Le dialogue social au Luxembourg von Franz Clément, Luxembourg, Larcier, 2020, 188 S., € 49,-
Wer immer schon mal wissen wollte, was das sogenannte „Luxemburger Sozialmodell“ eigentlich ist und welche Institutionen dieser Wirtschafts- und Sozialordnung verpflichtet sind, wird die Antworten darauf in dem im Sommer erschienenen Werk des LISER-Forschers Franz Clément finden. In der Form eines Vademecums zählt das auf der Dissertation des Autors beruhende Nachschlagewerk nicht weniger als acht verschiedene Organe mit Tripartite-Zusammensetzung auf, die sich im Lauf der Zeit gebildet haben, zum Teil nicht mehr bestehen oder neu formiert wurden. Man erfährt etwas über das Observatoire des relations professionnelles et de l’emploi, das 2000 geschaffen, bald vergessen und erst 2018 abgeschafft wurde. Näher beleuchtet werden der Wirtschafts- und Sozialrat und der gemeinhin als Tripartite bezeichnete Comité de coordination tripartite sowie dessen aus Kompetenzüberlappung resultierende Spannungen. Der Autor stellt die prinzipielle Frage nach den formell nirgends umrissenen Besonderheiten des einheimischen Modells, auf die sich Historiker, Wirtschaftswissenschaftler und Politiker in verklärter Manier berufen, und kommt am Ende des Buches zu dem Schluss, dass diese am ansonsten unüblichen System der Berufskammern, an einem außerordentlich hohen Gestaltungsspielraum, einer starken Verantwortlichkeit der Akteure und an der sehr internationalisierten Ausrichtung des Sozialdialogs festzumachen sind. Die von Mario Hirsch oft hervorgehobene Entmündigung des Parlaments sieht der Autor gelassen und betrachtet es als Verdienst der Tripartite, der Öffentlichkeit und dem Parlament etliche Debatten vorenthalten zu haben (S. 127). Stattdessen hebt er hervor, dass diese Bevormundung dem demokratischen Prozess nicht geschadet hätte und ohnehin nur durch ein Mindestmaß an Vertrauen, einer gegenseitigen persönlichen Bekanntschaft der Akteure und dem wirtschaftlichen Wohlstand ermöglicht wird. Eher knapp behandelt der Autor den Verfall des Sozialdialogs im letzten Jahrzehnt, der auf den gegenseitigen Vertrauensverlust der Akteure in einem immer globaler werdenden Kontext, die fortschreitende Liberalisierung der Gesellschaft und den schwindenden Einfluss der Gewerkschaften zurückzuführen ist.
Michel Cames
Comment réformer le système électoral ? von Henri Schmit, Bartringen, Legitech, 2019, 134 S., € 29,-
Alle fünf Jahre, gleich nach den Chamberwahlen, geht der kurzlebige Katzenjammer von vorne los: Unser Wahlsystem sei ungerecht und inkohärent, es bevorzuge die großen Parteien auf Kosten der kleinen, die Restsitzverteilung gleiche einer Lotterie, die willkürlich festgelegte Anzahl der Sitze in den Wahlbezirken verletze das Gleichheitsprinzip, Panaschieren sei unlogisch, und überhaupt werde der Wählerwille mal wieder mit Füßen getreten, die Parteienlandschaft zersplittere, die Wahlpflicht sei undemokratisch und es sei jetzt endlich Zeit für etwas Neues… Nur was?
Immerhin hat uns das System mit seinen qua Verfassung definierten Grundfesten – direkte, freie und gleiche Verhältniswahl nach Listen in vier Wahlbezirken – seit Einführung des allgemeinen Wahlrechts vor über hundert Jahren ein hohes Maß an politischer Stabilität beschert. Sollte man also gleich das Rad neu erfinden müssen?
„Nein“, sagt Henri Schmit, ein Luxemburger Experte, der in Mailand lebt, wo er zur Theorie der politischen Repräsentation forscht und publiziert. Sein Spezialgebiet ist die elektorale Logik im Lichte der unterschiedlichen Wahlsysteme in Europa und weltweit. In seiner beim Rechtsverlag Legitech erschienenen Pflichtlektüre für alle Interessierten untersucht der Autor, wo das einheimische Wahlrecht reformbedürftig ist, welche Vorschläge bislang auf dem Tisch liegen und was deren Umsetzung in der Praxis bedeuten würde. Nicht nur Laien mögen D’Hondt, Hagenbach-Bischoff, Sainte-Laguë und der doppelte Pukelsheim, die mathematischen Formeln und abstrakten Reflexionen zuweilen wie Fachchinesisch vorkommen. Beim Betrachten der illustrativen Beispiele anhand der Wahlergebnisse von 2018 – ein Hoch auf die Tabellenkalkulation! – werden die Unterschiede dann aber deutlich.
Zu guter Letzt skizziert Henri Schmit das aus seiner Sicht bestmögliche Wahlsystem für Luxemburg und die freie Welt, gewissermaßen den Heiligen Gral des Genres, mit u. a. Ingredienzen aus Finnland und der Schweiz. Und siehe da: So wahnsinnig viel müssten wir chamberwählenden Gewohnheitstiere uns dann doch nicht umstellen. Mehr aber sei an dieser Stelle nicht verraten. lop
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