Ein kurzer Blick zurück: Der Rekordsommer 2003 hat einer von der EU finanzierten Studie zufolge rund 70000 Menschen das Leben gekostet. Im Report on excess mortality in Europe during summer 2003 heißt es, dass vor allem Frankreich und Italien am stärksten betroffen waren. Vor allem die Stadt Paris hatte sehr viele Opfer zu beklagen. Betroffen waren aber auch Belgien, Luxemburg, Portugal und Spanien, so die Studie. Im Dezember 2015 einigten sich 195 Staaten auf der UN-Klimakonferenz darauf, den globalen Temperaturanstieg deutlich unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu halten. Die Länder sollen in ihren Anstrengungen alles tun, um den Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das Jahr 2016 war das dritte Jahr in Folge, in dem ein neuer Wärmerekord aufgestellt wurde. Die Daten stammen von der US-Weltraumbehörde Nasa und der Wetterbehörde NOAA. Im Juni 2017 gibt der amerikanische Präsident Donald Trump bekannt, dass die USA aus dem Pariser Abkommen zum globalen Klimaschutz aussteigen wollen.
Besonders der städtische Raum mit seinen dichten Bebauungen und sensiblen Infrastrukturnetzwerken gilt als besonders anfällig für Temperaturextreme. Städte haben im Vergleich zu dörflichen Strukturen einen geringeren Anteil an Vegetationsflächen. Der höhere Anteil an mineralischen Flächen führt dazu, dass die Städte die Wärme speichern und nachts weniger abkühlen. Auch fehlen sehr oft die nötigen Luftschneisen, um einen Frischluftaustausch zu ermöglichen. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Städte können sehr unterschiedlich sein. Je nach geografischer Lage kann es zu Überschwemmungen kommen, können Hitzewellen entstehen, lokale Stürme können die Städte treffen. Die „harten“ städtischen Infrastrukturen, wie zum Beispiel die Ver- und Entsorgungskanalisationen, das Straßennetz, die Gebäude, sind meistens nicht auf Wetterextreme ausgerichtet. Dies gilt ebenso für die sogenannten „weichen“ Infrastrukturen, wie die Rettungsdienste und das Gesundheitssystem.
In der Folge der Hitzewelle von 2003 wurde die planerische Fachwelt bestehend aus der Regionalplanung, dem Städtebau und der Architektur wachgerüttelt. Sehr viele Tagungen beschäftigten sich darauf hin mit dem Thema des Klimawandels aus einer planerischen Perspektive. Bei den Tagungen handelte es sich um interdisziplinäre Plattformen unterschiedlichster Disziplinen. Die Klimatologen machten deutlich, dass es auf globaler Ebene eines radikalen Politikwechsels bedarf, um den Klimawandel zu stoppen. Dies ist jedoch leider nicht so schnell umsetzbar, unabhängig davon, wie dringend das passieren müsste. Ebenso verhält es sich mit den Städten. Um sich auf die Folgen von Temperaturextremen einzustellen, kann man nicht die Städte in kurzer Zeit umbauen. Diese zwei Feststellungen führten dazu, dass mittlerweile viel weniger darüber geredet wird, wie der Klimawandel zu stoppen wäre, sondern wie die Städte sich auf das zu erwartende Klima adaptieren können.
Ausgelöst durch die sich wiederholenden Wetterextreme der vergangenen Jahre, sind viele Städte dazu übergegangen, Adaptationspläne zu entwickeln, um sich auf die Zukunft vorzubereiten. Die Städte Gent und Rotterdam haben umfangreiche Temperaturmessungen unternommen, um festzustellen, welche Stellen sich bei Hitzewellen besonders aufheizen. Auf diesen sogenannten Wärmeinseln wurden punktuelle Interventionen unternommen, wie zum Beispiel das Pflanzen von Bäumen. Die Europäische Umweltagentur betreibt eine Climate-Adapt-Internetseite (http://climate-adapt.eea.europa.eu/), auf der Regierungen, Städte und Regionen sich über mögliche Adaptationsstrategien informieren können. Zusätzlich gibt es speziell für die Bedürfnisse und Anforderungen der Städte die Seite mayors-adapt.eu. Im Rahmen dieses „Konvents der Bürgermeister für Klima und Energie“ werden vielfältige Informationen von Fallstudien bis best practice-Beispiele und vieles mehr zur Verfügung gestellt. Für Luxemburg ist bisher lediglich die Gemeinde Beckerich und der Naturpark Our vertreten.
Die Frage stellt sich, wie Luxemburg angesichts des sich abzeichnenden Wandels aktiv wird und auf welche planerischen Instrumente zurückgegriffen werden kann? Luxemburg beteiligte sich im Rahmen von Interreg an einem grenzüberschreitenden Forschungsprojekt zum Thema Anpassung an den Klimawandel. Interreg ist eine Gemeinschaftsinitiative des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Im Rahmen vom Projekt „C-Change“ wurden Strategien zur Anpassung an den Klimawandel erarbeitet. Das Projekt wurde mit 9 Partnern aus 5 Ländern durchgeführt. Für Luxemburg beteiligte sich das Ministère du Développement durable et des Infrastructures – Département de l’aménagement du territoire. Im Juli 2012 erschien die Publikation Anpassung an den Klimawandel – Strategien für die Raumplanung in Luxemburg. Im ersten Teil wird anhand von Statistiken illustriert, wie sich die Temperatur seit den 1960er Jahren in Luxemburg verändert hat. Ein zentrales Kapitel widmet sich dem Klimaschutz in der räumlichen Planung. Der Unterschied zur Klimaanpassung liegt darin, dass beim Klimaschutz Ziele formuliert werden, welche sich auf energetisch optimierte städtebauliche Strukturen und Bauweisen beziehen. Ziel ist ebenfalls eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs durch eine planerische Förderung der aktiven Mobilität sowie des öffentlichen Transports. Die Klimaanpassung in der räumlichen Planung betrifft hauptsächlich die Themen Siedlungsklima und Hitzestau, Trockenheit, starker Regen, Hochwassergefahr und Stürme.
Um die erforderlichen Maßnahmen zur Klimaadaptation zu definieren, muss eine Vulnerabilitätsanalyse erstellt werden. Luxemburg ist in seiner flächigen Ausdehnung nicht groß genug, um beim Thema „starker Regen“ regional differenzieren zu können. Das Starkregenereignis aus dem Jahr 2016 im Raum der Ernz hätte durchaus auch in Luxemburg-Stadt passieren können. Betroffen gewesen wären in dem Fall Keller, Tiefgaragen, Straßennetze, Kanalsystem und vieles mehr. Durch die versiegelten Flächen käme es zu Spitzenwerten des Oberflächenwassers, das nicht mehr auf natürlichem Wege abgeführt werden kann. Es würde sich anbieten, eine solche Vulnerabilitätsanalyse im Rahmen der Vorstudie zu einem Bebauungsplan zu erstellen.
Der Bebauungsplan (Plan d’aménagement général, PAG) und der Teilbebauungsplan (Plan d’aménagement particulier, PAP) sind gute Instrumente, damit die Kommunen sich gegen klimatische Extreme schützen können. Städte sind starre Strukturen. Die bestehende Struktur lässt sich nur über einen mehrere Jahrzehnte dauernden Zeitraum verändern. Deshalb kann es im Baubestand in der Regel nur zu punktuellen Maßnahmen kommen. Deswegen kommt eine umso größere Bedeutung der Planung von Neubaugebieten zu. Besonders in Neubaugebieten mit hohen Bauten besteht die Gefahr, dass diese Orte sich bei Hitze „aufladen“. Diese Hitze wird nachts von den großen mineralischen, horizontalen und vertikalen Flächen wieder abgestrahlt und es findet keine Abkühlung statt. Das Einplanen von Luftschneisen ist demnach eine Voraussetzung, dass es in Städten zu einem Luftaustausch kommen kann. Auf der Ebene der Teilbebauungsplanung werden die genauen Standorte der neuen Gebäude, aber auch der Freiflächen definiert. Die Art der Bebauung (Riegelbebauung, geschlossene oder offene Blockrandbebauung, freistehende Gebäude, usw.) und deren Orientierung beeinflussen das Mikroklima sehr stark. Genauso verhält es sich mit den Freiflächen. Eine Vernetzung der einzelnen Freiflächen durch Verknüpfung von verschiedenen Bebauungsplänen bietet mehr klimarelevante Gestaltungsmöglichkeiten, als einzelne punktuelle Freiflächen. Die kommunale Bautenregelung sollte auch die Möglichkeit bieten, Bauformen zuzulassen, von denen man weiß, dass sie klimatisch vorteilhaft sind. Ein Hauptaugenmerk gilt hier den Dachformen. In vielen Gemeinden sind Flachdächer weiterhin nicht zugelassen. Ein begrüntes Flachdach kann dazu beitragen, das Regenwasser zu sammeln, ohne dass es über die Kanalisation entsorgt wird.
Was kann jetzt im Baubestand getan werden, um lokal wirksame, klimatische Auswirkungen zu erzielen? Der anthropogene Teil der Wärmeemissionen sollte reduziert werden. Autos strahlen hohe Temperaturen ab. In Kombination mit großen versiegelten Parkplätzen findet eine lokale Aufheizung statt, die nicht dazu beiträgt, das Mikroklima zu verbessern. Auch sind diese Flächen sehr exponiert bei Starkregenereignissen. In Städten müssen die Wasserläufe erhalten und wenn möglich ausgebaut werden. Viele Städte haben kanalisierte Flussläufe. Bei einer Renaturierung verringert sich die Fließgeschwindigkeit und Pflanzen finden den nötigen Halt zum Wachsen, und es findet eine lokale Kühlung statt. Eine Diplomarbeit an der Wiener Universität für Bodenkultur beschäftigte sich mit dem Thema der Renaturierung der Petrusse und zeigt alle Vorteile eines solchen Vorhabens auf. Ein interessanter Aspekt sind auch die sogenannten „Pocket Gardens“. Auf urbanen Brachen lassen sich sehr einfach und sehr schnell kleine, schattenspendende „Taschengärten“ errichten, welche lokal Kühle liefern können. In Neubaugebieten sollen diese „Pocket Gardens“ von Anfang an mit eingeplant werden. Studien haben gezeigt, wieviel biologisch produktive Fläche Flachdächer darstellen. In Luxemburg gibt es sehr viele großflächige Flachdächer, welche erstens biologisch genutzt werden könnten und gleichzeitig einen klimatischen Effekt hätten, indem auch hier im Falle von Regen das Wasser gespeichert werden könnte.
Im Jahr 2016 machte die Nachricht die Runde, dass Geologen ein neues geologisches Zeitalter, das Anthropozän ausrufen wollen. Dahinter steht der Gedanke, dass der Mensch zum bestimmenden Faktor auf dem Planeten geworden ist, u.a. besteht kein Zweifel mehr an der Tatsache, dass er das Klima auf der Erde beeinflusst. Unabhängig davon, ob der aktuelle amerikanische Präsident daran glaubt oder nicht, sollte planerisch auf die sich ändernden klimatischen Bedingungen reagiert werden. Es ist dabei wichtig, sich auf verlässliche Daten zu stützen, um einerseits überzeugen zu können, dass im städtischen Raum Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen unternommen werden müssen und andererseits das richtige Maßnahmenpaket geschnürt werden kann. Nichts tun wäre fahrlässig.
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