- Politik
Made in dignity?
Ein Lieferkettengesetz kann in den Wirtschaftsbeziehungen mit China auch Menschenrechte fördern
Ist China ein Risikoland in Sachen Menschenrechte und Wirtschaft? Das globale Risiko- und Strategieberatungsunternehmen Verisk Maplecroft stuft das Potenzial der Volksrepublik als „hoch“ ein.1 Wäre dies nicht auch ein Argument, damit sich luxemburgische (oder europäische) Unternehmen aus dem bevölkerungsreichsten Land der Erde zurückziehen, oder gibt es Alternativen dazu? In wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht ist es sicherlich schwierig, eine adäquate Antwort auf diese Frage zu geben. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass ein Rückzug respektive ein Boykott gegenüber Risikoländern oder Risikosektoren bittere Konsequenzen für die Lokalbevölkerung haben kann. Es besteht das Risiko, dass sich die Armutsspirale, in der sich die Menschen dort befinden, noch schneller dreht. Zudem führt das Auflösen von Wirtschaftsbeziehungen in den betroffenen Wirtschaftssektoren nicht zwangsläufig auch dazu, dass keine Menschenrechtsverletzungen mehr begangen werden.
Also kein Rückzug aus Risikosektoren respektive Risikoländern? Genau. „Weiter wie bisher“ kann allerdings auch keine Alternative sein. Anlässlich seines Besuchs in Luxemburg 2019 hat der Friedensnobelpreisträger Dr. Denis Mukwege am Beispiel des Abbaus von Konfliktmineralien (im Kongo) nicht zu einem Boykott und Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen aufgerufen, sondern zu einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in den Lieferketten.
Es stellt sich also eine grundsätzliche Frage: Schließen sich made in China und made in dignity, also Produktion unter Wahrung von Menschenrechten, aus, oder ist doch beides möglich? Wenn es ums Geschäftliche mit China geht, gilt es für (luxemburgische und europäische) Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht zu übernehmen. Viele Unternehmen – das hat die Pandemie deutlich gezeigt – kannten „ihre“ Lieferketten nur unzureichend. Dies wurde nicht zuletzt am Mangel und den damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Schutzausrüstung (Masken, Schutzkleidung…) deutlich. Die Gesundheitsministerin hat es auf den Punkt gebracht, als sie sagte: „Ich glaube auch, dass es eine Lehre für Europa sein wird, denn es ist wirklich traurig zu sehen, wie wir mit der Globalisierung von Produktionsketten abhängig geworden sind, die nicht sehr transparent sind und dass wir nicht mehr in der Lage sind, für unsere eigenen Bedürfnisse zu sorgen.“2
Um allen Missverständnissen vorzubeugen: Es soll im Folgenden nicht um eine einseitige Darstellung in Sachen Menschenrechte gehen, da im Reich der Mitte in den letzten Jahrzehnten zum Teil signifikante Fortschritte erreicht werden konnten, darunter bei der Alphabetisierung, der Bekämpfung von Hunger oder dem Aufbau einer medizinischen Versorgung. Eine Schwarzweißmalerei aus wirtschaftlicher Perspektive ist insofern nicht angebracht, als es auch Unternehmen mit Sitz in Luxemburg gibt, die innerhalb ihrer Lieferketten in Menschenrechtsverletzungen (Kinderarbeit, Landgrabbing…) verwickelt sind. Auch so manch ausländisches Unternehmen ging in der Vergangenheit ein Gemeinschaftsunternehmen, eine sogenannte Joint Venture in China ein. Nachdem der Joint-Venture-Zwang schrittweise aufgehoben wurde3, gründeten viele ausländische Unternehmen ihre eigenen Tochtergesellschaften, um unabhängig von den chinesischen Partnern agieren zu können. Die menschenrechtliche Verantwortung lässt sich also nicht einseitig auf „chinesische Zustände“ abwälzen.
Es soll im Folgenden also um grundsätzliche Fragen gehen, die zwangsläufig auch die Wirtschaftsbeziehungen mit China betreffen: Wie können Menschenrechtsverletzungen in den globalen Lieferketten angegangen werden? Welche menschenrechtliche und wirtschaftliche Position soll bezüglich „Risikosektoren“ oder „Risikoländern“ eingenommen werden? Augen zu und Investitions- oder Freihandelsabkommen weiterhin unterschreiben?
Investitionsabkommen der EU mit China
Diese Fragen stellen sich vor dem Hintergrund der zum Jahresende 2020 abgeschlossenen Verhandlungen zu dem Investitionsabkommen zwischen China und der EU. China ist der zweitwichtigste Handelspartner für die EU, und es geht dabei um einen besseren Zugang europäischer Unternehmen auf den chinesischen Markt. Bezeichnenderweise war die Zwangsarbeit der Knackpunkt bei der Frage nach der Einhaltung der Menschenrechte im Wirtschaftsbereich. Was für Kritiker nur ein Lippenbekenntnis der chinesischen Führung ist, genügt den Befürwortern des Abkommens: die Zusage Chinas, „dauerhafte und nachhaltige Anstrengungen“ zur Ratifizierung von zwei Konventionen der internationalen Arbeitsorganisation ILO gegen Zwangsarbeit unternehmen zu wollen. Klar ist jedenfalls, dass mit der bloßen Anstrengungsbereitschaft zu einer eventuellen Ratifizierung der ILO-Konventionen in der Zukunft die Zwangsarbeit im realen Wirtschaftsgeschehen noch lange nicht abgeschafft ist.
In diesem Kontext sei auch darauf hingewiesen, dass die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte vor einem Jahrzehnt (!) vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedet wurden. Diesem Rat der Vereinten Nationen gehörte damals auch die Volksrepublik China an. Laut diesen Prinzipien dürfte es solche Knackpunkte eigentlich nicht mehr geben: Staaten sind völkerrechtlich verpflichtet, Menschen vor wirtschaftsbezogenen Menschenrechtsverletzungen zu schützen – Unternehmen haben die Verantwortung, Menschenrechte zu achten. Die Realität im 21. Jahrhundert sieht jedoch oft anders aus.
Uiguren in Zwangsarbeit für den Weltmarkt
Die Unterdrückungspolitik der chinesischen Regierung gegenüber der religiösen Minderheit der Uiguren in Xinjiang, einer autonomen Region im Nordwesten Chinas, herrscht schon seit mehreren Jahren vor.4 Ein im Frühjahr 2020 veröffentlichter Bericht des Australian Institute for Policy Strategy, der gemeinsam mit 190 zivilgesellschaftlichen Organisationen erstellt wurde, prangert die Zwangsarbeit von 80.000 Uiguren an, die zwischen 2017 und 2019 für große multinationale Unternehmen in der Textil-, Technologie- und Automobilindustrie arbeiteten: „Mehrere Quellen deuten darauf hin, dass viele uigurische Arbeiter in Fabriken in ganz China ein hartes, abgeschottetes Leben unter sogenanntem ,militärischem Management‘ führen. Außerhalb der Arbeitszeit besuchen sie einen von der Fabrik organisierten Mandarin-Sprachunterricht, nehmen an ,patriotischer Erziehung‘ teil und werden daran gehindert, ihre Religion auszuüben. Sie haben wenig Bewegungsfreiheit und leben in sorgfältig bewachten Schlafsälen, isoliert von ihren Familien und Kindern in Xinjiang. Es gibt auch Beweise dafür, dass sie zumindest in einigen Fabriken schlechter bezahlt werden als ihre Han-Kollegen, obwohl die staatlichen Medien behaupten, dass sie attraktive Löhne erhalten.“5
Laut New York Times vom 19. Juli 2020 hat China, um die plötzliche Nachfrage nach Masken im Zuge der Gesundheitskrise zu befriedigen, Uiguren zur Arbeit gezwungen. Vor der Pandemie gab es vier Firmen in Xinjiang, die Masken herstellten. Im August 2020 waren es 51, 17 davon befanden sich in Internierungslagern. Obwohl mehrere Exportkanäle identifiziert wurden, seien die dort produzierten Masken für den lokalen Markt bestimmt. Der Bericht erwähnt auch, dass 80 % der chinesischen Baumwolle in Xinjiang angebaut wird und dass jedes fünfte weltweit verkaufte Baumwollkleidungsstück Baumwolle oder Garn enthält, das in dieser Region produziert wurde.
Diese groß angelegte Masseninternierung kommt multinationalen Konzernen zugute, die scheinbar wenig Rücksicht auf soziale, menschenrechtliche und ökologische Belange nehmen. Die aktuelle Situation der Uiguren ist ein sichtbar gewordenes Symptom für die organisierte Verantwortungslosigkeit von Marken, der die fehlende Rückverfolgbarkeit in die Hände spielt. Beides basiert auf einem System von Globalisierung, von dem nur eine Handvoll Wirtschaftsakteure – in diesem Fall in der Textil-, Technologie- und Automobilindustrie – ohne Transparenz in den Lieferketten profitieren.
Es geht auch anders
Nichtsdestotrotz gibt es in unterschiedlichen Wirtschaftssektoren wie der Technologieindustrie oder Landwirtschaft Produkte, die in einer verantwortungsvollen Produktion in China hergestellt werden.
Niedrige Löhne in der Elektronikindustrie sind in der Tat ein beständiges Problem für Arbeiterinnen und Arbeiter. Existenzsichernde Löhne in China sind oft 2,5 bis 3 Mal so hoch wie der gesetzliche Mindestlohn.6 Das niederländische Fairphone-Unternehmen hat einen existenzsichernden Lohn-Bonus während der globalen COVID-19-Pandemie eingeführt. In etwas mehr als einem Jahr haben sie für existenzsichernde Löhne für Fabrikarbeiter in der Lieferkette bei ihrem chinesischen Produzenten Arima gesorgt. Das kostet den Konsumenten weniger als zwei Euro pro Smartphone.
Ein anderes Beispiel, das zeigt, dass ein menschenwürdiges Einkommen unter erschwerten Bedingungen durchaus möglich ist, ist das Shiftphone, das von den Brüdern Carsten und Samuel Waldeck entwickelt wurde und „nachhaltig, fair und high-end“ sein soll. Die Firma Shift hat in der Neun-Millionen-Metropole Hangzhou 180 Kilometer südwestlich von Schanghai eine eigene Produktionsstätte. Die Mitarbeiter sind nicht nur kranken- und rentenversichert, sondern verdienen zudem umgerechnet 1.000 Euro im Monat. Das ist viermal mehr als in anderen chinesischen Smartphone-Fabriken7 und beileibe keine Selbstverständlichkeit.
Auch im landwirtschaftlichen Bereich gibt es dank des Fairtrade-Systems positive Beispiele. So wurden Arbeitsbedingungen der Teebauern verbessert und ihren Kindern bessere Bildungschancen ermöglicht. Dies war etwa bei einer der ersten Fairtrade-zertifizierten Produzentenorganisationen Chinas Dazhangshan Organic Tea Farmer Association8 der Fall. Auch soziale Fortschritte konnten erreicht werden, so etwa im Bereich des Erdnussanbaus in der Bauernkooperative Yishui Xingye in der chinesischen Provinz Shandong.9
Die Fairhandelsbewegung hat hier eine wegweisende Rolle übernommen, die modellhaft zeigt, dass eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen auch in schwierigen Kontexten möglich ist. Aktuell sind in China 26 Fairtrade-zertifizierte Produzenten- und Arbeiterorganisationen mit über 4.000 Mitgliedern Teil des Fairtrade-Systems.
Über diese konkreten, angesichts der Größe des Landes aber sicherlich marginalen Beispiele in der Landwirtschaft und in der Elektronikindustrie hinaus, wären allgemeingültige gesetzgeberische Maßnahmen – wie es sie in Frankreich bereits seit 2017 gibt – ein wesentlicher Beitrag, um allgemein die menschenrechtliche Situation im Wirtschaftsgeschehen zu verbessern. Wie also könnte ein sektorenübergreifendes Lieferkettengesetz, auch in China, einen Beitrag zum Respekt von Menschenrechten leisten?
Ein Lieferkettengesetz
Es ist schon eigenartig: Im internationalen Handel ist vieles bisweilen bis ins allerletzte Detail geregelt, so z. B. die Frage, welche Zolltarife für welche Produktkategorien gelten. Obwohl die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte 2011 eingeführt wurden, hat der Gesetzgeber eine grundlegende Verantwortung bislang nicht geklärt: Welche Verantwortung tragen Unternehmen, wenn ihre Tochterunternehmen oder wichtige Geschäftspartner zu Umweltverstößen und Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten, sei es in China oder in anderen Ländern, beitragen?
In einem solchen Gesetz mit präventivem Charakter gilt es die Unternehmen auf Grundlage der oben genannten UN-Leitprinzipien zu einer menschenrechtlichen Sorgfalt in Bezug auf die gesamte Wertschöpfungskette zu verpflichten.
Konkret hieße dies, so wie es bereits im oben erwähnten Pionierland Frankreich erfolgt, Unternehmen dazu zu verpflichten, die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die international anerkannten Menschenrechte und die Umwelt jährlich in einer Risikoanalyse auswerten zu lassen. Diese werden anhand der Schwere der Risiken bewertet und an konkreten Anhaltspunkten überprüft, wobei Betroffene, Gewerkschaften und NGOs einbezogen werden. Die Sorgfaltspflicht umfasst auch wirksame Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie die Einrichtung eines Beschwerdemechanismus. Natürlich muss der Größe eines Unternehmens bei den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln Rechnung getragen werden, um gegebenenfalls angemessene Maßnahmen einleiten zu können. Zudem soll der Wahrscheinlichkeit und der Schwere von Menschenrechtsverletzungen oder branchen- bzw. länderspezifischen Risiken (Stichwort Konflikt- oder Hochrisikogebiete) Rechnung getragen werden. Eine Dokumentationspflicht und Veröffentlichung muss damit einhergehen. Diese könnte ein Unternehmen auch im Fall einer Klage entlasten (Stichwort zivilrechtliche Haftung), wenn entsprechende Sorgfaltsmaßnahmen nachgewiesen werden können. Es geht also um eine obligation de moyens und nicht um eine obligation de résultats. Dies trägt zur Rechtssicherheit bei, die auch von Unternehmen, die ein solches Lieferkettengesetz befürworten, eingefordert wird.
Ein solches Lieferkettengesetz hätte zudem den Vorteil, dass es auf den Grundprinzipien der Vereinten Nationen fußt und nicht als eine einseitige, maßgeschneiderte Maßnahme gegen ein bestimmtes Land wahrgenommen werden würde.
Auswirkungen in Luxemburg
Staat und Verwaltungen müssen laut UN-Leitprinzipien eine Vorbildfunktion haben und aufgrund ihres wirtschaftlichen Potenzials zum Teil über eine direkte Hebelwirkung bei öffentlichen Beschaffungen verfügen.
Beispiel Textilbranche und Elektronikindustrie: Angesichts der Zwangsarbeit in der Baumwoll- und Textilproduktion in China, wie sie oben am Beispiel der Uiguren oder den Abbaubedingungen von Konfliktmineralien bei der Herstellung von Elektronikgeräten beleuchtet wurde, ist dies keine theoretische Frage.
Als die Schüler in Luxemburg im Mai 2020 wieder die Schulbank drücken mussten, erhielten sie zum Schutz vor dem Covid-19-Virus zwei Schlauchschale, die sogenannten „Buffs“. Unabhängig von der Diskussion um deren Effizienz, die dabei ausgelöst wurde, stellt sich eine andere Frage, die bezeichnenderweise zu keinem Zeitpunkt öffentlich diskutiert wurde: Unter welchen Arbeitsbedingungen wurden diese Schlauchschale produziert?
Auch beim Einkauf von elektronischen Geräten haben m. E. bei öffentlichen Ausschreibungen die Kriterien Menschenrechte und Nachhaltigkeit hierzulande bislang keine Rolle gespielt, obwohl es bereits Alternativen gibt (siehe oben z. B. Fairphone, Shiftphone). Staat und Gemeinden müssen beim Einkauf von Produkten ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen. Das Gesetz zu den öffentlichen Ausschreibungen ermöglicht dies, damit nicht einzig und allein der (billigste) Preis darüber entscheidet, welches Unternehmen bei einem öffentlichen Auftrag den Zuschlag bekommt.
Mit diesem Gesetz von 2018 wurde nicht nur eine EU-Richtlinie in nationales Gesetz umgesetzt, sondern auch die Grundlage geschaffen, damit soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt werden bzw. menschenrechtliche Kriterien zu einem Ausschluss an der Teilnahme an Ausschreibungen führen können. Hier muss noch ein Bewusstsein entstehen, da Staat und Gemeinden nicht „automatisch“ Nachhaltigkeit und Menschenrechte mit ihrer Einkaufspolitik verbinden müssen. Die Abgeordnetenkammer hatte noch am gleichen Tag zwei Motionen zur Verantwortung der Regierung gestimmt, die genau hier ansetzen. Bislang wurde nicht evaluiert, inwiefern die einzelnen Ministerien dies umsetzen.
Abschließend gilt es noch zu erwähnen, dass laut den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte insbesondere den Unternehmen, die dem luxemburgischen Staat gehören, eine Vorbildfunktion im Bereich menschenrechtliche Sorgfaltspflicht zukommt, die umgesetzt werden muss.
Gerade dieser Schlüsselsektor Luxemburgs ist gefordert: unser Finanzsektor
Die Action solidarité tiers monde (ASTM) hat im Oktober 2020 ihren Bericht mit dem Titel Risques d’impacts des activités des entreprises sur les populations dans les pays du Sud10 vorgestellt. Dabei wurde auch die Rolle der hiesigen chinesischen Bank ICBC Luxembourg im Rahmen ihrer Kreditvergabe beleuchtet.
Die Mine Las Bambas in Peru gilt als die neuntgrößte Kupfermine der Welt. 2014 wurde die Mine von dem Konsortium MMG Limited übernommen, das von chinesischen Investoren angeführt wird. Die Beobachtungsstelle für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern prangerte Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Mine Las Bambas an, die zu Protesten von Einwohnern der Gemeinden in den Provinzen Grau und Cotabambas (Apurímac) führten. Diese wurden 2015 bereits von der Polizei unterdrückt, was drei Tote und 23 Verletzte (15 Zivilisten und 8 Polizisten) sowie die willkürliche Festnahme von 21 Demonstranten zur Folge hatte, von denen 19 angeklagt wurden. Im März 2020 wurden die 19 Bauern, die wegen der Verteidigung ihres Territoriums auf Grundlage ihres Rechts auf eine gesunde und ausgewogene Umwelt kriminalisiert worden waren, mit Unterstützung von Fedepaz, ASTMs Partner in Peru, vom Richter des Unipersonal Court of Cotabambas des Superior Court of Justice of Apurímac freigesprochen.
Laut dem Zwischenbericht 2019 von MMG wurde am 21. August 2019 eine der zwei erneuerbaren Kreditlinien mit der luxemburgischen Filiale der Industrial and Commercial Bank of China Ltd (ICBC Luxembourg) in Höhe von 175 Millionen US-Dollar eingerichtet, die zur Finanzierung der Mine Las Bambas verwendet werden soll. Mit einem geltenden Lieferkettengesetz müsste die ICBC Luxemburg eine Sorgfaltsprüfung vornehmen und die Risiken für Gesundheit und sauberes Wasser der lokalen Bevölkerung darlegen. Statt angesichts laufender Menschenrechtsverletzungen gegebenenfalls Kredite zu verweigern, könnte die Bank ihren Einfluss nutzen und dafür Sorge tragen, dass das Unternehmen entsprechende Abhilfemaßnahmen einleitet.
Das kleine Luxemburg und das große China
Indessen schreitet die wirtschaftliche Verknüpfung zwischen dem kleinen Luxemburg und dem großen China kontinuierlich fort. Die Belt and Road Initiative (BRI) wurde am 27. März 2019 vom Premierminister Xavier Bettel in Peking unterzeichnet. Auf der offiziellen Seite von OBOReurope unter der Überschrift „Luxembourg, a member of BRI“ heißt es: „Luxembourg has built its economic success on European integration and trade; Luxembourg shares with China the same motivation to build an open world.“ Angesichts der sogenannten Umerziehungslager in Xinjiang, in denen Berichten zufolge Repressalien und Zwangsarbeit eine Realität sind, mutet dies als eine abenteuerliche Aussage an. Eine offene Welt sieht anders aus.
Weitere wirtschaftliche Verflechtungen zwischen beiden Ländern (Cargolux, Niederlassung von sieben chinesischen Banken, chinesische Anlageverwalter …) zeigen, dass das kleine Luxemburg für das große China auch ein Eingangstor in den EU-Markt ist.
Sollte Luxemburg einen Sitz im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen von 2022 bis 2024 erhalten, würde es wiederum der Volkrepublik China „begegnen“, die auch aktuell dort vertreten ist. Wenn Luxemburg sich zum Fürsprecher „einer offenen Welt“ und der Einhaltung von Menschenrechten im Bereich von wirtschaftlichen Aktivitäten positionieren möchte, dann gilt es für Außenminister Jean Asselborn zu handeln. Ein konsequenter Einsatz für eine gesetzlich verankerte Sorgfaltspflicht (sowohl national als auch EU-weit) für die Wahrung der Menschenrechte im Bereich der Wirtschaft wäre ein gutes Aushängeschild im Wahlkampf für einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat.
- https://tinyurl.com/yxp2nqtr (alle Internetseiten, auf die in diesem Beitrag verwiesen wird, wurden zuletzt am 19. Januar 2021 aufgerufen).
- https://tinyurl.com/y37gp9au
- https://tinyurl.com/y2utptvz
- Vgl. den Beitrag von Mareile Aldinger in diesem Dossier.
- https://www.aspi.org.au/report/uyghurs-sale
- https://www.fairphone.com/en/2020/12/18/living-wage/
- https://www.hna.de/welt/shiftphone-ist-shift-6m-so-gut-wie-ein-iphone-9946120.html
- https://tinyurl.com/y62bkrgz
- https://tinyurl.com/yyjgmm9b
- https://nocorporateimpunity.org/wp-content/uploads/2020/10/Rapport-ASTM_webFINALE.pdf
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