Hasskommentare

Und die Notwendigkeit über den eigenen Schatten zu springen

Der Ton ist rauer geworden. Im Internet und außerhalb. Würde die Justiz heute jedes Mal aktiv werden, wenn rassistische Beleidigungen in den Netzwerken auftauchen, müsste man vermutlich gleich mehrere neue Gefängnisse bauen. Wieso ist dem so? Ein Phänomen ist die „libération de la parole“, die in Frankreich unter Sarkozy ihren Anfang nahm. Dieses „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“- Gefühl, das sich auch bei unseren deutschen Nachbarn dank Thilo Sarrazin verbreitet hat.

In Luxemburg kam der Trend mit einiger Verspätung an. Aber spätestens seit dem Referendum, das der weltoffenen Mentalität der Regierung und ihrer vermeintlichen „Eliten“ einen kräftigen Dämpfer verpasste, ist dieses Diskursniveau auch in den lokalen Internetforen gang und gäbe. Denn es sind bei weitem nicht nur die üblichen, altbekannten Hetzer, welche die Kommentarspalten bei RTL und anderen Medien mit zumindest fragwürdigen, wenn nicht offen ausländerfeindlichen Kommentaren zumüllen, sondern immer mehr auch ganz „normale“ Menschen — Staatsbedienstete, Ladenbesitzer, Busfahrer, usw. Es hat eine weitflächige Normalisierung des Hasses, oder zumindest der Abneigung etwa gegenüber Ausländern stattgefunden — und das Gesetz allein kann diese Flut nicht eindämmen. An dieser Hetze nehmen nicht nur die „unteren Schichten“ teil, wie das Beispiel der „Prisma“-Chronik des Philosophen Paul Kremer auf Radio 100,7 kürzlich eindrucksvoll gezeigt hat. Wer die sozialen Netzwerke kennt und weiß wo Kremer Applaus gespendet bzw. Entrüstung über das Löschen des Beitrags gezeigt wurde, kommt nicht umhin, seine Worte in der sehr rechten Ecke zu verorten.

Aber auch auf der Gegenseite haben sich die Geister radikalisiert. In Deutschland machen „Gutmenschen“-Blogs Jagd auf Hasskommentatoren, um sie bei ihren Arbeitgebern zu denunzieren und freuen sich über jeden Hetzer, der seinen Job verliert. Das geht soweit, dass sich sogar öffentliche Personen, wie der Neo-Royal- Moderator Jan Böhmermann von solchen Aktionen distanzierten.

In Luxemburg wird noch nicht mit solchen Methoden Hatz auf die Hetzer betrieben, aber trotzdem kommt man nicht daran vorbei sich zu fragen, ob es reicht oder ob es überhaupt hilft, Hasskommentatoren an den öffentlichen Pranger zu stellen. Wer lange genug mit dabei ist, weiß auch, dass andauerndes Entgegen- halten auf Dauer nichts bringt. Die Fronten verhärten sich nur, und das Ganze wird zu einem Katz- und Mausspiel, das zwar kurzweilig amüsant ist, aber keine nachhaltigen Verbesserungen herbeiführt.

Dass dem so ist, liegt auch in der Natur des Internets, das zwar direkte Kommunikation suggeriert, aber eigentlich Entfremdung bewirkt. Denn auch wenn man theoretisch mit Menschen überall auf der Welt in Kontakt treten kann, bedeutet dies nicht, dass man die eigenen vier Wände — und die dort entstandenen Vorurteile — überwinden kann. Dies bewirkt denn auch die „Buzzes“, die im Netz entstehen können, die Wellen der Entrüstung oder Begeisterung für ein gewisses Thema, Geschichte oder Foto, die aus dem Nichts kommen und auch öfter genau dort verebben.

Was bleibt sind die Fronten, die sich mit jedem Sturm verhärten. Und, dass auch die, die Hasskommentatoren bloßstellen wollen, nicht immer das „Gute“ tun. Denn: Bringt es wirklich etwas, jeden der im Netz gegen Ausländer hetzt, als dumm, faul und asozial darzustellen? Erreicht man so diese Menschen, indem man sie verunglimpft? Die Antwort ist, klar und ergreifend, nein. Man macht es eigentlich nur noch schlimmer, als es bereits ist. Um dem entgegenzusteuern, gibt es eigentlich nur eine Lösung, oder zumindest einen Ansatz. Es fängt damit an, dass man als „Gutmensch“ über seinen Schatten springen muss und sich empathisch in die Welt eines rechten, ausländerfeindlichen Kommentators hineinversetzen muss. Denn wer in Luxemburg von RMG abhängig ist, keine Wohnung finden kann — oder viel zu viel dafür bezahlt — tagtäglich aber mit „Nation- Branding“-Bildern zugemüllt wird, in denen schöne reiche Menschen weltoffen umherspazieren, während man selbst Probleme hat, bis zum Monatsende durchzuhalten, der kann schon Neid entwickeln. Und aus Neid wird zuerst Ablehnung und schließlich Hass.

Das mag einem blöd vorkommen, aber dies ist der Grundmechanismus der rechten Dynamik, die dabei ist, sich wie ein Lauffeuer zu verbreiten und zu normalisieren.

Um diesem Phänomen Paroli zu bieten, bedarf es mehr als nur Belustigung. Es bedarf Aufklärung. Und zwar darüber was die wirklichen Verhältnisse sind. Darüber, dass die Misere real ist und „Gutmenschen“ durchaus mitfühlen und keinen Unterschied zwischen Ausländern und Inländern machen. Darüber, dass Ausländer und Flüchtlinge keine Schuld an den Zuständen haben und dass sie nichts mit der Wohnungsnot und explodierenden Lebensunterhaltskosten zu tun haben. Und dass sich „die da oben“ schlussendlich die Hände reiben, wenn sie sehen, dass die einheimischen sozial Schwachen lieber auf noch Schwächere eindreschen, anstatt das System wenn nicht in Frage zu stellen, wenigstens zur Verantwortung zu ziehen. Schlussendlich geht es darum, Solidarität zu zeigen über alle Grenzen hinweg — auch zwischen „Gutmenschen“ und Hasskommentatoren.

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