Im Januar 1987 brachte forum ein Dossier unter dem Titel „Kleng, mä déck do”. Auf dem Cover sah man das kleine Luxemburg als glücklichen Trittbrettfahrer der Weltwirtschaft. Damals zeichnete sich schon ab, dass das Großherzogtum zu den Gewinnern einerseits der Globalisierung und andererseits der historischen Machtverschiebung von Industrie- zu Finanzkapital gehören würde. Als ein Element unter anderen, das die luxemburgische Erfolgsstory erklärt, wird seit langem die geringe Dimension des Landes herangezogen. Der vernachlässigbare Binnenmarkt und darauf aufbauend der potentiell hohe Spezialisierungsgrad der Wirtschaft bedeuten Chancen und Risiken zugleich. Die Einbettung in einen „gemeinsamen Markt“ wiederum bei gleichzeitiger Öffnung zu anderen Wirtschaftsräumen hat Luxemburg schon im Rahmen des Zollvereins von 1842 bis 1918 erste Vorteile gebracht. Im Rahmen der EU wurde dann aus der starken Integration in einen größeren Wirtschaftsverband und seiner gleichzeitigen, systematischen Umgehung ein sehr ambivalentes aber auch sehr erfolgreiches Geschäftsmodell.
Inwiefern die kleine Dimension als Erklärung herhalten kann für wirtschaftlichen Erfolg, institutionelle Absonderlichkeiten (z.B. dass man ohne funktionierende Verfassung auskommt), soziale Kohäsion und kulturelle Sonderwege, wird in der luxemburgischen Öffentlichkeit seit langem und sehr kontrovers diskutiert. Die Beiträge auf den folgenden Seiten versuchen dieser Diskussion ein paar neue bzw. aktuelle Perspektiven hinzuzufügen. Muriel Bouchet, der den Think Tank IDEA leitet, analysiert, inwiefern Luxemburg angesichts seiner explodierenden Wirtschaft überhaupt noch als „kleines“ Land verstanden werden kann. Patrick Thill, Forscher am LISER, stellt den Stand der wissenschaftlichen Forschung zum Phänomen der „smallstateness“ vor. Der Politikwissenschaftler Michel Cames, auf dessen Initiative dieses Dossier entstanden ist, untersucht in seinem Beitrag das besondere Vertrauenskapital, das kleine Staaten auszeichnet. Danielle Bossaert, verantwortlich für das „Observatoire de la fonction publique“, präsentiert die Herausforderungen, vor denen ein öffentlicher Dienst steht, der den Dimensionen nach einem (kleinen) deutschen Bundesland entspricht, aber hoheitsrechtliche Aufgaben erfüllen und in internationalen Organisationen zum Teil bedeutende Aufgaben übernehmen muss. Sie kommt zu dem Schluss, dass der öffentliche Dienst in Luxemburg agiler und effizienter, dafür aber auch weniger formalisiert und strukturiert ist, als der öffentliche Dienst in größeren Staaten. In welcher spezifischen Art und Weise Kleinstaaten Migration regeln und nur bestimmte (Arbeits-)Profile ins Land lassen bzw. anwerben, untersucht die Sozialwissenschaftlerin Claudia Hartmann-Hirsch. Guy Heintz, ehemaliger Direktor der Steuerverwaltung, weist auf die Zwänge eines kleinen Staates im Bereich des Steuersystems und der Steuereinkünfte hin. Im Hinblick auf die Steuerharmonisierungsbestrebungen der EU stellt er fest, dass Luxemburg sich immer nur dann bewegt hat, wenn es keinen anderen Ausweg mehr sah – und wünscht sich eine proaktivere Politik. Der Politikwissenschaftler und ehemalige Politikberater Mario Hirsch trauert mit Blick auf die medialen Auslandseinsätze des aktuellen Außenministers dem professionelleren Stil früherer Zeit hinterher. Für ihn gehört Zurückhaltung zu den Voraussetzungen jeder Kleinstaatendiplomatie. Zum Abschluss untersucht Henning Marmulla den Literaturbetrieb im Kleinstaat Luxemburg. Sein Urteil: Auch hier ist noch Luft nach oben.
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