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Informationszugang in Luxemburg
Kein „Nice to Have“
Man mag es kaum glauben: Luxemburg stellt – was den Informationszugang für seine Bürgerinnen und Bürger angeht – ein Schlusslicht dar. Das doch recht bescheidene Interesse an der Debatte, die teilweise vorhandene Ignoranz der politischen Klasse und die schlecht informierte Zivilgesellschaft tragen dazu bei, dass dieses Menschenrecht noch nicht im öffentlichen Diskurs angekommen ist.
Am 2. Mai dieses Jahres, dem Tag der Pressefreiheit, übereichten Vertreter des Presserats und der drei Journalistengewerkschaften (ALJ, UJL und SJ-L) dem Parlamentspräsidenten Mars di Bartolomeo und der Präsidentin der Medienkommission Simone Beissel T-Shirts mit dem Aufdruck „Pressefreiheit“ sowie einen Forderungskatalog. Im Anschluss wurde drei Vertretern dieser Delegation die Ehre zuteil, einer Sitzung der Medienkommission beiwohnen und dort ihr Begehr vortragen zu dürfen, um endlich einen gesetzlich geregelten Informationszugang für Bürger und Journalisten in die Wege zu leiten.
16 Jahre ohne Fortschritt
Dies war das vorerst letzte Kapitel einer Auseinandersetzung zwischen Politik und Pressevertretern. Dieser durchaus politische Streit dauert nun mehr als 16 Jahre an und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Angefangen hatte alles im Jahre 2000, als LSAP-Politiker Alex Bodry einen Gesetzesvorschlag einreichte, der allen Bürgern einen Informationszugang garantieren sollte. Dieses Papier verschwand aber in einer Schublade, die für längere Zeit nicht mehr geöffnet werden sollte. Die Idee tauchte erst im Jahre 2004 bei den Verhandlungen zur Reform des Pressegesetzes wieder auf. Aber auch damals gelang es weder Verlegern noch Journalisten, einen Informationszugang gesetzlich festzuhalten. Die damalige Regierung schien nicht bereit für solch einen Schritt und vertröstete die Pressevertreter auf einen späteren Zeitpunkt. Es kam noch schlimmer: Diese verpasste Chance hat dazu geführt, dass die Situation heute noch komplizierter ist als vorher. Denn seit jenem Moment stehen zwei politische Versprechen im Raum: der Informationszugang für Bürger und der – spezielle – für Journalisten. Dabei kann man beide eigentlich nicht voneinander trennen und eine Gesetzgebung, die Bürger und Journalisten – also Inhaber einer Pressekarte – ungleich behandelt, ist als problematisch anzusehen, auch wenn dies in anderen europäischen Staaten ähnlich praktiziert wird. Trotzdem spricht die Politik nun von einem speziellen Auskunftsrecht, das Journalisten den schnellen und unkomplizierten Zugang zu Informationen der Verwaltungen garantieren soll.
So vertröstete man die Presse 2004 wieder einmal auf Sankt-Nimmerleinstag. In der Zwischenzeit waren es die Umweltorganisationen, allen voran Greenpeace, die sich ein Recht auf Informationen erstritten. Luxemburg hatte sich im Juli 2005 nämlich endlich dazu durchgerungen, eine EU-Richtlinie über den Zugang zu öffentlichen Informationen in die nationale Gesetzgebung einfließen zu lassen. Dennoch dauerte es bis 2007 bis die Umweltorganisation – nach einem Rechtstreit – tatsächlich Zugang zu Daten (es ging um die Stromzufuhr bei Arcelor) bekam. Damals war es der sozialistische Wirtschaftsminister Jeannot Krecké, der blockte und schließlich verlor. Dies wiederholte sich übrigens auch im Jahr 2010 – diesmal musste der sozialistische Minister Informationen über die Gasturbine Twinerg rausrücken.
Die folgenden Jahre glichen eher einem Ping-Pong-Spiel mit einer heißen Kartoffel als Ball denn einer seriösen politischen Auseinandersetzung. Obwohl der Wunsch nach einem geregelten Informationszugang schon fast ein „Running Gag“ beim alljährlichen Presseempfang im Januar ist, werden die Forderungen der Pressevertreter immer wieder auf die lange Bank geschoben.
Auch die Reform des Pressegesetzes im Jahre 2010 fand statt, ohne dass im neuen Text die Begriffe „Auskunftsrecht“ und „Informationszugang“ erwähnt wurden. Dies änderte sich im Februar 2013, als Jean-Claude Juncker einen Gesetzesvorschlag für den Informationszugang im Parlament einreichte. Nur war der Vorschlag so restriktiv, dass er einstimmig vom Presserat abgeschmettert wurde. Zu Recht, denn die Vorschläge Junckers zielten eher darauf ab, die bestehende Intransparenz zu organisieren und im Gesetz ein für alle mal festzuschreiben, als dass sie Luxemburg endlich zu einem Land gemacht hätten, das auf Informationsebene internationale Standards respektiert.
Nach dem Untergang der Juncker-Regierung und dem Auftauchen der Dreierkoalition schöpften Pressevertreter und Presserat neue Hoffnung – hatte sich die neue Regierung in ihrem Koalitionsprogramm doch dazu verpflichtet, der chronischen Geheimhaltung der Juncker-Ära endlich ein Ende zu setzen.
Im Mai 2015 war es dann soweit: Der Premier- und Medienminister Xavier Bettel legte dem Parlament sein „Projet de loi relative à une administration transparente et ouverte“ vor. Der Text, der schon Monate zuvor in gut informierten Kreisen herumgereicht worden war, ist eine bittere Enttäuschung. Anstatt den Juncker-Text glaubhaft aufzubessern, stellt Bettels Vorschlag einen weiteren Versuch dar, Intransparenz zu legalisieren. Der versprochene Fortschritt bleibt aus.
Ein schlechter Witz
Für Journalisten eh unbrauchbar – da die Verwaltungen bis zu einem Monat Zeit haben, um zu antworten – ist er auch für Bürgerinnen und Bürger schwer hinnehmbar. Nicht nur dass die Abwesenheit einer Antwort gleichzustellen ist mit einer Verweigerung seitens der Behörde, welche sich nicht rechtfertigen muss („vaut décision implicite de rejet“), es kommt erschwerend hinzu, dass die Liste mit den ausgenommenen Institutionen der bereits im Juncker-Text enthaltenen ähnelt. So sind beispielsweise Dokumente der CSSF, des Commissariat aux Assurances, der Zentralbank und der ITM vor dem Zugriff der Öffentlichkeit weiterhin geschützt. Das gleiche gilt für staatliche Teilhabe an Firmen, welche von einem Gesetz aus dem Jahre 1915 geschützt werden.
Solch ein Gesetz mit dem Begriff Informationszugang in einem Atemzug zu nennen ist ein schlechter Witz. Auch die Effizienz und der Sinn einer Kommission, die den Zugang zu den Dokumenten regeln soll – der einzige wirkliche Fortschritt im Vergleich mit dem vorherigen Text – wird in so manchen „Avis“ angezweifelt. Eine solche Kommission soll aus fünf Mitgliedern bestehen: einem Richter, einem Vertreter der Datenschutzkommission (CNPD), einem Vertreter der Gemeinden, einem Vertreter des Staatsministeriums und einer „personne qualifiée en matière de diffusion publique d’informations“. Es ist vor allem der letzte Posten, der Zweifel weckt – lässt doch die Nominierung (die durch den Premierminister erfolgt) viel Freiraum für „kreative“ Pöstchenschaffung.
Dabei ist Informationszugang kein „Nice to Have“, sondern ein in fast allen EU-Staaten verbrieftes Recht. Als Beispiel könnte die hamburgische Gesetzgebung dienen, die von vielen Journalistenverbänden als vorbildlich angesehen wird. Zumal ihr Artikel 1 stipuliert: „Jede Person hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf unverzüglichen Zugang zu allen Informationen der auskunftspflichtigen Stellen (…)“. Obwohl es auch im hanseatischen Recht Ausnahmen gibt – Luxemburg ist von einer ähnlich progressiven Gesetzgebung noch weit entfernt.
Faule Journalisten? Oder doch eher Journalisten ohne Rechte?
Wie weit entfernt, lässt sich auch in der „Circulaire Bettel“ erkennen, welche der Premierminister auf den Weg schickte – im Glauben, so die Forderungen der Presse nach einem geregelten Informations-
zugang zu befriedigen. Aber diese „Circulaire“ bewirkt das Gegenteil von dem, was sie versprach: Zwar hebt sie die – ohnehin schon jahrelang nicht mehr befolgte – „Circulaire Santer“ auf, welche den Beamten einen Maulkorb verpasste. Doch degradiert sie die Journalisten zu reinen Vermittlern der Regierungskommunikation: Wenn ein Journalist an eine Information gelangen möchte, muss der Sprecher der jeweiligen Behörde oder des Ministeriums erst dem Kommunikationsbeauftragten grünes Licht geben, bevor dieser auf die Fragen des Journalisten eingehen darf. Es scheint auf Regierungsebene also auch nicht viel Vertrauen in die Pressevertreter zu geben. Außerdem sprechen die Aussagen von Paul Konsbrück in der vergangenen forum-Ausgabe Bände und könnten falscher nicht sein: Dort behauptet er in einem Interview, Beamte übernähmen die Recherchearbeit von Journalisten. Dabei trifft genau das Gegenteil zu: Hätten die „faulen“ Journalisten einen geregelten Informationszugang, könnten sie selbst ihre Daten recherchieren und müssten nicht darauf warten, bis ein Pressesprecher die geeigneten Informationen zusammen gesucht und mit seinem Vorgesetzten abgesprochen hat. Hier wird eine Infantilisierung des Berufs quasi institutionalisiert.
Trotzdem gibt es Hoffnung: In den letzten Jahren ist der Druck auf die Regierung gestiegen. Die drei Journalistengewerkschaften sowie der Presserat ziehen an einem Strang und haben der Medienkommission in der Anhörung am 2. Mai 2016 unmissverständlich klar gemacht, dass der Gesetzesvorschlag des aktuellen Medienministers unzureichend ist. Nicht nur die zahlreichen Ausnahmen stoßen den Medienvertretern bitter auf, auch die Handhabe des Gesetzgebers, den Bürger oder Journalisten immer noch als Störer anzusehen, macht zum Teil fassungslos. Dies wird vor allem mit der Disposition unterstrichen, dass sich eine Verwaltung nicht zu rechtfertigen, ja nicht mal zu antworten braucht, wenn sie der Auffassung ist, die gewünschten Informationen gehörten nicht in die Öffentlichkeit. Zudem würde das bedeuten, dass in den ersten Jahren nach der Einführung des Gesetzes sicher eine endlose Prozesslawine losrollen würde zwischen empörten Bürgern und widerwilligen Verwaltungen.
Auch ist zu hoffen, dass sich die Zivilgesellschaft im Zeitalter der Leaks und Whistleblower endlich bewusst wird, dass ein westeuropäisches Land ohne Informationszugangsgesetz unter einem verheerenden demokratischen Defizit leidet. Es gilt nun auch der Bevölkerung zu erklären, dass sie im Vergleich zu ihren europäischen Nachbarn ungerecht behandelt wird. Das Problem muss in die Öffentlichkeit getragen werden, denn nur sie kann sich dieses Recht schlussendlich einfordern. u
1 Auskunftsrecht beschreibt die Pflicht in welcher die Verwaltungen stehen, dem Bürger oder Journalisten die von ihm geforderten Informationen zu liefern. Informationszugang ist das Recht des Bürgers oder Journalisten, diese zu verlangen.
2 Transparence et accès aux informations: Le Gouvernement mettra en œuvre une réforme du droit à l’information tout particulièrement en ce qui concerne les informations relatives aux ques- tions environnementales. Il déposera un nouveau projet de loi en vue d’introduire au profit des citoyens un droit d’accès élargi à l’information et aux documents administratifs, basé sur le principe que l’Etat doit de sa propre initiative garantir l’accès aux informations comme établi par la Convention de Aarhus. Par la suite, il est prévu de faire avancer l’Open Government, d’introduire un système électronique permettant un suivi permanent d’un dossier par l’administré et de créer une base de données accessible au public pour les informations disponibles qui ne relèvent pas de la protection des données personnelles ou concurrentielles. Ceci devrait permettre un meilleur suivi des dossiers administratifs au niveau national et communal et un raccourcissement des délais d’autorisation tout en garantissant la qualité de l’analyse des dossiers soumis. Ainsi, des procédures bien organisées aident à faciliter la mise en œuvre des projets tout en évitant des procédures inutilement longues. Le Gouvernement évaluera l’opportunité d’un système de permis uniques. (Source: Programme gouvernemental)
3 Siehe auch: https://www.forum.lu/wp-content/ uploads/2011/06/7189_308_Ines-Kurschat.pdf
4 Projet de loi 6810 zu finden auf www.chd.lu
5 Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG) vom 19. Juni 2012.
6 „Die Minister sind ihre eigenen Spindoktoren.“ in: forum 363, Juni 2016, S. 51-53
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