Für eine nachhaltige Mobilität braucht es den Menschen

Die Arbeitswelt um uns herum steht nicht still, auch nicht für Eisenbahnerinnen und Eisenbahner. Marktwettbewerb, Liberalisierung, digitaler Wandel, technologischer Fortschritt und europäisches Regelwerk sind eine unverkennbare Realität geworden und prägen unseren beruflichen Alltag. Als Gewerkschaft hat man die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Mensch in dem ganzen Trubel nicht auf der Strecke bleibt. In diesem Kontext ist es vielleicht interessant, auf die Struktur von Syprolux einzugehen und seine Rolle als Sozial­partner kurz zu umreißen. Syprolux blickt derweil auf fast 100 Jahre Erfahrung im Eisenbahnsektor zurück und ist heute die einzige unabhängige und eigenständige Eisenbahnergewerkschaft in Luxemburg.

Bei den Mandatsträgerinnen und ­-trägern handelt es sich nicht um klassische Gewerkschaftsfunktionäre, sondern um Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, die einerseits der luxemburgischen Eisenbahngesellschaft CFL angehören und andererseits ihre Rechte und Pflichten als Personalvertreter, Kommissionsleiter, Betriebsräte oder Administratoren ausüben. Syprolux ist demnach eng mit der CFL verwoben. Dies hat den Vorteil, dass die Gewerkschaftsakteure die Problematik der luxemburgischen Eisenbahn aus dem Effeff kennen und vor allem einen direkten Kontakt zur betrieblichen Basis haben.

Das Soziale und das Ökologische

Für Syprolux steht der Mensch mit all seinen Erwartungen, Fragen, Ideen, Vorschlägen und Sorgen im Mittelpunkt. Versucht man mithin die soziale Frage der Arbeitsplatzsicherung mit den ökologischen Herausforderungen im Kampf gegen die Klimakrise zu verbinden, scheint dies auf den ersten Blick eine unüberwindbare Hürde zu sein. Und dennoch sind wir als Gewerkschaft nicht nur unseren Mitgliedern verpflichtet und tragen ihnen gegenüber Verantwortung, sondern gewissermaßen auch gegenüber der Gesellschaft, in der wir leben und arbeiten. Wir tragen Verantwortung für uns und vor allem für kommende Generationen. Es ist demnach unsere Pflicht, Soziales mit Ökologie zu verbinden und gesellschaftliches und wirtschaftliches Leben mit zu gestalten.

Blickt man nun etwas genauer auf den Transportsektor, so stellt man fest, dass die Eisenbahn per se das umweltfreundlichste und nachhaltigste Fortbewegungsmittel ist. Die CFL z. B. fährt mit 100 % grünem Strom. Die Eisenbahn ist das Transportmittel der Masse, die CFL verzeichnete 2019 rund 25 Millionen Kunden im Personenverkehr und 2.440 Millionen Tonnen-Kilometer im Frachtverkehr. Stellt man sich diese Zahlen in Form von Bussen oder Lastwagen vor, so würde die Sicht aller Wahrscheinlichkeit nach vom CO2-Ausstoß und anderen Abgasen getrübt. Die Eisenbahn erweist sich nicht nur als Rückgrat einer effizienten Mobilität, sondern sie ist ein zentrales Element bei der Verwirklichung von Klimazielen und bei der Umsetzung einer nachhaltigen Transportpolitik.

Syprolux begrüßt die hohen Investitionen in die Bahn. Das neue, qualitativ hochwertige Rollmaterial wird sämtliche Umwelt- und Sicherheitsstandards erfüllen. Auch die Nachhaltigkeit hält Einzug im CFL-Busbetrieb. Die CFL setzt mit ihren vier Hybridbussen und zwei Elektro­bussen verstärkt auf E-Mobility. Das Gleiche gilt für die Fahrzeugflotte von CFL Mobility.
Kostenlos = wertlos

Als Eisenbahngewerkschaft unterstützt Syprolux ebenfalls Maßnahmen, die die Schiene als Transportträger fördern. Die Einfürung des kostenlosen öffentlichen Transportes gehört unserer Auffassung nach allerdings nicht zu diesem Konzept. Diese politische Entscheidung, welche weder mit den Transportträgern noch mit den Sozialpartnern abgesprochen war, ist weder eine klimapolitisch noch eine sozial sinnvolle Maßnahme. Dieses Polittheater hat die Kunden als Nutzerinnen und Nutzer degradiert, denn eine Leistung, die nichts kostet, kann man auch nicht einfordern. Ohne Fahrkarte gibt es keinen Vertrag zwischen dem Betreiber und dem Reisenden. Infolgedessen schwindet auch der Respekt für die erbrachte Dienstleistung. Der kostenlose öffentliche Transport in Luxemburg war zu keinem Moment als soziale Maßnahme zu betrachten, da die Preise der Fahrscheine mit zu den günstigsten in ganz Europa gehörten. Zusammen mit Abonnements für Rentnerinnen und Rentner und sozialschwache Familien war in Luxemburg der Zugang zu einem kostenpflichtigen öffentlichen Transport für alle gewährleistet.

In den kommenden Jahren finden umfangreiche Aus- und Neubauarbeiten auf dem luxemburgischen Schienennetz statt. Diese Arbeiten werden im betrieblichen und operativen Eisenbahngeschäft getätigt. Dies setzt nicht nur eine sorgfältige Planung voraus, sondern verlangt den Beschäftigten ihr ganzes Können in puncto Gleisbau, Signalisation und Oberleitung ab. Eine Erweiterung der Schienenkapazität ist unerlässlich, wenn man eine nachhaltige Mobilität innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen fördern will. Und eben genau diese Erweiterung der Kapazität auf dem Schienennetz hätte in unseren Augen sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr Priorität haben müssen und gegeben sein, bevor man eventuell über die Einführung eines kostenlosen öffentlichen Transports hätte nachdenken können. Aber auch dann hätte es sich weder um eine soziale noch eine klimapolitische Maßnahme gehandelt, sondern nach wie vor um eine reine PR-Initiative. Heute sind die Züge in den Spitzenstunden überfüllt und das Netz am Limit seiner Aufnahmefähigkeit, was die Anzahl der Züge anbelangt.

Multimodalität und Sicherheit

Will man eine effiziente Mobilität für Mensch und Güter gewährleisten, so muss eine multimodale Vernetzung vorhanden sein. Effiziente Mobilität ist ein Zusammenspiel von sämtlichen Transportmodi kombiniert mit einer starken Logistik. Mit der multimodalen Plattform in Bettemburg ist Luxemburg zu einem wichtigen Drehkreuz im Güterverkehr geworden – und zwar europaweit. Mit CFLcargo, CFLMultimodal und Lorry-Rail reichen die Verbindungen quer durch ganz Europa – von Bettemburg bis in die Türkei und noch weiter bis nach China. Im Jahr 2019 erreichte das Terminal von CFL-Multimodal 208.660 Abfertigungen. CFLcargo beförderte 2.440 Millionen Tonnen-Kilometer. Als Gewerkschaftsvertreter begrüßen wir diese positive Entwicklung, da jede Tonne Fracht, welche über die Schiene transportiert wird, die CO2-Bilanz verbessert. Des Weiteren ist die Schiene das sicherste Transportmittel auf langer Strecke, was insbesondere den Gefahrengütern zugutekommt. Luxemburg beteiligt sich aktiv an der Initiative Rail Freight Forward, welche sich zum Ziel gesetzt hat, bis zum Jahr 2030 den Anteil von Frachtverkehr über die Schiene von 18 % auf 30 % zu erhöhen.

2021: Das Jahr der Eisenbahn

Die Europäische Kommission hat nun den Green Deal initiiert, der bis 2050 eine Senkung der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor um 90 % anpeilt und die Nutzung von 13 Millionen emissionsfreien bzw. emissionsarmen Fahrzeugen voraussagt. Will man diese Ziele erreichen, so muss man sich die nötigen finanziellen Mittel geben. Blickt man nun über die Grenzen Luxemburgs hinaus, so stellt man fest, dass die europäischen Eisenbahnen unter chronischem Investitionsdefizit leiden und dies vor allem im Bereich ihrer Infrastrukturen. Diese Tatsache belastet und gefährdet sämtliche TEN-T Initiativen. Derzeit spricht man von neun Korridoren in diesem Trans-European Transport Network, deren Hauptknotenpunkte bis 2030 vernetzt sein sollen. Nun gestaltet sich dieser Prozess als sehr schwierig. Der Europäische Rechnungshof beanstandet in einer detaillierten Analyse einen Mangel an Koordination sowie fehlende Kohärenz. Des Weiteren ist es für uns als Gewerkschaft klar, dass 25 Jahre Liberalisierungswahn im Schienensektor seinen Tribut fordert. Über zweieinhalb Jahrzehnte lang hat man den Wettbewerb gepriesen, das propagierte Sozialdumping im Straßensektor durch Nichteingreifen unterstützt und jede Kooperation zwischen Eisenbahnunternehmen unterbunden.

Will man nun eine Kehrtwende einleiten und den Green Deal ernst nehmen, so wird das nicht ohne Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten funktionieren. Und dazu gehört auch ein Mentalitätswandel im Hinblick auf den Sozialdialog. Die Europäische Kommission hat das Jahr 2021 als das Jahr der Eisenbahn bestimmt. Die Eisenbahn ist das Transportmittel des 21. Jahrhunderts. Man will mehr Reisende für die Eisenbahn gewinnen, besonders der Jugend möchte man zeigen, wie gut man mit der Bahn durch Europa touren kann. Man hat jedoch ein wichtiges Element in diesem Prozess vergessen: die Belegschaft. Die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner kommen in den aktuellen Texten der Europäischen Kommission nicht vor. Dabei sind sie der eigentliche Dreh- und Angelpunkt des Ganzen.

Die Belegschaft als Kernthema

Will man eine Klimawende, soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Mobilität erreichen, so geht dies nur über gut ausgebildete, gerecht entlohnte und abgesicherte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Investitionen in Infrastrukturen, in neues Rollmaterial sind wichtig. Investitionen in das Personal sind existentiell. Der digitale Wandel im Eisenbahnbereich z. B. kann nur mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschehen. Man muss sie abholen und ihnen die Möglichkeit und Mittel geben, um sich die erforderlichen Kompetenzen aneignen zu können. Die Gesundheit und die Sicherheit am Arbeitsplatz müssen konsequent und kontinuierlich ausgebaut werden. Das Wohlbefinden am Arbeitsplatz, die Balance zwischen Privat-und Berufsleben müssen zur Unternehmenskultur gehören. Und nicht zuletzt müssen faire und gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit Einzug in die Unternehmen halten. All diese Punkte können nur erreicht werden, wenn der Maxime des Wettbewerbs entsagt wird. Wenn die Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine nachhaltige und effiziente Mobilität wollen, dann kann diese nur mit zufriedenen und gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erfolgsführend sein.

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