Johny Fritz: Komponist, Musiker und Sammler

Frisch gedruckt

von Marlène Duhr, Luxemburg, Bibliothèque nationale du Luxembourg, 2022, 210 S., 35€.

Johny Fritz’ Schaffen zeichnet sich durch eine Vielfalt aus, in der die einzelnen Elemente oder Tätigkeiten nicht nur ähnlich großen Stellenwert haben, sondern sich gegenseitig befruchten: das Komponieren, Arrangieren, Unterrichten, Praktizieren der Neuen und Alten Musik, das Sammeln, Forschen, letztlich die Musikvermittlung und das Musik­hören und somit In-Resonanz-Gehen – sie alle wirken bei dem Luxemburger Musiker zusammen. Der von Marlène Duhr redigierte und reich bebilderte Band trägt dieser Gleichgewichtigkeit im musikbezogenen Handeln von Fritz Rechnung und widmet den Tätigkeiten je einzelne fundierte Kapitel. Herausgegeben hat das Buch die National­bibliothek, begleitend zur gleichnamigen Ausstellung über Fritz.

Als Einstieg dient der biografische Abriss, in dem der Fokus auf dem Herkunftsmilieu liegt: Fritz stammt aus dem ländlichen Raum (Aspelt) und wurde in eine musikliebende, aber nicht-professionelle Musikerfamilie geboren. Den ersten Kontakt zur Musik findet er als Klarinettist in Amateurvereinen, wo er spielt und später auch dirigiert. Schließlich entwickelt sich die Musik für Fritz zum Beruf: Seine Studien absolviert er an den Konservatorien in Luxemburg, Nancy und Brüssel. Er wird Musikpädagoge aus Leidenschaft. Seine Visionen drücken sich unter anderem über sein Mitwirken im Forum d’Expression Musicale aus. Eine besondere Perle unter den abgebildeten Dokumenten ist sein berührendes Schriftstück über seinen Lehrer Edmond Cigrand, dem Fritz auf knapp vier Seiten feinfühlig seine Hommage zukommen lässt. 

Im Kapitel „Musiker“ zeichnet Marlène Duhr nach, wie sich Fritz’ 1984 gegründetes Ensemble für Mittelalter- und Renaissance-Musik Tempus est jocundum ab der Mitte der 1970er Jahre aus der eigenen Kammermusikklasse am Konservatorium entwickelte. Die seitdem einmal im Jahr im Théâtre du Centaure stattfindenden Konzerte setzen für Fritz eine aufwendige Vorbereitung voraus. Besondere Aufmerksamkeit widmet er dabei der Erstellung von Arrangements und dem musikvermittelnden Aspekt, der sich in den didaktisch gestalteten Programmen zeigt. Duhr beschreibt an einer Vielzahl von Beispielen, wie Fritz Instrumente bei spezialisierten Instrumentenbauern anfertigen lässt und eine beachtliche Sammlung anhäuft. Eine Auswahl an Bildern davon ist im Buch zu sehen. 

Neben seiner Liebe zur mittelalterlichen und zeitgenössischen Musik entwickelt Johny Fritz schon ab den späten 1960er Jahren eine Passion für Erik Satie. Ab da beginnt er originale Schriftstücke des französischen Komponisten zu sammeln. Fritz ist als Satie-Sammler international in musikwissenschaftlichen Kreisen bekannt: Fast 100 zum Teil noch unveröffentlichte Briefe bringt er über die Jahre in seinen Besitz. Mit der Satie-Biografin Ornella Volta steht Fritz bis zu deren Tod im Jahr 2020 in Korrespondenz. Aus dieser Verbindung entstammen etwa 450 Briefe. 

Zuzüglich zu seinen Sammlungen widmet sich Fritz ab den 1970er Jahren auch der Forschung: Er schreibt ein dreibändiges biografisches und musikanalytisches Werk über Satie, das bisher noch unveröffentlicht ist. Der Band gibt Einblicke in Fritz’ farblich abgesetzten Schemata zu Saties Schaffensepochen. Duhr beschreibt detailliert Fritz’ Rekonstruktion der von Satie nur fragmentarisch überlieferten Partitur Le Bœuf Agora. Dieser Arbeit geht eine akribische Analyse voraus.

Fritz’ Werkkatalog umfasst 38 Kompositionen. Er nimmt früh eine antikonformistische Haltung zur Moderne ein. Dies ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil Pluralität zu dem Zeitpunkt weniger geschätzt ist und damals wesentlich strenger definiert wird, was unter „modern“ zu verstehen ist und was nicht. Dazu Fritz 1986: „Der kreative Künstler sollte heutzutage nicht anstreben noch weiter nach Neuem zu suchen (wozu übrigens nicht das geringste Bedürfnis besteht!) – er sollte eher versuchen, irgendeinen, seinem Temperament entsprechenden Stil aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts auf seine eigene Art zu kommentieren und zu variieren.“ 

Im Kapitel „Komponist“ zeichnet Duhr den kompositorischen Werdegang von Johny Fritz nach. Dazu wählt sie Stücke aus seinem Katalog aus, die sich sowohl in der Faktur als auch grafisch unterscheiden. Zudem gibt sie Einblicke in den Kompositionsprozess selbst, von der Skizze zur Partitur. Fritz’ Tätigkeit als Komponist und Archivar im Luxembourg Music Information Centre (LGNM) thematisiert Duhr in einem eigenen Kapitel, das sich allerdings eher mit der Geschichte des Vereins und der Neuen Musik im Allgemeinen befasst. Ein Oral History-Interview mit Fritz hätte seine eigene Positionierung auf der Skala zeit­genössischer Musikströmungen noch deutlicher machen können. 

Letzteres macht das Buch aber nicht weniger empfehlenswert: Ein Werkkatalog, eine Übersicht über Fritz’ Studien sowie seine Satie-Sammlung und eine Bibliografie runden den Band im Anhang ab. 

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