Jung und wild im Norden

Von den Jeunessen zu den Jugendhäusern

Das Jugendalter: eine Zeit geprägt von Neugier, Erwartungen, Veränderungen, aber auch von Ungewissheit und Unsicherheit. Ein Jugendlicher befindet sich in einer Phase, die nicht mehr dem Kindesalter entspricht, wobei aber auch das Erwachsenwerden noch weit entfernt zu sein scheint. Spricht man von Jugendlichen, denkt der Durchschnittsbürger an ein Alter zwischen 14 und 18 Jahren. Im luxemburgischen Gesetz ist jedoch festgehalten, dass ein Jugendlicher eine Person zwischen 12 und 30 Jahren ist.

Was bedeutet es also, Jugendlicher zu sein? Ständig in einer Phase zu leben, welche von Transitionen geprägt ist? Man wird erwachsen, selbstständiger, wechselt von der Schule auf den Arbeitsmarkt und bereitet das zukünftige Familienleben vor. Die Erwartungen von anderen und von sich selbst an die eigene Person steigen. Doch wie „ticken“ Menschen, die noch auf der Reise sind? Vor allem: Sind Jugendliche gleich Jugendliche oder gibt es Unterschiede? Und wie schaut es mit der Jugend vom Lande aus? Unterscheidet sich diese von jener aus dem städtischen Raum und falls ja, in welcher Form?

Die Jeunesse: eine Selbstverständlichkeit

Betrachtet man die Jugend aus dem Norden des Landes etwas genauer, so wird sofort die Vielzahl an Jugendvereinen (Jeunessen) ersichtlich. Eine Jeunesse oder, wie man im Süden des Landes sagt, ein „Club des jeunes“, ist ein Verein von Jugendlichen, welcher selbstverwaltend funktioniert. Das Mindestbeitrittsalter beträgt 15 Jahre. Ein maximales Alter gibt es an und für sich nicht. Denkt man beim Wort Jeunesse zwar an die Jugend, so kommt es trotz allem gelegentlich vor, dass auch ältere Menschen noch als Mitglied in einem Jugendverein tätig sind, sei es nun als aktives oder als  Ehrenmitglied. Das Beitreten in eine Jeunesse ist für viele jugendliche Dorfbewohner ganz selbstverständlich, da sie einerseits diese dörfliche Mentalität seit der Kindheit vorgelebt bekommen und inzwischen verinnerlicht haben. Anderseits sind die Alternativen auf einem kleinen Dorf relativ gering. Traditionsbewusst und auch sehr aktiv am Dorfleben beteiligt, blicken viele Jugendliche auf eine langjährige Mitgliedschaft zurück. Die starke Identifikation mit dem Dorf sowie dem Verein führt dazu, dass die Mitglieder ihrem Verein und ihrer Gemeinde eine langjährige Treue erweisen. Dabei steht vor allem der gesellschaftliche Aspekt im Vordergrund. Die Jugendvereine schaffen regelmäßig eigene Angebote, nicht nur für sich selbst, sondern für alle Gemeindemitglieder, wie z.B. das Buergbrennen, Dëppenfester, Baaler, Kleeschen, Kirmessangen, Theater, usw. Dabei ist die Freundschaft und Loyalität zwischen den verschiedenen Jugendvereinen besonders wichtig. Ohne die Unterstützungs- und Hilfsbereitschaft benachbarter Vereine hätten viele Jeunessen Probleme, ihre Existenz zu garantieren.

Hinzugezogene Jugendliche, die diese dörfliche Mentalität (noch) nicht so verinnerlicht haben, haben potentiell größere Probleme, Anschluss zu finden und sich in den Verein zu integrieren. Die offene Art der Jugendlichen, die insbesondere im Norden des Landes zu finden ist, vereinfacht jedoch die Kontaktaufnahme. Selten begegnet man Jugendlichen im Éisleck, welche nicht grüßen oder anfangen ein paar Worte zu wechseln. Diese Offenheit steht auch in Verbindung mit dem Willen, Neues auszuprobieren, zu lernen und gar etwas zu erschaffen. Die allgemeine Neugierde und das Interesse an Fortbildungen zum Beispiel sind bei diesen Jugendlichen relativ hoch. Diese offene „nördliche Mentalität“ könnte im Vergleich zur südlichen als lockerer und weniger verkrampft bezeichnet werden. Ein Wort ist ein Wort und ein Handschlag zählt! Davon profitieren auch die Jugendlichen. Sie leben diese Mentalität und dies kommt ihnen zu Gute. Jemand der im Süden aufgewachsen ist und dort lebt, ist oftmals überrascht, wie einfach und simpel verschiedene Probleme geklärt und Hindernisse bewältigt werden können. Es wird darüber geredet und eine Lösung findet sich schnell. Betrachtet man also die Einstellung von den Jugendlichen, so wird ersichtlich, dass die Nordjugend sehr lösungsorientiert ist.  Vielleicht auch, weil die Hilfsbereitschaft omnipräsent zu sein scheint. Im Gespräch mit Jugendlichen und jungen Menschen konnte diesbezüglich keine Antwort gefunden werden. „Ist halt so“ war die gängige Antwort. Diese nördliche Mentalität wie sie hier oben beschrieben wurde – mit ihrer Offenheit, Hilfsbereitschaft und positivem Denken –  findet man aber bei fast allen Jugendlichen, also nicht nur bei jenen, die in einer Jeunesse tätig sind.

Weniger Jeunessen, mehr Jugendhäuser

Auffällig ist jedoch die rückläufige Zahl an Jugendvereinen. Einige Jeunessen fusionieren, um ihr Überleben zu sichern, andere wiederum lösen sich auf. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass auch der stark ländlich geprägte Raum im Norden Luxemburgs langsam aber sicher der Urbanisierung weichen muss und das Dorfgefühl der Jugendlichen, welches diese Vereine ausmacht, schwindet. Hinzu kommt, dass sich zwar neue Jugendliche und ihre Familien im Norden niederlassen, diese Dorfmentalität jedoch nicht leben oder innehaben und der Nachwuchs an Jugendvereinen demnach nicht garantiert ist.

Mit dem Schwinden der Jeunessen gewinnen aber auf der anderen Seite die Jugendhäuser an Aufmerksamkeit, insbesondere in jenen kleinen nördlichen Städten, wo klassische Jeunessen nicht mehr so funktionieren wie früher. Immer mehr Jugendliche nehmen die Angebote der Jugendhäuser in Anspruch. Dies auch, weil sich die Interessen und Bedürfnisse der Jugendlichen im Sinne einer Modernisierung verändert haben und sich die Jugendhäuser auf diese Umstände einstellen konnten und wollten. Diese „neuen“ Jugendlichen verbringen einen Großteil ihrer Zeit außerhalb des Dorfes beziehungsweise besuchen sie eines der Jugendhäuser in der Nähe. Diese „neue Jugendpopulation“ grenzt sich sichtbar von der klassischen Dorfjugend ab. Mit den neuen sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Instagram haben die Jugendlichen einen einfachen Zugang zur globalen Welt. Die Jugendlichen wollen in ihrer natürlichen Neugierde die Welt entdecken und erforschen. Um dies umzusetzen, muss sich der junge Bürger vom Dorf lossagen. Dies geschieht immer häufiger. Die Urbanisierung des Landes, geprägt durch die stetig anwachsenden Einwohnerzahlen, fördert dieses Verhalten der Jugendlichen. Die kleinen Bauerndörfer verschwinden zusehends und der Zugang zu neuen Angeboten für Jugendliche wird immer leichter. Jetzt schon ermöglichen der Straßenausbau und die Weiterentwicklung des öffentlichen Transports den Jugendlichen mehr Mobilität auf dem Weg vom Dorf in die Stadt.

Trotz aller Unterschiede bleiben Jugendliche Jugendliche und haben die gleichen Bedürfnisse, Sorgen und Ängste. Schule, Ausbildung und Beruf sind der Dauerbrenner. Einen Beruf auszuüben, der Spaß macht und eine finanzielle, unabhängige Zukunft ermöglicht, ist meistens der erste Wunsch und eines der Hauptziele in der Transition zum Erwachsenwerden, egal ob auf dem Land oder in der Stadt.

Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.

Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!

Spenden QR Code