Grüner Finanzplatz, schmutzige Renten
Seit seiner Gründung ist es das vorrangige Ziel des staatlichen Luxemburger Pensionsfonds Fonds de Compensation (FDC), die Reserve des Rentensystems zu verwalten und durch Investitionen auf den Finanzmärkten eine Rendite zu erzielen. Die Verträglichkeit der Investitionen mit Menschen- und Umweltrechten sowie dem Kampf gegen den Klimawandel spielen bislang nur eine untergeordnete Rolle. Die Überarbeitung der Investitionsstrategie für die Jahre 2023-2028, die in den kommenden Monaten stattfinden soll, bietet eine einzigartige Chance, den FDC neu auszurichten und seinem Grundziel gerecht zu werden, die Pensionsgelder im Interesse der jetzigen und zukünftigen Generationen anzulegen. Es ist an der Zeit, dass die Gewerkschaften, das Patronat und die Regierung endlich Verantwortung für einen nachhaltigen Pensionsfonds übernehmen.
Als der luxemburgische Pensionsfonds 2004 gegründet wurde, um die Reserven der allgemeinen Rentenversicherung zu verwalten, wurde festgelegt, dass die Anlagen des FDC ausreichend diversifiziert sein sollten, um Risiken zu begrenzen – darüber hinausgehende normative Investitionskriterien gab man sich nicht. 2007 wurde eine Investmentgesellschaft geschaffen, die es dem FDC ermöglichte, auf den Kapitalmärkten zu investieren.1 Auch hierbei hatte man lediglich die möglichen Erträge im Blick, die man auf den Finanzmärkten erzielen konnte. Laut seinem ehemaligen Präsidenten Robert Kieffer hatte der FDC damals „überhaupt kein Konzept für ethische Investitionskriterien“.2
2010 waren die Investitionen des FDC erstmals in den Schlagzeilen, als déi Lénk aufdeckten, dass der FDC Anteile an Unternehmen besaß, die an der Produktion von Streubomben beteiligt waren – trotz Luxemburgs Ratifizierung der Ottawa-Konvention. Aufgrund des öffentlichen Drucks stoppte der FDC die Investitionen in diese Unternehmen und kündigte an, eine sozial verantwortliche Investitionspolitik anzunehmen.
Dazu wurde 2011 eine Screening-Firma beauftragt, das FDC-Investitionsportfolio im Hinblick auf seine Legalität, d. h. die Vereinbarkeit mit von Luxemburg ratifizierten internationalen Konventionen, zu prüfen. Seitdem veröffentlicht der FDC zweimal jährlich eine Ausschlussliste von Unternehmen. Allerdings sind die Kriterien für diese Ausschlussliste nicht transparent, und das Verfahren selbst hat sich als unzureichend erwiesen, da sich immer wieder Unternehmen im aktiv verwalteten Portfolio des FDC finden, die nachweislich gegen UN-Konventionen verstoßen. Bereits 2016/17 hat die zivilgesellschaftliche Plattform Votum Klima darauf aufmerksam gemacht, dass der Pensionsfonds in großem Umfang Gelder in fossile und Atomenergie investiert sowie in Unternehmen, die Menschenrechte verletzen.3
Ende 2020 veröffentlichte der FDC seinen ersten und bisher einzigen Nachhaltigkeitsbericht.4 Darin erklärt der Präsident des Verwaltungsrates Fernand Lepage zwar, der FDC sei sich seiner „ökologischen und sozialen Verantwortung“ bewusst. Der Verwaltungsrat sei jedoch nicht in der Lage, strengere Investitionskriterien anzuwenden, da diese über das Mandat des FDC – nämlich die langfristige Tragfähigkeit des allgemeinen Rentenversicherungssystems zu gewährleisten – hinausgehen und eine Änderung des gesetzlichen Rahmens erfordern würden. Dieses Mandat verbietet es dem FDC jedoch nicht, nachhaltig zu investieren, solange das Mandat erfüllt wird. Da es mittlerweile allgemein akzeptiert ist, dass nachhaltige Investitionen genauso rentabel sind wie nicht-nachhaltige, könnte der FDC sehr wohl auch ohne Änderung des gesetzlichen Rahmens strikte Nachhaltigkeitskriterien bei seinen Anlagen berücksichtigen, um Investitionen in Unternehmen zu vermeiden, deren Aktivitäten zum Klimawandel beitragen, die Umwelt schädigen oder Menschenrechte verletzen.
Dass dies nämlich weiterhin der Fall ist, belegt die jüngste von Action Solidarité Tiers Monde (ASTM) und Greenpeace Luxembourg bei Nextra Consulting in Auftrag gegebene Studie.5 Darin werden die vom FDC im Jahr 2020 getätigten Unternehmensinvestitionen analysiert und im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit bewertet, wobei Nachhaltigkeit ausdrücklich sowohl den Klimaschutz als auch den Schutz von Menschenrechten umfasst.
Obwohl Luxemburg das Pariser Abkommen ratifiziert hat, investiert der FDC weiterhin in die fossile Brennstoffindustrie. Die Unternehmen im FDC-Portfolio folgen im Durchschnitt einem Klimaerwärmungspfad von +2,7°C und werden bereits in den nächsten sechs Jahren so viel Kohlenstoffemissionen ausstoßen, wie sie es in einem Paris-kompatiblen Szenario bis 2050 tun dürften. 2020 finanzierte der FDC 1.001.741 Tonnen Treibhausgasemissionen, was etwa 9 % der direkten Treibhausgasemissionen Luxemburgs entspricht. Außerdem investiert der FDC in Unternehmen, die Fracking betreiben, ein Verfahren der Energiegewinnung, das häufig mit der Schädigung von Ökosystemen und Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht wird.
Der FDC ist weit von der Kompatibilität mit dem Pariser Klimaabkommen entfernt. Trotz des zunehmenden regulatorischen Drucks in Richtung einer kohlenstoffarmen Wirtschaft weltweit sind 60 % des aktiv verwalteten Vermögens des FDC durch Unternehmen abgedeckt, die keine ausreichenden Anstrengungen unternehmen, um ihre Geschäftsmodelle an eine kohlenstoffarme Wirtschaft anzupassen. Dies deutet auf hohe potenzielle finanzielle Transformationsrisiken für die Unternehmen hin, in die investiert wird, wie auch für den Investitionswert des FDC.
Der FDC investiert in erheblichem Maße in Sektoren, die als Hoch-Risiko-Sektoren für Menschenrechte gelten, nämlich Textilien, Automobilherstellung, Rohstoffgewinnung, landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Informations- und Kommunikationstechnologie. 413 Unternehmen des aktiv gemanagten FDC-Portfolios gehören zu solchen Branchen, darunter 94 Unternehmen, in denen die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht in der Vergangenheit nicht eingehalten wurde. Sektorübergreifend waren es sogar 282 Fälle von 196 Unternehmen, die in der Vergangenheit nicht ausreichend auf die Einhaltung der Menschenrechte geachtet haben. Der Finanzsektor ist in diesem Zusammenhang besonders betroffen: 30 dieser 196 Unternehmen sind Banken.
Der Nachhaltigkeitsbericht des FDC hatte hervorgehoben, dass die Investitionen des Fonds positive Auswirkungen auf die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) hätten. Allerdings wurde es in dem Bericht versäumt, auf negative Auswirkungen auf die SDGs hinzuweisen. Die Nextra-Studie zeigt, dass 47 % der Unternehmen im FDC-Portfolio negative Auswirkungen auf die SDGs haben, insbesondere auf SDG 8 (menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum) und SDG 12 (nachhaltige/r Konsum und Produktion). Was SDG 2 (Kein Hunger) und SDG 3 (Gesundheit und Wohlergehen) anbelangt, so sind es vor allem die anhaltenden Investitionen des FDC in Lebensmittel-Multis wie Coca-Cola, Danone, Nestlé und Unilever, die sich negativ in puncto Nachhaltigkeit auswirken.
Eine globale, kohärente und ehrgeizige Anlagestrategie für den FDC
Bis Ende dieses Jahres wird der FDC seine Anlagestrategie für den Zeitraum 2023-2028 ausarbeiten. Dies stellt eine einzigartige Gelegenheit dar, seine Nachhaltigkeitsleistung deutlich zu verbessern. Kernforderung von ASTM und Greenpeace ist die Umsetzung einer kohärenten, ehrgeizigen und transparenten Anlagestrategie für den Fonds als Ganzes sowie für die einzelnen Teilfonds, mit strengen, messbaren Nachhaltigkeitszielen und Leistungsindikatoren. Ein klares Signal zugunsten der Nachhaltigkeit wäre der Ausstieg aus allen Unternehmen, die nicht in der Lage sind, auf ein Paris-kompatibles Geschäftsmodell umzustellen. Investitionen in Unternehmen mit besonders umstrittenen Aktivitäten wie arktischen Bohrungen, Fracking und Ölschieferförderung müssen sofort eingestellt werden, ebenso wie Investitionen in Unternehmen, bei deren Aktivitäten Menschenrechtsverletzungen festgestellt wurden. Außerdem darf ein nachhaltiges Portfolio keine Investitionen in Unternehmen enthalten, die im Nuklearsektor tätig sind. Auch die finanziellen Risiken, die durch nicht nachhaltiges Investieren entstehen, müssen offengelegt werden.
Die Investitionskriterien des FDC und alle Verträge mit externen Fondsmanagern sollten darüber hinaus den OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen und institutionelle Anleger sowie dem UN Guiding Principles Reporting Framework6 Rechnung tragen. Insbesondere muss das Konzept der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in die Investitionspolitik des Fonds integriert werden.
Um die Einhaltung von ESG-Kriterien zu gewährleisten, muss der FDC eine klar definierte, kontinuierliche und transparente Engagementpolitik in Bezug auf die Unternehmen, in die er investiert, festlegen. Er muss bestimmen, wie er mit Menschenrechtsverletzungen, klimabedingten finanziellen Risiken und den negativen Auswirkungen seiner Anlagetätigkeit umgeht und seine Fondsmanager dementsprechend anweisen.
Gesetzesrahmen und Mandat des FDC im Einklang mit Nachhaltigkeitszielen
Der gesetzliche Rahmen und das Mandat des FDC müssen geklärt und im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung angepasst werden. Das Mandat, das durch das Gesetz vom 6. Mai 2004 über die Verwaltung des Vermögens des allgemeinen Rentensystems definiert ist, sollte ausdrücklich die Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in die Investitionsstrategie beinhalten. Der Gesetzgeber sollte klare Investitionskriterien für den FDC festlegen, die mit der Internationalen Menschenrechtscharta, den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen sowie den von Luxemburg ratifizierten internationalen Konventionen (einschließlich des Pariser Abkommens und der Biodiversitätskonvention) im Einklang stehen. Durch eine Gesetzesänderung sollte es außerdem dem Parlament ermöglicht werden, Entscheidungen über den Ausschluss von Investitionen in kontroverse Unternehmen oder Sektoren zu treffen, einschließlich, aber nicht beschränkt auf den Nuklearsektor.
ASTM und Greenpeace plädieren ebenfalls dafür, einen Ethikrat einzusetzen, der die Nachhaltigkeit der Investitionstätigkeit des FDC bewertet und Empfehlungen ausspricht. Dieser Rat sollte sich aus Experten aus verschiedenen Bereichen der luxemburgischen Gesellschaft zusammensetzen, die aufgrund ihrer Kenntnisse, ihrer Kompetenz und ihres Engagements für eine nachhaltige Entwicklung ausgewählt werden.
Grüner Finanzplatz, schmutziger FDC?
Finanzakteure spielen eine wichtige Rolle, damit Gelder aus Branchen, die Klima und Umwelt schädigen oder Menschenrechte missachten, in nachhaltige Unternehmen geleitet werden. Dies gilt insbesondere für Pensionsfonds, die gegenüber ihren Begünstigten dazu verpflichtet sind, die Pensionsgelder im Interesse der jetzigen und zukünftigen Generationen zu investieren. Immer mehr Pensionsfonds entscheiden sich z. B. dafür, nicht länger in klimaschädigende Unternehmen zu investieren. Dies ist nicht nur dem Schutz des Klimas geschuldet. Nachhaltiges Investieren gilt mittlerweile als mindestens ebenso rentabel wie nicht nachhaltiges Investieren. Hinzu kommt, dass nicht nachhaltige Investitionen zunehmend mit finanziellen Risiken behaftet sind, etwa bei Unternehmen, die nicht transitionsfähig oder -willig sind. Solche Investitionen riskieren, zu verlorenen Vermögenswerten (stranded assets) zu werden.
Doch der FDC beharrt seit Jahren auf den Grundsätzen der Rentabilität und der Risiko-Diversifizierung und vernachlässigt dabei seine eigentliche Aufgabe, nämlich die Gewährleistung eines sicheren Lebensstils und des Wohlergehens der derzeitigen und künftigen Rentner. Obwohl der FDC erste Schritte zur Messung und Umsetzung von Nachhaltigkeit in seinem Investitionsansatz unternommen hat, scheint das oberste Ziel nach wie vor eine hohe Rentabilität zu sein. Seit 2005 hat der FDC eine durchschnittliche Rendite von 4,63 % erzielt. Diese Rendite liegt weit über der strategischen Zielrendite von 2,2 %.
Die Halbherzigkeit des FDC in puncto Nachhaltigkeit ist umso unverständlicher, als sich Luxemburg nicht nur den Klimaschutz und die Entwicklungspolitik auf seine Fahne geschrieben hat, sondern auch im Bereich der „grünen Finanzwirtschaft“ eine führende Rolle einnehmen will.
Bei der Ausarbeitung der Investitionspolitik des FDC für 2023-2028 muss es in den kommenden Wochen und Monaten darum gehen, die Investitionen konsequent an Nachhaltigkeitszielen zu orientieren. ASTM und Greenpeace fordern in diesem Zusammenhang von der Regierung und dem zuständigen Minister Claude Haagen (LSAP), ihre Verantwortung für einen nachhaltigen Pensionsfonds zu übernehmen. Im Koalitionsvertrag 2018-2023 nannte die Regierung als erklärtes Ziel, dass der FDC bei seinen Anlagen einen „sozial- und umweltverantwortlichen Investitionsansatz“ verfolgen solle. Let’s make it happen!
- Zur Funktionsweise des Pensionsfonds (Stichwort teil-kapitalisiertes Umlageverfahren) siehe auch Raymond Klein, „Woher, wohin? Der Reservefonds, Kuriosität des Luxemburger Pensionssystems: Wie er funktioniert und wie man ihn einsetzen könnte“, in: forum 303 (Januar 2011), S. 34-38.
- Zit. in Peter Feist, „Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“, in: d’Lëtzebuerger Land vom 3. Januar 2014.
- Votum Klima, Finanzierung des Klimawandels. Die Investitionen des luxemburgischen Pensionsfonds in den Kohle-Sektor (2016); Der luxemburgische Pensionsfonds und die Menschenrechte (2017), www.votumklima.lu/publikationen (alle Internetseiten, auf die in diesem Beitrag verwiesen wird, wurden zuletzt am 4. Juli 2022 aufgerufen).
- Fonds de compensation, Rapport d’investisseur responsable (2020), https://fdc.public.lu/fr/investissement-responsable.html.
- Nextra Consulting, The sustainability performance of FDC’s equity and corporate bond portfolio (2022), https://nextra-consulting.com; siehe auch ASTM & Greenpeace, Dirty and Dangerous. Wie der staatliche Pensionsfonds Luxemburgs die Klimakrise anheizt und beim Schutz der Menschenrechte versagt (2022), https://actionsolidaritetiersmonde.org/rapports-et-etudes, https://www.greenpeace.org/luxembourg/de/berichte.
- Das UN Guiding Principles Reporting Framework ist ein umfassender Leitfaden für Unternehmen und Institutionen zur Berichterstattung über die Einhaltung der Menschenrechte. Siehe auch www.ungpreporting.org.
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