Mutterrache
von Margret Steckel, Mersch, capybarabooks, 2023, 56 S., 9 €
Seit 1983 lebt die Autorin Margret Steckel als freie Schriftstellerin in Luxemburg. Nun wurde sie im September mit dem Prix Batty Weber für ihr Lebenswerk ausgezeichnet, genau zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer neuen Novelle „Mutterrache“.
Doch wer denkt, dass dieses Buch eilig für diese Veranstaltung geschrieben wurde, irrt sich gewaltig. Trotz seiner zierlichen 54 Seiten steckt in diesem Werk eine enorme Kraft.
In ihrer Novelle nimmt Steckel uns in rasantem Tempo mit in die Gedankenwelt der Protagonistin Eva. Wir begegnen ihr an Heiligabend in ihrer Berliner Wohnung, wo sie sehnsüchtig auf einen Anruf ihrer entfremdeten Tochter Emily wartet. Schnell wird klar, dass dieser Anruf wahrscheinlich ausbleiben wird.
Schritt für Schritt führt uns Eva in die Vergangenheit, während sie versucht, herauszufinden, wie es zu dieser Entfremdung zwischen Mutter und Tochter kam. Wir erfahren von alten Beziehungen, von Emotionen und Gefühlen, die nach langer Zeit wieder an die Oberfläche kommen. Wir entdecken überraschende Seiten an Eva und erfahren nach und nach von ihrem Plan, den sie während der Feiertage schmiedet. Mit ihrer fiktiven Zwillingsschwester Ave im Hinterkopf begibt sie sich auf eine Reise.
Kann man überhaupt jemandem die Schuld geben, wenn Menschen oder Familienmitglieder entfremdet sind? Ist man selbstreflektiv genug, um das eigene Versagen zu erkennen, oder neigt man automatisch dazu, die Schuld beim anderen zu suchen? Steckel zeigt, dass es oft komplexer ist. Trotz der fragwürdigen Positionen, die einige Figuren einnehmen, vermeidet Steckel eine moralische Verurteilung.
Dieses Buch hält einen gefangen. Ohne es beiseitezulegen zu wollen, und inspiriert es zur Reflektion über eigene Beziehungen – sei es zu unserer Mutter, unserem Partner oder dem Leben selbst. Am Ende zeigt „Mutterrache“ subtil, dass Rache keine Lösung ist, und dass es manchmal notwendig ist, die eigenen Gefühle beiseitezulassen.
gondolas float on purple roses
von Tom Weber, Norderstedt, BoD – Books on Demand, 2023, 132 S., 14 €
Zum fünften Jahrestag seiner deutschen Novelle „Charon‘s Barke“ entschloss sich der luxemburgische Autor und Dichter Tom Weber, diese in die englische Sprache zu übertragen. Dass der staatlich zertifizierte Übersetzer sich diese Aufgabe selbst vornahm, scheint naheliegend. Herausgekommen ist nicht nur eine Übersetzung seines größten Prosawerks, sondern eine völlig neue Nacherzählung.
Während das Grundgerüst beibehalten wurde, erhielt das Werk ein neues Cover und tiefgreifend ausgearbeitete Charaktere. Außerdem wurde ein neuer Titel gewählt: „gondolas float on purple roses“.
In dieser Novelle nimmt uns Weber mit auf eine Reise nach Venedig, einer Stadt, die vielen als die Stadt der Liebe bekannt ist. Sie bildet die perfekte Kulisse für die Geschichte, die sich hier entfaltet. Doch bevor man vorschnell urteilt und glaubt, dass es sich hierbei lediglich um eine weitere langweilige Liebesgeschichte handelt, sollte man sich eines Besseren belehren lassen: Weber zeigt uns mit Hilfe seines Protagonisten, dass die Liebe eine äußerst komplexe Emotion ist, und sich nicht immer so einfach anfühlt wie in Romanen und Filmen dargestellt.
Wir begleiten Tito auf seinem Trip nach Venedig, wobei wir vor allem an der mentalen Reise durch seine Gedanken teilhaben. Von einem Tag auf den anderen wird er mit den Gefühlen konfrontiert, die er für seine Arbeitskollegin Anja hegt, Gefühle, die er lange Zeit unterdrückte. Dass sie nun gemeinsam eine Woche lang die Biennale in Venedig besuchen müssen, um für ihr kleines Magazin zu berichten, hatte niemand erwartet.
Liebe wird oft als das fehlende Puzzlestück dargestellt, das uns erst vollkommen macht, das uns glücklich werden lässt. Doch dieses Buch zeigt eindrücklich, dass auch die Liebe im Leben nicht immer der Garant für Glück ist. Dass Liebe mehr ist und verstanden werden will. Doch die ganze Gefühlswelt zu entwirren ist leichter gesagt als getan. Und doch versucht Tito mit aller Kraft, sich dieser Herausforderung zu stellen. Ein Buch, das zum Denken anregt. Und einen erinnert, dass man das eigene Leben ab und zu entschleunigen sollte.
AM
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