Historisches Erbe und Lokalgeschichte in Luxemburg

Die Arbeit der ‘Amis de l’Histoire du Roeserbann’

Wenn man über Museen in Luxemburg reflektiert, denkt man wohl vor allem an die vielen Museen, die es in der Stadt Luxemburg gibt und vielleicht noch an einige in Diekirch, Clerf und Rümelingen. Dabei gibt es aber auch kleinere Museen, die es durchaus wert sind, besucht zu werden, und die einen wichtigen Teil dazu beitragen, das kulturelle Erbe des Landes und der Region ins Bewusstsein zu rücken und zu bewahren.

Im immer noch sehr ländlichen Peppingen in der Gemeinde Roeser im Süden des Landes steht an der Hauptstraße ein solches Museum, das aus drei Teilen besteht, die thematisch zusammengehören und Einblicke in die Lokalgeschichte des Dorfes und der Umgebung geben und den Bezug zur weiteren luxemburgischen und internationalen Geschichte herstellen.

Die Geschichte dieses Museums illustriert sehr gut, wie Lokalmuseen aus einem zivilgesellschaftlichen Engagement entstehen können und vor welchen Herausforderungen sie heute stehen.

Geschichte und Eckdaten des Vereins

Die drei Museen Musée Rural et Artisanal, Forge et Métallurgie, Musée de Calèches Grande-Duchesse Charlotte sind das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit eines Vereins, der 1982 informell und 1984 formell in der Gemeinde Roeser ins Leben gerufen wurde. Anfangs trafen sich ein paar Geschichtsinteressierte wie der Gemeindebeamte René Ballmann und der Geschichtsprofessor Norbert Quintus, die die Lokalgeschichte der Gemeinde dokumentierten wollten: „Dat de Réiserbann geschichtlech interessant ass, dovun si mir éwéi Dir iwwerzécht. Dat d’Spure vun der réiserbänner Geschicht opgesicht an erhale gi, dofir welle mir eis asetzen“, heißt es in der ers-ten Einladung des Vereins zu einem Gespräch und Meinungsaustausch. Der Verein beschäftigte sich in einer ersten Phase mit kleinen Projekten wie Wegkreuzen, der Restauration kirchlicher Objekte sowie dem Sammeln von Dokumenten, die der Publikation einer Chronik dienen sollten.

Als im Jahre 1989 der damalige Kulturminister Robert Krieps entschied, der Staat solle ein altes Bauernhaus aus dem Jahre 1840 in Peppingen kaufen, um ein ‘Gutland-Museum’ zur Darstellung des alltäglichen Lebens von früher im ländlichen Raum einzurichten, war dies nicht zuletzt auf den wachsenden Verein zurückzuführen, der von Anfang an in das Projekt eingebunden werden sollte.

Den Amis de l’Histoire wurde die Aufgabe zuteil, sich um die Innenausstattung des Museums zu kümmern. Unter der Leitung von Norbert Quintus wurden über 2000 Objekte des ländlichen Lebens sowie Arbeitsgeräte und Maschinen gesammelt. Das Projekt stieß durch die das Budget sprengenden Restaurationsmaßnahmen anfänglich auf große Probleme. Erst 1995 konnten die Arbeiten fortgesetzt werden, nachdem der Verein von den politisch Verantwortlichen ein höheres Budget erhalten konnte.

Parallel zu den Geschichtsfreunden entstand auch ein Verein Kutschenbegeisterter und Sammler (Calèches asbl), der in Zusammenarbeit mit der Gemeinde in Peppingen eine Scheune zu einem Kutschenmuseum ausbaute, das in der Art in einem Umkreis von über 200 km einzigartig ist. 1996 konnte dieses Museum eröffnet werden. Zur Diskussion standen damals auch die Eröffnung eines Brauereimuseums sowie eines Edward-Steichen-Museums (The bitter years), da dieser in der Gemeinde Roeser zur Welt kam. Aus budgetären Gründen ist es dazu nicht gekommen.

Der Kutschenverein war trotz teilweise überschneidender Mitgliedschaft anfangs vom Geschichts-verein getrennt. Unter René Ballmann, der zu dem Zeitpunkt Präsident beider Vereine war, wurde 2006 der Kutschenverein aufgelöst und mit dem Geschichtsverein fusioniert, um Organisation und Vermarktung zu vereinfachen. Im Jahre 2012 wurde aus Platzmangel das Kutschenmuseum in die Eenescht Meesch in Peppingen verlegt. Das Kutschenmuseum besitzt mittlerweile nicht nur Kutschen, die in direktem Bezug zur luxemburgischen Geschichte wie etwa die der großherzoglichen Familie stehen, sondern auch solche, die aus Großbritannien oder den Niederlanden stammen und einen Einblick in die Geschichte der Transportmittel Europas geben.

Das Museum nimmt aber ebenso Bezug zu anderen historischen Themen. Die Entdeckung eines mittelalterlichen Rennofens im Genoeserbusch aus dem 13. und 14. Jahrhundert führte zu einer größeren archäologischen Grabung (2003-2005) in Zusammenarbeit mit der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und dem Musée national d’Histoire et d’Art, die das Verständnis der Geschichte der Eisenindustrie in Luxemburg grundlegend bereicherte.1 Der Ofen gehört zu einem der größten seiner Zeit und dokumentiert den Übergang vom Rennofen zum spätmittelalterlichen Stuckofen. Der Fund gilt als regionale Sensation über die Landesgrenzen hinaus. Dies hebt die Bedeutung der Region in vorindustrieller und vormoderner Zeit hervor. Aufgrund der zügigen Expansion der Museen und ihrer Ausstellungstücke stellte die Gemeinde Roeser dem Verein 2008 das Haus Mechels zur Verfügung. In diesem sollen vor allem Objekte wie Hämmer, Äxte, Öfen und Ambosse, die die vorindustrielle Eisenindustrie dokumentieren, ausgestellt werden.

Die Amis de l’Histoire du Roeserbann haben mit Unterstützung des Staates und der Gemeinde Roeser seit den 1990er Jahren nicht weniger als drei Museen in Peppingen aufgebaut: das Bauern- und Handwerkermuseum, das Kutschenmuseum Grande-Duchesse Charlotte und die Ausstellung zur vorindustriellen Metallverarbeitung und Schmiedekunst. Diese Museen werden weiterhin von den Amis de l’Histoire du Roeserbann unterhalten. Die Museen selbst beherbergen mittlerweile eine Sammlung von ca. 14.000 aufgelisteten Objekten, die das Landleben, die Handwerkskunst, die frühe Metallverarbeitung und die Fortbewegungsmittel des 19. und frühen 20. Jahrhunderts veranschaulichen. Diese drei Museen, obschon unterschiedlicher Ausprägung, bilden durch den behandelten Zeitrahmen, mit dem sie sich beschäftigen sowie dem Bezug zur Lokal- und Regionalgeschichte eine thematische Einheit.

Das Betreiben der drei Museen hat sich mittlerweile als sehr aufwändig erwiesen, so dass ein Direktionsbeauftragter vollzeitig eingestellt werden musste, der das Museum verwaltet, vermarktet und konzeptuell wie physisch weiterentwickelt. Die Asbl musste sich also teilweise professionalisieren, um allen Aufgabenbereichen gerecht zu werden. Die noch zahlreichen Mitglieder des Vereins widmen sich verschiedenen Aufgabenbereichen mit unterschiedlicher Intensivität.

Veröffentlichungen des Vereins

Wie schon angedeutet, geht die Arbeit der Geschichtsfreunde über die Museen-Aktivität hinaus. Sie haben eine Chronik zur lokalen Geschichte des Roeserbanns von 739 bis 19392 herausgebracht, die auf professionellen Recherchen von Historikern basiert. Alle archäologischen Funde und aufgezeichneten Geschehnisse der Gemeinde werden detailliert beschrieben, von fränkischen Waffen und Werkzeugen aus dem 8. Jahrhundert über die barocke Kunst in der Kirche Peppingens, dem Stuhlstreit des Roeserbanns im späten 19. Jahrhundert, bis hin zur Zeit vor Ausbruch des 2. Weltkriegs. Schon früh (1985) gaben sie das Buch Biller aus dem Krich heraus, das das Leben der Gemeinde zur Zeit des Zweiten Weltkriegs fotografisch dokumentiert.

Zudem brachte der Verein auch Artikel in Büchern anderer Roeserbänner Vereine wie zum Beispiel in 90 bzw. 100 Joer Harmonie municipale „Les échos de l’Alzette“ Réiserbann heraus. Diese Artikel behandeln Thematiken wie die architektonische Geschichte der Gutländer Bauernhäuser oder die wechselnden politischen und religiösen Machtverhältnisse in der Gemeinde. Jos Wegeners Werk Notre Patrimoine architectural 3 stellt eine andere interessante Zusammenarbeit dar, für die der Verein die regionale Architekturgeschichte aufarbeitete. Momentan ist eine Fortsetzung der Chronik in Vorbereitung, die das Leben vom Zweiten Weltkrieg bis heute dokumentieren soll.

Erwähnenswert ist auch der zum Teil im Bauernmuseum gedrehte Film Schako Klack nach einem Roman von Roger Manderscheid, der die Besetzung eines kleinen luxemburgischen Dorfes durch die Nationalsozialisten erzählt.

Regionale, staatliche und internationale Kooperation

Deutlich ist, dass das Museum sich zur Aufgabe gemacht hat, die petite histoire der Gemeinde Roeser ins Bewusstsein zu rücken, indem es die dazugehörigen Objekte aufbewahrt, archiviert, dokumentiert und analysiert. Dabei steht hauptsächlich die lokale Geschichte im Vordergrund und der Verein, der die Museen leitet, kann dazu beitragen, die Geschichte der Dörfer, ihrer Einwohner und der Umgebung aufzuarbeiten.

Im Archiv der Gemeinde liegen u.a. die Aufzeichnungen von Pastor Neuens aus dem 19 Jahrhundert, die einen interessanten Einblick in das Dorfleben geben und das Alltagsgeschehen sowie die sozialen Konstellationen und Glaubensstrukturen dieser Zeit widerspiegeln. Die Tatsache, dass das Bauernmuseum sich selbst in einem renovierten und etwas ausgebauten Bauernhof aus dem Jahr 1840 befindet, belegt auch das Selbstverständnis, mit dem der Verein Bezug zur Lokalgeschichte beziehungsweise zur örtlichen petite histoire nimmt.

Dies äußert sich auch in der Zusammenarbeit, die der Verein etwa mit dem Verein der Zwangsrekrutierten des Ortes pflegt, mit welchem im kommenden Jahr eine Austellung und Vorlesungsreihe vorgesehen sind. Zudem entstehen dadurch Kooperationen mit dem Düdelinger Museum der Zwangsrekrutierten. Auch besteht ein Projekt, um in Zusammenarbeit mit der Gemeinde und dem CIGL beim Benediktinerinnen-Kloster neben dem Bauernmuseum einen Garten traditioneller Kräuter und Heilpflanzen einzurichten.

Jedoch geht der Wirkungskreis des Vereins über die Gemeinde hinaus. Wenn ein lokaler Geschichtsverein wie der Roeserbanner auf ein interessantes Kulturerbe trifft, und eine Idee diesbezüglich entwickeln und präsentieren kann, ist es möglich, die Unterstützung einer staatlichen Instanz zu beantragen. Kann er diese überzeugen, entsteht oftmals eine fruchtbare Zusammenarbeit durch die Bereitstellung von Geldern und Infrastrukturen. Im besten Falle kann es zu einer regelmäßigen finanziellen Unterstützung kommen.

Ein kleineres oder regionales Museum wie das Bauernmuseum hat die Möglichkeit, sich im Rahmen der MULUX-Initiative (Musées du Luxembourg) regelmäßig mit Vertretern anderer regionaler Museen und des Kulturministeriums zu treffen und Projekte in Arbeitsgruppen zu diskutieren und sich gegenseitig zu helfen. Dadurch kommt es zum Beispiel zu Ausstellungen mit anderen Museen wie etwa dem Musée des Mines in Rümelingen, in dem verschiedene Arbeitsgeräte ausgestellt wurden, die in der Eisenindustrie zum Einsatz kamen. Letztes Jahr fand ebenso eine Austellung zu Waffen aus dem Ersten Weltkrieg in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Käerjeng und dem Musée Nationale d’Histoire Militaire aus Diekirch statt. Ab und zu kommt es auch zu einer internationalen Kooperation. Durch die Hilfe der Hephaistos-Bruderschaft, eines Schmiedevereins, der im Bauernmuseum über einen Arbeitsraum verfügt, kam es zu einer musealen Zusammenarbeit mit zwei Krakauer und einem belgischen Museum zum Thema “Äxte”.

Leider gibt es jedoch auch Grenzen der Zusammenarbeit. So existiert seit ein paar Jahren die Initiative „Minett Tour“, in der sich die Museen, die die Geschichte des Luxemburger Minetts dokumentieren, unter der Ägide des ORT zusammengetan haben und versuchen, die Region für die lokale Bevölkerung und den Tourismus aufzuwerten. Leider ist das Peppinger Museum an dieser Initiative nicht beteiligt, da es geographisch etwas abseits der traditionellen Minette-Region liegt. Andererseits könnte man das Argument vorbringen, dass (gerade durch den Bezug zum Genoeserbusch und der Ausstellung zu vorindustriellen Industrie) ein gewisser Zusammenhang zwischen dem Roeserbann und der Eisen- und Stahlindustrie im Süden des Landes bestünde. Hier wäre eine umfangreichere regionale Kooperation wünschenswert.

Gelebte und erlebte Geschichte

Der Verein dokumentiert natürlich nicht nur, sondern will auch sein Wissen weitergeben, vor allem an jüngere Generationen. Insbesondere Schulklassen nutzen die Museen, um über die älteren Formen der Landwirtschaft zu lernen, z.B. wie eine Kuh früher gemolken oder geschlachtet wurde.

Neben Workshops bietet das Museum natürlich auch Führungen, Ausstellungen und Konferenzen sowie Tage der offenen Tür an. Auch Führungen in historischen Kleidern und Kutschenfahrten werden angeboten, die die Geschichte erlebbar machen. Alte Traditionen wie die Uucht, Trauliichter und Kirmes werden regelmäßig organisiert, um den Besuchern die luxemburgische Geschichte näher zu bringen. Im Bauernmuseum wird zu besonderen Anlässen, wie der Kirmes, auf traditionelle Art und Weise Brot gebacken.

Daneben bietet der schöne und gut gepflegte Garten neben dem Bauernmuseum einen Einblick in die verschiedenen Früchte- und Gemüsesorten von früher wie etwa weiße Erdbeeren, die man heutzutage nicht mehr so häufig antrifft. Man kann hier Heilpflanzen entdecken, die früher bei unterschiedlichen Beschwerden verwendet wurden und deren Wirkung auf den Schildern erklärt wird. Das Museum stellt übrigens öfters im Einkaufszentrum „Belle Etoile“ Objekte aus, um an Sichtbarkeit zu gewinnen.

Zukunftsperspektiven

Die Museen in Peppingen sind ein gutes Beispiel für die Wichtigkeit lokal verankerter und spezialisierter Geschichte im Gesamtzusammenhang des kulturellen Erbes Luxemburg. Die Arbeit des Vereins hebt die Wichtigkeit und Besonderheiten des Standortes Roeserbanns hervor – dadurch trägt er ebenso einen wichtigen Teil zum Verständnis der Gesamtgeschichte Luxemburgs sowie der Großregion bei. Dies hat der Roeserbanner Verein gemeinsam mit vielen anderen Geschichtsvereinen im Land geleistet.

Das Problem bei Lokalmuseen ist häufig der Mangel an Sichtbarkeit sowie staatlicher Unterstützung und Förderung. Dabei wäre gerade diese sowie die Möglichkeit regionaler Kooperationen notwendig, um die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Ortschaften und Themenfeldern aufzuzeigen.

Zudem gibt es immer wieder finanzielle Probleme. Am Jahresende reichen die finanziellen Mittel oft nicht – dies trotz Subventionen des Kulturministeriums und der Gemeinde. Dies liegt z.T. daran, dass unter der Kulturministerin Maggy Nagel die finanzielle Unterstützung im Rahmen der Auflösung der Konvention gekürzt wurde. Der Verein erhofft sich mehr Unterstzützung von der nächsten Regierung. Sponsoren für den Erhalt von Kulturerbe jeglichen Formats sind gerade für kleine Vereine oft sehr schwierig zu finden. Ein anderes Problem stellt der Mangel an Vereinsnachwuchs dar. Viele der Gründungsmitglieder können sich altersbedingt  nicht mehr so sehr für das Museum einsetzen und den Jüngeren mangelt es oft an Zeit. Immerhin interessieren sich einige angehende Historiker für das Museum und arbeiten freiwillig oder vom Ministère de l‘Economie angestellt in den Büros wie den Museen des Vereins, so dass Hoffnung besteht, dass die Arbeit des Vereins weiterbestehen und gar ausgebaut werden kann.

Der Artikel wurde in Rücksprache mit dem Mitbegründer und Vizepräsidenten des Vereins, René Ballmann, sowie dem Museumsleiter, Percy Lallemang, geschrieben. Der Autor dankt ihnen für die Zusammenarbeit.

Weitere Informationen zum Museum: www.musee-rural.lu

  1. Michael Overbeck. Zu den Wurzeln der Eisenindustrie in Luxemburg: Der hoch- bis spätmittelalterliche Verhüttungsplatz aus dem Genoeserbusch bei Peppange, Verlag Marie Leidorf, Rahden, 2011.
  2. Réiserbänner Chronik I (739 – 1939), 1200 Jahre Geschichte einer bemerkenswerten Tallandschaft. 1998. Administration Communale de Roeser. Luxemburg. Sankt-Paulus-Druckerei A.G.
  3. Jos Wegener, Notre Patrimoine Architectural. 1990. Luxembourg. Editions Saint-Paul.

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