dat huet jo näischt mat mir ze dinn
von Chantal Maquet, Luxemburg, 2022, 96 S., 17 €
Luxemburg hat keine Kolonialgeschichte – oder doch? Ganz so leicht ist die Verantwortung nicht von der Hand zu weisen, auch wenn das Großherzogtum nie über auswärtige Territorien verfügte. Denn viele scheinen nicht zu wissen, dass es zahlreiche luxemburgische Familien zu Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in den Kongo zog. Hier wurde ihnen ein besseres Leben versprochen: ein höheres Gehalt, ein Haus, Personal.
Chantal Maquets Großeltern haben zweitweise im Kongo gelebt, ihr Vater wurde dort geboren. Die Künstlerin verfügt über zahlreiche Fotos, Filmaufnahmen und Briefe, die den Alltag in der ehemaligen Kolonie dokumentieren. Maquet nutzte das Material unter anderem als Grundlage für eigene Gemälde, die sie 2021 im Centre d’Art Nei Liicht unter dem Namen dat huet jo näischt mat mir ze dinn ausstellte. Rund ein Jahr später veröffentlichte sie die gleichnamige Graphic Novel. Darin geht sie offen mit ihrer Herkunft um und setzt sich intensiv mit ihrer Familienhistorie und der Kolonialgeschichte Luxemburgs auseinander. Maquet versucht in dem Buch aufzuarbeiten, was noch nicht aufgearbeitet wurde. Sokämpft sie gegen einen Bewältigungsmechanismus in der Gesellschaft an, mit dem sich Menschen von Themen wie (Post-)Kolonialismus, Rassismus, Diskriminierung und Ausbeutung distanzieren.
Der*die Leser*in begleitet Maquet bei ihrem persönlichen Aufarbeitungsprozess und erlebt die Geschichte durch Expert*innen-Interviews neu – unter anderem dank Régis Moes, Historiker des Musée national d’histoire et d’art Luxembourg (MNHA), Jean-Louis Zeien, Leiter von Fairtrade Lëtzebuerg, Myriam Abaied und Antónia Ganeto vom Centre d’éducation interculturelle (IKL). Maquet bereitet komplexe Themen durch die comicbuchartige Darstellung eingängig auf. Die Graphic Novel dient daher in erster Linie als Unterrichtsmaterial für Schüler*innen. Doch selbst Erwachsene erhalten einen leichteren Zugang zur Geschichte. Sollte es zu einer Neuauflage kommen, hätte dat huet jo näischt mat mir ze dinn es daher durchaus verdient, ebenfalls als Hardcover zu erscheinen.

Watgelift
von Isabelle Hild und Andréi Clontea, Steinfort, Perspektiv editions, 2021, 40 S., 18,50 €
Man nehme eine alte Dame, Magie, und ein wenig Schwerhörigkeit: In Watgelift treibt die gute, in die Jahre gekommene Fee Kressida ihr Unwesen. Allen Lebewesen wohlgesonnen, führt die Fee eigentlich nichts Böses im Schilde. Allerdings kann sie sich nicht mehr ganz auf ihre Hörkraft verlassen und missversteht die Wünsche der Tiere jedes Mal. Immerhin weiß man nach der Lektüre des Kinderbuchs, wer dafür verantwortlich ist, dass das Schwein einen Ringelschwanz hat, der Igel Stachel, das Känguru eine Bauchtasche und der Tintenfisch acht Arme.
So ruft letzterer der Fee zu: „Ech sinn sou mëll a schwabbeleg. Ech wier léiwer haart wéi Steen!“ – „Watgelift? Aacht schéi Been?“ Kressida mag das Herz am rechten Fleck haben, ist jedoch die Verschlimmbesserung in Person. Es heißt, sie habe schon viele Wünsche erfüllt, aber keinen davon richtig. Man solle die Arme dennoch im Glauben lassen, sie habe mit ihren Zaubern Gutes bewirkt.
Mit seiner schrulligen Protagonistin, der modernen und gleichzeitig liebevollen Illustration und nicht zuletzt dem Wortwitz legt Watgelift einen starken Auftritt für ein luxemburgisches Kinderbuch hin. Nicht umsonst wurde das Werk gleich zweimal beim Luxemburger Buchpreis 2022 ausgezeichnet. Ein paar kleine Schwachstellen hat das Buch dennoch. Manche Seiten mit wenig Text (und Illustration auf der nächsten Seite) wirken recht lieblos. Hier hätte sich im Layout eine kreativere Lösung durchsetzen können: Verspielte Schriftarten etwa würden die Seiten besser in Szene setzen – ein kleines gestalterisches Manko, das aber nicht schwer ins Gewicht fällt.
Inhaltlich ausbaubar ist dagegen der Schluss: Nach neun Zauberpannen schließt Kressidas Geschichte in drei kurzen Abschnitten ab. Die Moral von der Geschichte? Manchmal kommt es anders als man denkt, und eigentlich ist das auch gut so. Eine nette und sehr versöhnliche Philosophie, die zur Stimmung des Buches passt. Und dennoch: Ab und an kommt es auch abrupter als man denkt, und das ist hier der Fall. Vielleicht wollten Isabelle Hild und Andrei Clontea ihr Buch absichtlich für eine Fortsetzung offenlassen. Ein weiteres Abenteuer von Kressida würde auf dem Luxemburger Kinderbuchmarkt auch sicherlich ankommen.

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