Protagonisten:
Prinz Felix: Prinzgemahl der Großherzogin Charlotte
Großherzog Henri: Erbe
Joseph Bech: Staatsminister (1926-1937/1953-1958)
J.-Cl. Juncker: Staatsminister (1995-2013)
Luc Frieden: Budgetminister (1998-2013)
Zeitraum: 1934-2007
Verschwörungsziel: Vertuschung finanzieller Verwicklungen bei Hofe
Attraktivität: 5 von 5
Die Story: Anfang der 1930er Jahre verliert der als leichtsinnig bekannte und schnelle Autos liebende Prinzgemahl Felix beim Spiel im Casino von Monte Carlo den Grünewald. Um den Skandal zu vertuschen, kauft der Staat den Grünewald zurück.
Der Kontext: 1848 hatte Großherzog Guillaume II, König der Niederlande, 669 ha des Grünewaldes in einer öffentlichen Auktion erworben. Der Verkäufer war der luxemburgische Staat, der mit dem Verkaufserlös das rückständige Wegenetz des Landes verbessern wollte. Der private Immobilienbesitz des Königs wurde dann von seiner Witwe 1890 nach dem Wechsel zur Dynastie Oranien-Weilburg an den neuen Großherzog Adolphe verkauft, der diesen Ankauf auch aus seinem Privatvermögen tätigte. Durch die Folgen des ersten Weltkrieges (defizitäre deutsche Güter und Investitionen in russische Staatspapiere) und die Repräsentationspflichten in Luxemburg nimmt das Vermögen des Hofes schnell ab. 1933 tritt der Hof an die luxemburgische Regierung heran, um einen Teil seines inländischen Immobilienbesitzes zu verkaufen.
Nach einer überaus kontroversen Sitzung der Abgeordnetenkammer (21. März 1934) kauft der Staat am 14. April 1934 einen ersten Teil des Waldes zum Preis von rund 20 Millionen Franken sowie das Schloss Berg, das zur offiziellen Residenz der Staatschefin wird. Die Kritik an diesem Kauf vermischt sich mit Gerüchten um die geheimen Hintergründe dieser Transaktion, die in der Spielleidenschaft des Gatten von Großherzogin Charlotte, Prinz Felix liegen sollen. Gegen eine offensichtlich antimonarchistische Kampagne der Linken — „die in Lügen und Verleumdungen gegen Mitglieder des großherzoglichen Hofes ausarte“ — geht die Regierung Bech mit einer offiziellen Warnung vor (Avis vom 5. Mai 1934): „Die öffentliche Gewalt kann und wird diesem Treiben nicht untätig zusehen“. Sie ruft die „ehrlichen und staatstreuen Luxemburger auf, die Staatsgewalt gegen Treibereien zu unterstützen, die gegen die Grundlagen unseres Staatswesens gerichtet sind“.
In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg kauft der Staat Stück für Stück weitere Teile des Grünewalds aus dem Privatbesitz des Hofes. Zuerst auf eigenen Wunsch im Rahmen von Infrastrukturprojekten (insbes. Erweiterungen der Echternacher Straße und des Flughafens), schließlich ein erstes Mal Anfang der 2000er Jahre auf Nachfrage des Hofes.
2007 wendet sich der Hof ein zweites Mal an den Staat, um den letzten Rest seines privaten Waldbesitzes am Grünewald zu verkaufen. Diesmal sind Premierminister Jean-Claude Juncker und Finanzminister Luc Frieden jedoch nicht zu einem Deal bereit und lassen den Hof Verhandlungen mit privaten Investoren aufnehmen. Durch eine parlamentarische Anfrage des grünen Abgeordneten Camille Gira erfährt die Öffentlichkeit von den Verkaufsabsichten. Nach einem Aufschrei der gesamten Presse und der indignierten Öffentlichkeit muss der Hof schließlich auf den angekündigten Verkauf verzichten. Mit einem denkwürdigen „Elo ass et awer genuch“ beendet der Premierminister nach zwei Monaten plötzlich die animierten Diskussionen der Presse über die Besitzverhältnisse des Hofes.
Die Geschichte endet praktisch mit einer Enteignung (übrigens eine der wenigen, die dem Staat in den letzten Jahrzehnten juris-tisch gelungen ist): Der Staat pachtet heute den Wald für einen symbolischen Euro im Jahr und verpflichtet sich im Gegenzug, für dessen Unterhalt aufzukommen.
Das Muster: Interessant war die Geschichte von 2007 insbesondere deswegen weil Presse, Leserbriefschreiber und Stammtische den Grünewald gewissermaßen als nationales Erbgut vergemeinschafteten und dem Eigentümer die Verfügung darüber absprachen. Das „Gatter“, das bislang der Öffentlichkeit nicht zugänglich war, sollte nicht in Privatbesitz übergehen. Dabei wurde auch das alte Gerücht aus den 1930er Jahren teilweise in der Presse, Onlineforen und Leserbriefseiten bemüht, das die Besitzansprüche des Hofes generell in Frage stellte: Der Staat hätte den Wald ja schon einmal gekauft. Selbst die im Auftrag des Premierministers unternommene Untersuchung des Historikers Charles Barthel, der keinen Hinweis auf Zweifel an den Besitzverhältnissen finden konnte, überzeugte die Öffentlichkeit nicht. Auch hier wurde lieber der Einfluss der okkulten Macht (des Hofes) auf viele Generationen CSV-Minister unterstellt. Der Hof als Kristallisationspunkt aller möglichen Phantasmen hatte im traditionellen Luxemburg selbst bis Ende der 00er Jahre des 21. Jahrhunderts einen herausragenden Platz.
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