Luci Moments
Neue Perspektiven für die Destination Luxemburg
Im Oktober 2019 trafen sich Mitglieder der Direktion von Luxembourg for Tourism (LFT) mit Tourismusberatern und -experten anderer Destinationen in Österreich. Es sollte sich etwas ändern. Man begab sich auf die Suche nach einer neuen Form der Tourismuskommunikation für Luxemburg und nach einem strategischen Unterbau, der die touristische Vermarktung des Großherzogtums stärker und prägnanter machen sollte. Um es vorwegzunehmen: Eine neue Linie wurde gefunden und in den darauffolgenden Monaten entsprechend im Alltag umgesetzt.
Dennoch kam alles anders als geplant. Heute im Sommer 2021 kann man feststellen, dass zwei unglaubliche Jahre hinter LFT liegen. 2020 stand im Zeichen der Pandemie und ihrer Auswirkungen. Aber 2020 war für Luxemburgs nationale Tourismusagentur auch das Jahr der neuen Perspektiven: für die Destination, für die Kommunikation und letztlich auch für die Gäste. Das neue brandbook für die Markenpositionierung und -führung von Visit Luxembourg erhielt daher nicht ohne Zufall den Titel Neue Perspektiven. Es zeigt, in welche Richtung sich die Marke entwickeln soll: vom care (beruhigend, beschaulich, gemütlich, gemeinsam) hin zu mehr drive (aufregend, aktiv, innovativ, individuell), verbunden mit einer deutlich emotionaleren Ansprache.
2020 war auch das Luci-Jahr: Ein neues Destinations-Magazin namens Luci – Inspiring Travel Stories from Luxembourg kam auf den Markt als ganz konkretes Produkt der neuen Marken- und Kommunikationsstrategie von Visit Luxembourg. LFT versuchte, unter den gegebenen Bedingungen ganz nah dran zu sein: an den Menschen, ihren Geschichten, Erlebnissen und Orten. Auch im Auftrag der eigenen Stakeholder und Mitglieder war man nah dran: an den Kunden und deren Bedürfnissen. In zahlreichen Berichten wurde über den sich wandelnden Markt informiert. Es wurde deutlich, dass sich das Verhältnis der Gäste zur Destination ändert. Mit dem stark steigenden Anteil lokaler und regionaler Besucher erhielt diese Beziehung eine neue Tiefe – was veränderte Ansprüche an die touristische Kommunikation mit sich bringt. Die Kommunikations- und Marketingarbeit wurde agiler, flexibler und in Teilen letztlich neu definiert. Das Jahr 2020 wird somit als ein disruptives in die LFT-Geschichte eingehen.
LFT wagte aber auch Blicke in eine unsichere Zukunft, in der jedoch eines sicher ist: Sie wird digital sein, digitaler als jemals zuvor. Das stellt damit auch die im brandbook skizzierten Leitlinien direkt auf die Probe und verlangt nach Re-Definitionen.
Identität und Selbstdarstellung – Zur Bedeutung touristischer Landeskommunikation
Identitäten befinden sich im ständigen Fluss. Sie entwickeln sich im Dialog mit der Umwelt und basieren auf Kommunikation, in Abhängigkeit von Historie und Kultur. Das ist mit dem Selbstverständnis im Kontext der touristischen Kommunikation Luxemburgs nicht anders. Ein wichtiger Schritt war diesbezüglich die Entwicklung des neuen Nation Branding unter dem Slogan „Luxembourg, let’s make it happen“, das 2015 präsentiert wurde. Die Landesmarke ist als Dachmarke inzwischen positioniert und etabliert. Sie setzt auf die Stärken des Landes: Sicherheit, Gastfreundlichkeit, Internationalität, Offenheit, Toleranz, Hochwertigkeit und Qualität. Offenheit, Dynamik und Verlässlichkeit sind die drei Werte, die das Land beschreiben und denen sich die Bürger Luxemburgs verbunden fühlen. Die Werte wurden in einem partizipativen Strategieprozess herausgearbeitet und umgesetzt. Sie entsprechen echten Qualitäten des Landes und charakterisieren Luxemburg unabhängig von der sich schnell wandelnden Aktualität des Tagesgeschehens. Die Botschaft, die in diesen Werten steckt, dient in den übergreifenden Kampagnen und Kommunikationsmaßnahmen des Landes als Leitfaden und schärft im Standortmarketing Luxemburgs das Profil des Landes im Ausland. Der Tourismussektor war der erste, der diesen Markenansatz auf sein eigenes Branding und seine Kommunikation übertragen hat. Daraufhin entstand Visit Luxembourg mit dem bis heute gültigen Logo und Wertekanon, auf den man sich in der täglichen Arbeit und den Werbebotschaften beruft.
Tourismuskommunikation ist werbliche Kommunikation. Diese ist Teil eines Interaktions- und Kommunikationsprozesses, der auf wirtschaftlichen und kulturellen Vorgaben sowie bestimmten Zielvorstellungen basiert. Diese Vorgaben und Ziele ändern sich im Lauf der Zeit aufgrund von neuen Konsumtrends, neuen politischen Entwicklungszielen und nicht zuletzt auch technischen Neuerungen, insbesondere im Kontext der fortschreitenden Digitalisierung von Lebens- und Konsumbereichen.
Durch die verstärkte Zielgruppenforschung, die LFT 2018 zusammen mit dem Sinus-Institut und im Rahmen eines grenzüberschreitenden INTERREG-Projektes vorantrieb, wurde deutlich, wie wichtig heute das Modell der Lebenswelt ist und wie entscheidend es ist, um mit Benedict Andersons Begriff der imagined communities zu sprechen, die vorgestellte Gemeinschaft über die Nation hinaus zu denken. Denn genau hier liegt die Herausforderung heutiger touristischer Kommunikation: Die Nation als imagined community kurzfristig zu erweitern. Touristische Werbekommunikation muss heutzutage Bild- und Erlebniswelten eröffnen, die ein (wenn auch nur kurzzeitiges) Zugehörigkeitsgefühl von Besuchern ermöglichen. Anschlussfähigkeit impliziert eine gewisse Granularität der Werbekommunikation, je nach Lebenswelten der potenziellen Kunden und deren Kommunikationsansprüchen.
Mit Blick auf diese Anschlussfähigkeit steht Werbekommunikation im Spannungsfeld globaler und regionaler Einflusskategorien. In der bildlichen und textuellen Selbstdarstellung des Landes geht es um zweierlei: Einerseits gilt es, das gültige Normenspektrum in der Kommunikation zu respektieren, um anschlussfähig zu sein, andererseits, sich als Destination durch Aufgreifen kulturtypischer Besonderheiten von anderen abzugrenzen und die spezifischen Vorstellungen von Luxemburg zu prägen. LFT-Botschaften und Kommunikationsmittel kommen nicht nur im (multikulturellen) nationalen Kontext Luxemburgs zum Einsatz, sondern weit darüber hinaus, weshalb der Spagat zwischen adäquater Selbstdarstellung und internationaler Anschlussfähigkeit zum Tagesgeschäft gehört.
Die Nachbarländer bilden dabei einen Aktions- und Kommunikationsschwerpunkt. Neben Frankreich, Deutschland, Belgien und den Niederlanden kommuniziert LFT regelmäßig auch in Großbritannien, der Schweiz, punktuell in Italien und Spanien, den USA, China und Japan. In Europa bewegt man sich in der Regel innerhalb eines gemeinsamen Fundus an Gestaltungsmerkmalen und Symbolen, dennoch erfordert die Kommunikation in den direkten Nachbarländern bereits sprachliche Anpassungen (Deutsch, Französisch, Englisch, Holländisch) sowie eine jeweilige Prüfung kultureller Codes. Auf den Fernmärkten und insbesondere im asiatischen Raum gestaltet sich die Tourismuskommunikation noch deutlich komplexer.
Eine kleine stilistische Zeitreise: von Siggy zu Luci
Die Geschichte der touristischen Landeskommunikation Luxemburgs geht weit zurück. Einen guten Rück- und Überblick bietet die 2006 von der Vorgängerinstitution von LFT, dem damaligen Office national du tourisme (ONT) herausgegebene Publikation 75 ans ONT. Histoire de la promotion touristique nationale. Seit den 1950er Jahren wurde verstärkt auf die Bedeutung einer visuellen Identität hingewiesen, diese in Folge entwickelt und mehrfach dem Zeitgeist wie auch den Kundenansprüchen angepasst. Markantestes Element jener nationalen touristischen Identität war sicherlich der kleine Ritter „Siggy“, dessen Name an Graf Siegfried, den Gründer Luxemburgs, erinnert. Die Figur kam seit 1964 über 30 Jahre lang in verschiedenen Kommunikationskampagnen und diversen Ausspielungskanälen zum Einsatz und verkörperte das romantische Luxemburg der Burgen und Schlösser.
Die Bildkommunikation, das zentrale Feld touristischer Landeskommunikation, entwickelte sich nicht nur mit der technischen Entwicklung der Medien, sondern auch mit einem sich entwickelnden Selbst- und Fremdbild. Standen am Anfang eher subjektive Darstellungen der Destination in Gemäldeform, so inszenierte die Schwarzweißfotografie und die später aufkommende Farbfotografie das Reiseziel realitätsgetreu. Inhaltlich standen im Laufe der Zeit Emotionen, Erlebnisse und landschaftliche Eigenheiten des Großherzogtums immer mehr im Fokus. Nicht selten wurden vor dem Hintergrund der Darstellung eines möglichst perfekten Urlaubs aber Welten entworfen, die mit der Realität wenig zu tun hatten. Bereinigt von allen scheinbar störenden Faktoren warb man mit verklärter Idylle: beschaulich, gemütlich und bewahrend.
Die bereits erwähnte Einführung des neuen Nation Branding-Designs im Jahr 2015 gab vor allem dem neuen nationalen Design viel Platz und schränkte nicht selten damit den Platz des Bildes und damit der eigentlichen Botschaft ein. Dies änderte sich mit einer von LFT angestoßenen Reform Anfang 2020. Ziel war, die Kommunikation zu modernisieren und der Botschaft wieder mehr Raum für Vielfalt, Authentizität und echte Menschen zu geben. Das Luci-Konzept wurde geboren. Wie Siggy stellt auch Luci eine Verbindung zur Vergangenheit her (in Anspielung auf Lucilinburhuc, so die erste urkundliche Erwähnung Luxemburgs), betont aber die Modernität des Landes und setzt auf das hiesige Lebensgefühl in all seinen Facetten.
Nach wie vor orientiert sich die Tourismusmarke damit an der Dachmarke, setzt jedoch deren Eckpunkte – Verlässlichkeit, Offenheit und Dynamik – tourismusspezifisch um. Verlässlichkeit und Offenheit sind unverrückbare Werte, die mit Luxemburg in starkem Maße assoziiert werden. Dynamik jedoch ist ein Wert, der aus einer touristischen Perspektive deutlich gestärkt werden soll. Die Tourismusmarke Luxemburg betont daher Erlebnischarakter und Emotionalität, Spannung und Aktivierungsstärke des touristischen Angebots.
Im corporate design manual von LFT aus dem Jahr 2020 heißt es dazu: „Wir zeigen das Echte, das Besondere. Wir schauen dem Einheimischen über die Schulter. Wir ziehen den Betrachter ins Bild hinein. Wir offenbaren den versteckten Charme unseres Landes und seiner Landesteile. Wir zeigen das Schöne auf den zweiten Blick. Wir liefern keine Urlaubsabbildung, keine Reisegebrauchsanweisung, keine Postkartenidylle. Wir halten den einen besonderen Moment fest. Die Erlebniswelt beginnt mit dem Bild im Kopf des Betrachters.“
Neue Perspektiven für die Destination
Gerade in Krisenzeiten sehnen sich Menschen nach Abwechslung, nach inspirierenden Storys, spannenden Orten, bewegenden Begegnungen. Das 2020 mitten im Lockdown erstmalig von LFT in Deutsch, Englisch, Französisch und Luxemburgisch publizierte neue Magazin Luci – Inspiring Travel Stories from Luxembourg kam daher zur richtigen Zeit, um zu verdeutlichen, dass das Land inspirierende Reiseanlässe bietet. Wie auch bei den Publikationen der vergangenen Jahrzehnte steht bei Luci an oberster Stelle, Luxemburg als Reisedestination attraktiv darzustellen und Aussichten auf unvergessliche Aufenthalte im Land zu geben. Konzept, Stil und Inhalt sind allerdings komplett verschieden: Mut zur Ehrlichkeit, zur Lücke und nicht selten auch zu Alltags- und Lebensthemen.
Die Autoren und Fotografen, die im LFT-Auftrag durchs Land reisen, treffen vielseitige Architekten, flippige Gastronomen, „wilde“ Winzer und andere spannende Persönlichkeiten, baden in der Schönheit der Natur, lassen sich treiben – immer auf der Suche nach einem von uns so genannten Luci-Gefühl, welches Leben in Luxemburg ausmacht.
François Valentiny erklärt, warum Grenzen nicht wichtig sind und irgendwie in jedem Luxemburger ein wenig Schengen-Spirit zu finden ist. Arnaud De Meyer und Nico Steinmetz nehmen die Leser mit auf einen Rundgang durch die Hauptstadt – durch „ihr“ global village. Und Romaine Zieser zeigt, wie viel Leidenschaft und Musik im kleinsten Dorf Luxemburgs steckt. Luci präsentiert neue Weine auf dem Palmberg, ruhige Kajakrunden auf dem Obersauer-Stausee, wilde Sprünge mit dem Skateboard in Luxemburg-Grund, fröhliche Fahrradtouren über Land mit den Velosvedetten, coole urban art mit Sumo, leisen Wind in den Bäumen im Garten des Malers Jean-Marie Biwer, die gerollten Blätter der Hirschzunge im wilden Schluchtwald der Manternacher Fiels, die große Freiheit beim Campen am luxemburgischen „Amazonas“ und viele weitere Geschichten.
So eröffnet Luci neue Perspektiven auf die Destination Luxemburg und steht insbesondere auch in diesen für den Sektor schwierigen Zeiten für Optimismus und positive Energie. Es geht darum zu zeigen, was Besucher im Land erleben können, und wie sie nach einem Aufenthalt mit Erlebnissen und Begegnungen bereichert nach Hause zurückkehren.
Die Zukunft touristischer Kommunikation
Ging es 2020 bei LFT um inhaltliche Innovationen, so steht in diesem Jahr ganz klar die Erweiterung des digitalen Handlungsrahmens im Fokus. Ein starkes (digitales) Netzwerk, eine starke Marke und viele starke Geschichten sollen dazu beitragen, dass sich auch für die Reisebranche in Luxemburg bald wieder neue Perspektiven bieten. Das brandbook definiert dazu die neue Stoßrichtung, in der LFT den Menschen in aller Welt die einzigartigen Facetten Luxemburgs in Zukunft näherbringen möchte: Mehr Emotionen, mehr Authentizität, mehr „Luci-Esprit“.
Die Pandemie zeigt, dass Tourismusmarketing und Destinationsmanagement immer stärker aus der Lebensraumperspektive betrachten werden müssen. Es geht um das Leben und das Lebensgefühl vor Ort. Durch die enge Verknüpfung mit Lebensraum- und Konsumthemen ist der Tourismus als Querschnittsbranche prädestiniert, um als Zukunftsgestalter Impulse zu geben. Neue Arbeits- und Reiseformen benötigen angepasste Konzepte im Reiseangebot und in dessen Vermarktung. Somit finden auch an sich nicht-touristische Diskussionen und Entwicklungen Eingang in die an (potenziellen) Gästen ausgerichtete Landeskommunikation.
Es geht aber nicht nur um Wandel. Die Coronakrise zeigt auch, dass es Konstanten gibt. In Imagestudien beweist die Destination Luxemburg mit ihrer Tourismusmarke Visit Luxembourg Krisenresistenz. Bezüglich Sicherheit und Vertrauen – zwei wichtige Kriterien bei der Reiseentscheidung – steht Luxemburg bei Kunden hoch im Kurs. Eine konsequente Wertorientierung sollte daher auch die Basis der zukünftigen Marktausrichtung sein.
LFT wird 2021 weiter an neuen Perspektiven für den Tourismus in Luxemburg arbeiten, Entwicklungskorridore aufzeigen und Impulse geben, um die touristischen „Grenzen“ neu zu denken. Daraus resultieren neue Begegnungen: Menschen und Orte sollen vor allem mittels neuer Geschichten und digitaler Innovationen neu verknüpft werden. Dazu gehört auch, der richtigen Person zum richtigen Moment die richtige Information anzubieten. Im Rahmen der Entwicklung einer neuen Content-Strategie geht es darum, kanalübergreifend eine kunden- und wertebasierte Kommunikation zu garantieren. LFT möchte 2021 die Etablierung des Story-Networks, eines Netzwerkes der guten Geschichten, vorantreiben.
Was ist die Aufgabe der zukünftigen Kommunikation im Luxemburger Tourismus? Sie wendet sich nicht mehr an Touristen, sondern an Gäste. Das ändert den Stil, das Gefühl und auch die konkreten Inhalte in allen Kommunikationskanälen. Bereits heute – und noch stärker in Zukunft – ist die Hauptaufgabe der (werblichen) Kommunikation zu inspirieren und zu transformieren. Es geht nicht darum, schlicht Betten zu füllen und in tourismusindustriellen oder gar massentouristischen Schemata zu agieren, sondern potenziellen Gästen der Destination Luxemburg Wertversprechen zu geben.
Eine starke Marke muss eine starke Community finden, eine Gemeinschaft resonanzfähiger Kunden. Dort, wo Charakter, Wertekanon und Leistungen der Destination Luxemburg auf Menschen treffen, die sich dadurch angesprochen fühlen und mehr möchten, entsteht qualitative und nachhaltige Reisenachfrage. Beides trifft letztlich im Lebensraum Luxemburg zusammen und bietet Potenzial für neue Perspektiven – für Reisende, die Destination und die Landeskommunikation.
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