicht dazu beitragen, beispielsweise den Frauenanteil in der Politik zu heben.6

Würde eine Begrenzung der Mandatsdauer die Konzentration der Macht in den Händen von Einzelpersonen verhindern? Das erscheint einleuchtend, auch wenn wir den Fall nicht ausschließen sollten, dass ein austretender Regierungschef hinter den Kulissen weiter die Strippen zieht — man denke nur an Wladimir Putins Pseudo-Rotation mit Medwedew 2008-2012. In konsolidierten parlamentarischen Demokratien ist die Monopolisierung der Macht durch eine Einzelperson jedoch nicht die entscheidende Gefahr. Ein größeres Problem stellt hier eine dauerhafte Asymmetrie zugunsten einer bestimmten Partei dar, die dazu führt, dass Regierungswechsel kaum mehr möglich sind. Könnte eine Amtszeitbeschränkung mehr Wettbewerb und Chancengleichheit zwischen den Parteien schaffen? Das scheint die Hoffnung zu sein, die in Luxemburg die drei Koalitionsparteien umtrieb, als sie den Vorschlag in das Regierungsprogramm aufnahmen.7 Es ist ein bekanntes Phänomen, dass Amtsinhaber bei Wahlen einen Wettbewerbsvorteil haben. In Luxemburg profitierte die CSV, die als stärkste Partei fast immer den Premierminister stellte, bislang am meisten von diesem Effekt. Das lässt sich anhand der Präferenzstimmen, die das Luxemburger Wahlrecht erlaubt, illustrieren. Im Jahr 1989 lag das persönliche Ergebnis von J.-C. Juncker noch etwas unter dem des erstplatzierten Sozialisten im Bezirk Süden. Zehn Jahre später, bei der ersten Wahl nach seiner Ernennung zum Premierminis-
ter Anfang 1995, fuhr Juncker bereits 10000 Stimmen mehr ein als der stärkste Kandidat der LSAP. Bei den Wahlen von 2004 und 2009 schlug der Premierministereffekt dann voll durch: Juncker vereinte beide Male über 65000 Stimmen auf sich, während die bestplatzierten Sozialisten bei 40000 stagnierten. Hätte es damals eine Amtszeitbegrenzung in der nun vorgeschlagenen Form gegeben, hätte Juncker aber bereits nach den Wahlen von 1994 aus der Regierung ausscheiden müssen. Und sogar wenn nur seine Jahre als Premierminister begrenzt gewesen wären, hätte er gerade zu der Zeit abtreten müssen, als sein Vorsprung am größten war. Es ist also durchaus plausibel, dass der Wettbewerbsvorteil der stärksten Partei durch eine Begrenzung von Amtszeiten ein Stück weit neutralisiert würde. Insofern würde einer Konzentration von Macht entgegengewirkt. Allerdings würde zugleich auch der Zeithorizont von Politik verzerrt. Wenn man weiß, dass ein beliebter Amtsinhaber bei den nächstfolgenden Wahlen eh aussetzen muss, wartet man als Oppositionspartei vielleicht lieber noch fünf Jahre in der Hoffnung, dann eher zum Zuge zu kommen, als seine Ressourcen in einem aussichtslosen Wahlkampf zu verschleudern. Nicht in jedem Fall würde es also mehr Wettbewerb geben.

Würde die Reform zu einer besseren Repräsentation führen? Diese Erwartung wird in der Literatur meist damit begründet, dass Politiker, die sich nicht mehr um ihre Wiederwahl sorgen müssen, weniger abhängig von einflussreichen Geldgebern seien und daher eher Bereitschaft zeigten, sich um die Sorgen der Bürger zu kümmern. Das mag für die USA, wo private Geldgeber eine entscheidende Rolle im Wahlkampf spielen, sogar einige Plausibilität haben. Im Prinzip ist jedoch auch das Gegenteil denkbar: Ein Politiker, der sich nicht mehr um das Urteil der Bürger kümmern muss, könnte nach Herzenslust Geschenke und Gefallen verteilen — gerade dann, wenn er noch auf der Suche nach einer lukrativen Anschlussbeschäftigung ist. Hier ist es sicher nicht gerade hilfreich, dass der aktuelle „code de déontologie“ keine Pause zwischen dem Austritt aus der Regierung und dem Eintritt beispielsweise in private Unternehmen vorsieht.

Vor allem aber würde durch eine Amtszeitbegrenzung das Prinzip der repräsentativen Verantwortlichkeit geschwächt. Amtsinhaber müssten nicht mehr vor den Wählern für ihre Politik geradestehen. Kandidaten könnten dann nur noch anhand von leichtfertigen Wahlkampfversprechen beurteilt werden, nicht mehr anhand dessen, ob sie ihr Programm auch umsetzen. Dieses Phänomen kennt man aus jeder zweiten amerikanischen Präsidentschaftswahl. Doch dem amerikanischen Präsidenten steht der Kongress als unabhängige Kontrollinstanz gegenüber. Ein amerikanischer Wähler, der seine Entscheidung bei Präsidentschaftswahlen später bereut, kann bei den „midterm elections“ dazu beitragen, dass der ungeliebte Präsident keine Gesetze mehr durchbringen kann. Auch ein Präsident, der nicht mehr wiedergewählt werden kann, muss daher darauf achten, keine völlig unpopulären Entscheidungen zu treffen. Ein Luxemburger Bürger, der seine Wahl bereut, hätte keine vergleichbare Möglichkeit. In einem parlamentarischen Regierungssystem hätte ein Regierungschef, der sich nicht mehr zur Wiederwahl stellen muss, weitgehende Narrenfreiheit, solange er seine eigene Partei im Griff hat. Hat er seine Partei nicht im Griff, wäre eine inkohärente, für die Bürger erst recht nicht mehr nachvollziehbare Politik die Folge. Die demokratische Qualität von Repräsentation kann darunter so oder so nur leiden.

Es geht bekanntlich um 10 Jahre „ohne Unterbrechung“. Wer nach zehn Jahren eine Auszeit nimmt, könnte also später wieder Minister werden. Die Mindestdauer der Auszeit soll nach dem Willen der Koalitionsparteien 5 Jahre betragen. Letzteres ist so aller-dings in der Frage des Referendums nicht enthalten und wurde bisher auch nicht klar kommuniziert. Die Dauer der Auszeit soll gar nicht in der Verfassung stehen, sondern durch einfaches Gesetz festgelegt werden (siehe den Bericht der Commission des Institutions et de la Révision constitutionnelle vom 11.2.2015). Damit wäre es natürlich auch relativ leicht, sie wieder zu modifizieren.

1. Siehe für das folgende Mark P. Petracca, „A History of Rotation in Office“, in: Bernard Grofman (Hrsg.) Legislative Term Limits. Public Choice Perspectives. Boston 1996, S. 247-277.
2. Zitiert nach Romain Hilgert, „Wahlmonarchie“, in: d’Lëtzebuerger Land, 15.08.2014. Im Gesetzesentwurf zum Referendum findet sich derweil nur die vage Formulierung, es gehe darum, „le changement et le renouvellement des personnalités politiques“ zu fördern.
3. Bruce E. Cain und Marc A. Levin, „Term Limits“, in: Annual Review of Political Science, Nr. 2, 1999, S. 163-188, Christof Hartmann, „Amtszeitbeschränkungen, Machtwechsel und Demokratisierung in vergleichender Perspektive“, in: Gert Pickel und Susanne Pickel (Hrsg.) Demokratisierung im internationalen Vergleich. Wiesbaden 2006, S. 237-250.
4. Ich gestehe, dass ich das nicht systematisch überprüft habe. Wer ein Gegenbeispiel kennt, möge sich bei mir melden.
5. Susan J. Carroll und Krista Jenkins, „Do Term Limits Help Women Get Elected?“, in: Social Science Quarterly, Nr. 1, 2001, S. 197—201.
6. So Romain Hilgert, „Wahlmonarchie“, cf. Anm. 3.

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