„Leistet Widerstand! Eine andere Welt ist möglich“

Eine etwas verspätete Rezension von Jean Feyders Buch, aus Anlass des Protest-Dossiers

Nach seinem vielbeachteten Buch Mordshunger. Wer profitiert vom Elend der armen Länder? (Frankfurt/Main, Westend, 2015) hat Jean Feyder, ehemaliger Luxemburger Diplomat und heute stark engagiert bei den NGOs ASTM und SOS Faim, im März 2018, beim selben Verlag, ein neues Buch auf den Markt gebracht: Leistet Widerstand! Eine andere Welt ist möglich.

Es ist schwierig, diesem sehr gut informierten, 255 Seiten starken Buch, in einer kurzen Rezension gerecht zu werden, schneidet der Autor doch so sozial-politisch relevante Probleme an wie den Neoliberalismus, die Ausbeutung der Dritten Welt, die Aushöhlung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, Krieg, Unterdrückung, Terror, Hunger, Armut, die zunehmend größer werdenden globalen Ungleichheiten, Umweltzerstörung, Ausbeutung und die Unterdrückung der „Schwachen“, nicht nur in den sogenannten Entwicklungsländern, sondern auch hier in Europa, das, so Feyders These, „in einer tiefen, existentiellen Krise steckt“. Der Autor verschont die neoliberale Weltordnung im allgemeinen und den Internationalen Währungsfonds im speziellen nicht mit Kritik, da sie eine neokoloniale Politik mit aufgezwungenen Strukturreformen betrieben, die die Drittweltländer dazu zwingen würden, zu privatisieren und die Staatsausgaben zu senken, was sich meistens verheerend auf die Ärmsten in diesen Ländern auswirke.

Für Europa konstatiert Jean Feyder eine „Aushöhlung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“. Seine Beispiele sind etwa das „fragwürdige(n)“ CETA-Abkommen, das den AKP-Ländern auferlegte „Wirtschaftliche Partnerschaftsabkommen“ sowie die Interessenverflechtungen von Privatkonzernen und Politik am Beispiel des Umgangs mit Glyphosat. Er kritisiert das unsägliche Diktat der EU gegenüber Griechenland wegen der gravierenden Folgen für die griechische Bevölkerung und schont auch nicht sein eigenes Land, wenn er den LuxLeaks-Skandal und den Prozess gegen die Whistleblower Antoine Deltour und Raphael Halet thematisiert. Schließlich liegt Jean Feyder das Schicksal Palästinas sehr am Herzen. Er zeigt sich im Buch „erschüttert über den rasanten Ausbau der Siedlungen“ im Westjordanland und der flagranten und tagtäglichen Verletzung des Völkerrechts durch Israel.

Andererseits – und Jean Feyder widmet dem Thema Eine andere Welt ist möglich das letzte Kapitel seines Buches – erkennen immer mehr Menschen die im kapitalistischen System angelegten strukturellen Ungleichheiten und tun sich zusammen, um dagegen etwas zu unternehmen. Sie organisieren sich in „Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Bürgerinitiativen, Plattformen, Organisationen, Syndikaten, Dorf- und Stadtgemeinschaften“, leisten Widerstand und verleihen ihrer Wut angesichts der Krisen und Ungerechtigkeiten in der Welt Ausdruck. So wie schon Bertolt Brecht oder Jean Ziegler, der das Vorwort zum Buch schrieb, glaubt auch Jean Feyder „an die sanfte Gewalt der Vernunft über die Menschen“. Und er ist überzeugt: „So viel ist gewonnen, wenn nur einer aufsteht und Nein sagt!“

Feyder lässt nicht unerwähnt, dass es durchaus sinnvolle Vorschläge zur Beendigung des Hungers und zur Beseitigung von Armut gibt, aber es zumeist an unsicherer Finanzierung scheitere. Das macht der Autor schon allein daran deutlich, dass sich die reichen Länder bereits vor Jahrzehnten verpflichtet haben, ihre Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent ihres Bruttosozialeinkommens zu erhöhen, jedoch mit Schweden, Norwegen, Dänemark, Luxemburg und dem Vereinigten Königreich nur fünf Staaten dieses Ziel erreichen. Aber er zeigt auch einige positive Beispiele auf: etwa die „Ernährungssouveränität im Baskenland und im Piemont“ und die interessanten, vielversprechenden Projekte im Bereich der Agroökologie in Frankreich, Afrika und auf den Philippinen. „Wir können auch ohne den Einsatz von Pestiziden und gentechnisch modifizierten Organismen ausreichende Nahrung für alle Menschen produzieren. Mit den Ideen aus der Agroökologie ist eine Landwirtschaft möglich, die unabhängig ist von Energieimporten und gleichzeitig Produktion und Einkommen steigert. Am besten ließe sich das mit einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft umsetzen, vor allem in den Entwicklungsländern.“

In seinen „Schlussfolgerungen“ verweist Jean Feyder auf Artikel 1 der Menschenrechtserklärung: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ Weiterhin benennt der Autor die Artikel 2, 3 und 25 als wichtig und wünscht sich eine Entwicklungspolitik, die sich wirklich nach den Menschenrechten ausrichtet: „[E]s­ ist an der Zeit, die Kultur der Menschenrechte (…) zu überdenken und den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten dieselbe Bedeutung beizumessen wie den zivilen und politischen“. Und weiter: „Nicht nur die Achtung der Menschenrechte, auch soziale Werte, wie Gerechtigkeit und Solidarität sind in der Gesellschaft stärker zur Geltung zu bringen“.

Und am Ende, noch einmal auf die zahlreichen Krisen zurückkommend, zeigt sich Jean Feyder dann doch durchaus optimistisch: „Krisenzeiten bieten Gelegenheit, die bestehende kapitalistische Weltordnung, Individualismus und Konsumismus mehr denn je in Frage zu stellen. Zugleich vergrößert sich von Tag zu Tag die Zahl und Vielfalt von alternativen Gesellschaftsmodellen und -praktiken. Noch nie haben sich so viele Menschen für eine andere Welt engagiert. Einsatz für Demokratie und Menschenrechte, gegen ungerechte Gesellschaftsstrukturen, Empathie, Solidarität mit den Mitmenschen in Nord und Süd und mit den Unterdrückten zählen zu den höchsten Werten in unserer Gesellschaft und sind eine Bereicherung für jeden, der sich dazu bekennt und in seinem tagtäglichen Leben praktiziert.“

Abschließend noch ein Wort zum Autor. Jean Feyder war Direktor für Entwicklungszusammenarbeit beim Außenministerium in Luxemburg und ständiger Vertreter Luxemburgs bei den Vereinten Nationen in Genf. Als „unbequemer Diplomat“ (Claus Stille) und „starrköpfiger Realist“ (Jean Ziegler) konnte Jean Feyder, obschon er „nur“ Vertreter eines „kleinen“ Landes war, seinen Handlungsspielraum „kreativ gestalten“ und „etwas bewegen“, hauptsächlich innerhalb der UNCTAD (UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung) und des ECOSOC (UN-Wirtschafts- und Sozialrat). Widerstand leisten ist also (fast) immer möglich, sogar wenn man mandatsgebunden ist!

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