Kryptowährung oder kryptisch und kaum bewährt?

Fintech ist über die letzten Jahre ein beliebtes Thema geworden, und hier hat sicherlich auch schwindendes Vertrauen in die etablierte Bankenelite auf Grund der letzten globalen Finanzkrise 2008 eine Rolle gespielt. Und doch ist der Einfluss von Fintech-Firmen und Unternehmen, die Finanzen mit der Verwendung von technologischer Innovation verknüpfen, für die meisten Bürger eher subtil wahrnehmbar. Fast jeder hat zwar schon von Unternehmen wie dem 2011 gegründeten „Transferwise“ gehört, einem Dienstleister, der es Kunden ermöglicht, global Überweisungen zu günstigeren Kursen als denen der eigenen Sparkasse zu tätigen, aber der Einfluss von Fintech ist deutlich tiefgreifender. Fintech-Firmen aus Deutschland wie N26 (online Bankdienstleistungen), Kreditech (digitale Kreditvergabe) und Finleap (Finanzdienstleis-tungen für Startups), um nur ein paar der größten zu nennen, sind weitreichend tätig und prägen stetig und nicht allzu langsam unsere Finanzwelt. So werden Dienstleistungen wie Kreditvergaben, Zahlungsabwicklungen und Vermögensverwaltung, die seit jeher in der Hand von Banken und großen Unternehmen lagen, durch junge Firmen mittels innovativer Algorithmen und Maschinellen Lernens plötzlich neu ausgelegt.

Ein weiteres interessantes Produkt der Fintech-Welle sind die sogenannten „robo-advisor“. Schon heute werden viele Indizes und Marktanalysen automatisch generiert, doch diese Art von automatisierter Beratung umfasst auch Themen wie autonome Finanzberatung und Investitionsmanagement mit minimalem menschlichen Input. Die Analyse von großer Datenvielfalt erlaubt diesen robotischen Beratern, zumindest in der Theorie, mit größerer Genauigkeit Prognosen anzustellen und den Kunden individuell und passend zu beraten. Man stelle sich eine Zukunft vor, in der sonntags am Frühstückstisch per einfachem Knopfdruck der Klempner, die Stromrechnung und der Kredit auf die Wohnung abgezahlt werden, und das überbleibende Monatsgehalt sinnvoll auf das Unisparbuch der Kinder und den DAX aufgeteilt werden. Sinnvoll und wünschenswert? Ja, zumindest nach Einschätzung der EU. Daher auch die Entstehung der PSD2, einer EU Direktive, die unter anderem Banken dazu verpflichtet, bis spätestens März 2019 auch Drittanbietern Zugang zu Kundendaten und Prozessen zu gewährleisten. Durch diesen Zugriff auf Bankschnittstellen kann ein Fintech-Unternehmen Kunden ein weitaus integrierteres Dienstleistungsfeld bieten, muss jedoch auch den strikteren Datenschutzrichtlinien gerecht werden.

Ob dieser Strom an neuen Konzepten und jungen Gründern mit kühnen Ideen nachhaltig ist, bleibt fraglich, denn wie in jeder „trendigen Branche“ wird auch hier so manches Unternehmen auf der Strecke bleiben. Die Beratungsfirma McKinsey zieht in ihrem 2015 Banking Report einen passenden Vergleich zur Dotcom-Blase der späten 90er: „In den acht Jahren zwischen Netscape IPO und dem Verkauf von PayPal an eBay haben mehr als 450 neue Unternehmen versucht, die etablierte Bankenelite herauszufordern. Weniger als fünf von ihnen bestehen noch heute als alleinstehende Firmen.“

Nach wie vor herrschen strikte regulatorische Anforderungen und eine bestehende Elite, die es neuen Unternehmen nicht leicht machen, Kunden zu akquirieren. So schrieb Jake Fuentes, ein erfolgreicher Fintech-Entrepreneur 2017 recht trefflich – „Jedes Fintech-Unternehmen muss sich klar sein, ob es ein Vitamin oder ein Schmerzmittel ist, ob es Kunden ein leicht besseres Produkt bietet als bestehende Dienstleister, oder ob es tatsächlich ein ‚schmerzhaftes‘ Problem löst.“ In den von Bankendienstleistungen bereits sehr gedeckten Märkten in Europa muss sich eine Geschäftsidee recht stark absetzen, um Banken ihre Kunden streitig zu machen.

Eine Transformation wird nicht über Nacht geschehen, und so sind Investitionen in Fintech für den Anleger auf der Suche nach schnellen Gewinnen doch mit Vorsicht zu genießen. Dies ist vor allem auch ein Fakt, den institutionelle Investoren lernen müssen, die an exponentielle Wachstumsraten aus dem Techbereich gewöhnt sind. Auch als Konsument sollte ein gesundes Misstrauen an den Tag gelegt werden, jedoch zu einem geringeren Grad.
Datensicherheit bleibt ein Thema der Zukunft, doch Daten, die bei einem Startup liegen, sind nicht unbedingt gefährdeter als bei etablierten IT-Giganten wie Facebook und Google, woran uns fast wöchentliche Schlagzeilen erinnern. Ob Datenschutzmaßnamen der EU wie das PSD2 und GDPR wie erhofft greifen, muss sich erst zeigen, die Weichen sind jedoch gestellt.

Fintech in Luxemburg

Die Fintech-Welle ist auch an Luxemburg nicht vorbeigegangen. 2016 wurde das Luxembourg House of Financial Technology, oder kurz und fraglich prägnant „LhoFT“, gegründet und auf dem Kirchberg angesiedelt, eine öffentlich-private Initiative, die junge Unternehmen mit Rat, Räumlichkeiten und viel Vitamin B zur Seite steht – solche Einrichtungen werden auch treffend Inkubatoren genannt.

Und dies geschieht natürlich nicht nur aus reiner Freude am Helfen; als einer der größten Finanzschauplätze Europas versucht sich Luxemburg bewusst als ein Knotenpunkt für Fintech-Unternehmen zu positionieren, um Status und Relevanz auch weiterhin zu wahren. Der recht junge Markt bietet viel Potenzial für eine so international- und finanzorientierte Wirtschaft, und selbst wenn nicht jedes Unternehmen den Erfolgssprung schaffen wird, so bietet das kleine Großherzogtum doch sehr nahrhaften Boden für jene, die es versuchen.

Natürlich hat nicht nur Luxemburg die Gelegenheit Fintech erkannt. Wenn man an Finanz- und Innovationszentren denkt, kommen einem London, New York und Silicon Valley in den Sinn. In den letzten Jahren hat sich jedoch vor allem China als globale Fintech-Macht etabliert.

Die drei größten Fintech-Firmen der Welt stammen aus dem Reich der Mitte, sowie insgesamt neun der einhundert Größten, mit einem gesammelten Wert von knapp über 13Mrd USD, oder 49% des Wertes aller top 100. Neben großem staatlichen Interesse, das dem Luxemburgs wahrscheinlich nicht unähnlich ist, spielen hier auch
sozioökonomische Faktoren wie der große Kreditbedarf der breiten Bevölkerung, welcher nicht von traditionellen Kreditins-
titutionen gedeckt werden kann (ungleich den ca. 6% in Europa sind hier ca. 21% der Bevölkerung „unbanked“ nach einer 2016 PWC Marktanalyse), limitiertere regulatorische Auflagen im Vergleich zu Europa und ein hoher Anwendungsgrad von Mobiltelefonen eine wichtige Rolle. Es steht in Aussicht, dass auch in Zukunft vor allem entwickelnde Märkte großes Potenzial für Fintech-Lösungen bieten werden.
Blockchain und Kryptos

Kryptowährungen (kurz Kryptos) sind eine weitere Ausprägung der Fintech-Revolution. Es handelt sich um digitale Währungen, von denen Bitcoin wohl die bekannteste ist. Den meisten Kryptos liegt die Blockchain Technology zu Grunde, ein dezentralisiertes Buchhaltungssystem von Transaktionen, das es Nutzern ermöglicht, Geschäfte unabhängig von einer zentralen Entität zu verifizieren und abzusichern.

Die Blockchain-Technologie wurde 2008 von den Erfindern von Bitcoin entwickelt, um ein wichtiges Problem zu lösen – wie kann bei einer digitalen Währung sicher gestellt werden, dass Max Mustermann sein Geld nur einmal ausgibt, ohne alle seine Transaktionen über ein aufwendiges zentrales Verifizierungssystem laufen zu lassen. Vorteile dieses Systems sind Kosten- und Zeiteinsparungen und eine inhärente Sicherheit. Anders als bei einer zentralen Datenbank, wo Daten auf wenigen Servern liegen (siehe Datenverwaltung bei Banken), ist dieses System robuster gegenüber Zerstörung und Manipulation durch eine globale Verteilung der Informationen, sowie gegenüber Verfälschung auf Grund der Art, wie Neueinträge in dieses Lexikon der Transaktionen verifiziert und genehmigt werden, kurz: der Konsens-Mechanismus.
Kryptowährungen, die auf dieser (und ähnlicher) Technologie basieren, haben in den letzten Jahren einen starken Aufschwung erlebt – nicht nur für die Ausführung dubioser Geschäfte im „dark web“. Kryptos finden immer breitere Akzeptanz neben traditionelleren Geldanlagemethoden. Doch mit größerer Medienaufmerksamkeit gehen auch größere Spekulationen einher; so ist zum Beispiel Bitcoin, die größte Kryptowährung, zwischen dem 01.01.2017 (knapp unter 1.000 USD Marktwert) und 01.01.2018 (ca.13.412 USD Markwert) um 1.244% angestiegen, mit einem zwischenzeitlichen Spitzenwert von fast 20.000 USD im Dezember 2017. Im Vergleich stieg der DAX um knapp 11% – und während der Vergleich eines einzelnen Investments mit einem Index zugegebenermaßen seine Grenzen hat, so sollte doch eines klar werden: Kryptowährungen sind fest in der Hand der Spekulanten, und sollten mit Vorsicht und einer gewissen Verlustbereitschaft genossen werden – eine feste Geldanlage für die Rente sind sie nicht.

Doch die Kernaussage ist hier nicht die Risikobereitschaft der Kryptomärkte, denn die Blockchain-Technologie findet bei weitem nicht nur bei Kryptowährungen Verwendung. Eine vergleichsweise sichere, rückverfolgbare Art Informationen und ihre Verknüpfungen zu speichern, ist ein nützliches Werkzeug. Ein prägnantes Beispiel hierfür: 2016 sagte Christopher Giancarlo, damals Beauftragter und heute Vorsitzender der CFTC (US Amerikanische Behörde zur Regulierung der Future- und Optionsmärkte), dass der Kollaps von Lehman Brothers mit einer ordentlichen Blockchain (man merke an; die Technologie gab es bereits 2008) für die Transaktionen der Investmentbank von sorgfältigen Aufsichtsbehörden hätte verhindert werden können.

Ob Sie einem nachhaltigen Effekt auf die Entfaltung der Finanzkrise Glauben schenken oder nicht, es kann mit gewisser Zuversicht gesagt werden, dass die Blockchain und darauf basierende Technologien weiterhin einen wichtigen Teil der Fintech-Innovation ausmachen werden, unabhängig vom Erfolg verschiedener Kryptowährungen.

Die Blockchain jenseits der Finanzwelt

Und auch über die Finanzbranche hinaus findet sich für die Blockchain Verwendung; erst kürzlich haben einige der größten Automobilmarken und -zulieferer „Mobi“ gegründet, eine Forschungsinstanz, die sich mit der Integration der Technologie in das Thema Mobilität beschäftigt. Somit kann man sich bald Ride-Sharing-Angebote nach dem Modell von Uber und Lyft vorstellen, die ohne Mittelmann funktionieren. Ein Marketinggimmick? Möglich – aber ein Gewinn in Abwicklungseffizienz sowie besserer Datenschutz für den Endverbraucher sind nicht zu leugnen.

Auf Grund dieser Eigenschaften zeichnen sich auch weitere Anwendungen in Bereichen wie Wahlauswertung, Identitätsverifizierung, Herkunfts- und Legitimitätsverifizierung von kritischen Dokumenten wie Pässen, KYC („kenne deinen Kunden“), Auflagen von Kreditinstituten und Versicherungen sowie Automatisierung von Betrugs- und Risikoanalysesystemen ab, um nur ein paar Möglichkeiten zu nennen. Technologie wie die Blockchain wird auch weiterhin nicht-finanzielle Verwendung und Relevanz finden.

Ob sonntags am Frühstückstisch, beim Carsharing oder dem Wahlgang, Fintech und Blockchain werden ein nachhaltiger Teil unseres gesellschaftlichen Ökosystems werden, dessen Vorteile sowie auch Grenzen es nicht zu fürchten, aber doch zu verstehen gilt.

 

Fintech

http://www.visualcapitalist.com/27-fintech-unicorns-where-born/
https://www.pwc.com/sg/en/publications/assets/fintech-startupbootcamp-state-of-fintech-2017.pdf
https://www.pwc.ch/en/publications/2016/PwC%20Wealth%20Management_Sink%20or%20Swim_Final.pdf
https://assets.kpmg.com/content/dam/kpmg/xx/pdf/2018/02/pulse_of_fintech_q4_2017.pdf
https://www.statista.com/outlook/337/102/robo-advisors/europe?currency=eur#
https://www.mckinsey.com/~/media/mckinsey/industries/financial%20services/our%20insights/cutting%20through%20the%20noise%20around%20financial%20technology/cutting-through-the-fintech-noise-full-report.ashx
https://paymentandbanking.com/german-fintech-overview-unbundling-banks/
https://www.forbes.com/sites/chrismyers/2017/02/07/3-reasons-why-fintech-is-failing/#ae13b417229d
https://medium.com/startup-grind/fintech-a-failure-34ea6b9173f7
https://fintek.pl/wp-content/uploads/2017/11/pl-Zestawienie-KPMG-International-i-H2-Ventures-2017-Fintech100-Leading-Global-Fintech-Innovators.pdf
Blockchain

http://fintechranking.com/2016/03/31/heres-why-the-blockchain-would-have-saved-lehman-brothers/
https://medium.com/@chrshmmmr/consensus-in-blockchain-systems-in-short-691fc7d1fefe
Regulation

https://www.wienrecht.at/blog/369-was-ist-psd2-payment-services-directive-2
Luxemburg

Homepage


https://www.siliconluxembourg.lu/10-fintech-startups-to-watch-in-luxembourg/
http://www.luxembourg.public.lu/en/actualites/2017/10/18-fintech/index.html
https://www.fintechmap.lu/member-category/fintech-firms-and-software-vendors/

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