Eine der Aufgaben der luxemburgischen Außenpolitik ist die Förderung der heimischen Wirtschaft. Welche Erwartungen hat die luxemburgische Wirtschaft in dieser Hinsicht an die Politik?

Carlo Thelen: Was den Austausch an Waren und Dienstleistungen, aber auch an Kapital und Arbeit anbelangt, ist die
Luxemburger Volkswirtschaft einer der weltweit offensten Wirtschaftsräume. Öber 80% der in Luxemburg hergestellten Produkte und Dienstleistungen sind für die Ausfuhr bestimmt. Aus diesem Grund ist die hiesige Wirtschaft von der Entwicklung der internationalen Märkte stark abhängig. Als Handelskammer begrüßen wir entsprechend die politische Unterstützung zur Förderung der heimischen Wirtschaft im Ausland und auch insbesondere eine verstärkte Ausrichtung der Außenpolitik auf die sogenannte Wirtschaftsdiplomatie. Politik und Wirtschaft beeinflussen sich gegenseitig. Die Außenpolitik sollte die Wirtschaft aktiv fördern und möglichst wenig negativ tangieren, wie dies aber zum Beispiel im Zuge von Handelssanktionen gegenüber einzelnen Ländern der Fall sein kann. Aus Sicht der Handelskammer ist hierbei eine konstruktive, offene und koordinierte Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik am zielführendsten.

Welche Instrumente der luxemburgischen Außenpolitik dienen der Förderung des Wirtschaftsstandortes (z.B. Eröffnung von Botschaften in wichtigen Partnerländern, Wirtschaftsmissionen etc…)?
C. T.: Es gibt ein ganzes Arsenal von Maßnahmen und Instrumenten, die man einsetzen kann. Kommunikation spielt hierbei eine zentrale Rolle. Es geht einerseits darum, den Wirtschaftsstandort Luxemburg in allen wichtigen Auslandsmärkten aktiv und attraktiv darzustellen, ob dies nur hinsichtlich des Ausbaus der Handelsbeziehungen oder auch bezüglich der Werbung für Auslandsinvestitionen in Luxemburg passiert. Andererseits sollten aber auch für die Luxemburger Wirtschaft bedeutsame Märkte und Markttendenzen erkannt und Türen für einheimische Firmen geöffnet werden. Hierbei sind Wirschaftsmissionen sicherlich sehr hilfreich, allerdings sind auch starke Netzwerke und Partner vor Ort unerlässlich. Die Verfügbarkeit eigener Netzwerke im Ausland — Botschaften, Konsulate, Handels- und Investitionsbüros (LTIO), Außenhandelsberater —, auf die die Luxemburger Wirtschaft direkt zurückgreifen kann, ist aufgrund der Größe unseres Landes allerdings eingeschränkt. Deshalb arbeiten wir als Handelskammer auch mit externen Partnern zusammen, wie zum Beispiel den belgischen Exportförderungs- und Auslandsinvestitionsagenturen AWEX und FIT.

Wie schätzen Sie die Wirksamkeit und Bedeutung dieser Instrumente ein? Was ließe sich verbessern, was ließe sich ausbauen?

C. T.: Die Wirksamkeit der eingesetzten Instrumente hängt von verschiedenen Faktoren ab, die man nicht unbedingt alle selbst unter Kontrolle hat. So sind Zeitpunkt, Frequenz, sektorieller Fokus, Vorbereitung und Weiterverfolgung sowie Unterstützung und gezielte Kontakte vor Ort für den Erfolg von Wirtschaftsmissionen ausschlaggebend. Eine aktive Kooperation mit den Botschaften im Ausland sowie mit anderen offiziellen Vertretungen Luxemburgs ist auch sehr hilfreich und wird ebenfalls von der Handelskammer und den Unternehmen vorangetrieben bzw. genutzt. Allgemein wäre ein koordinierter Ausbau dieses Netzwerks, speziell in zusätzliche, wirtschaftlich interessante Regionen sicherlich wünschenswert. Hervorzuheben sind in diesem Bezug unsere positiven Erfahrungswerte im Rahmen der aktiven Kooperation zwischen dem Außenministerium und der Handelskammer in unseren Botschaften in Berlin (seit 2013) und Paris (seit 2014). Deutschland und Frankreich sind nach wie vor unsere wichtigsten Handelspartner und eine aktive Präsenz in diesen Märkten ist entsprechend von besonderer Bedeutung. Aus diesem Grund stehen jeweils
eine Mitarbeiterin der Handelskammer in der Wirtschafts- und Handelsabteilung den jeweiligen Botschaften vor Ort zur Seite.

Können Sie uns am Beispiel des Ukraine-
konflikt die verschiedenen Perspektiven und Interessen von luxemburgischer Außenpolitik und luxemburgischen Wirtschaftsinteressen erläutern?

C. T.: Aus wirtschaftlicher Sicht entfalten sich die in diesem Zusammenhang verhängten Wirtschaftssanktionen sicherlich nicht positiv. Abgesehen davon, dass die ukrainische Wirtschaft eingebrochen ist, waren direkte Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland auf die Luxemburger Betriebe flächendeckend relativ gering. Allerdings haben einige Unternehmen und Wirtschaftszweige auch die indirekten Folgen wahrgenommen, wie zum Beispiel durch den negativen Einfluss auf die Preisentwicklung einzelner Produkte oder auch durch ein verändertes Kaufverhalten der russischen Kunden. Eine für kurz nach der Verhängung der Sanktionen geplante Wirtschaftsmission unter Leitung des Wirtschaftsministers musste kurzfristig abgesagt werden. Eine solche Mission wird unter den gegebenen Umständen wohl leider auch in absehbarer Zeit nicht möglich sein. Alles in allem ist der wirtschaftliche Schaden sowohl auf russischer als auch auf europäischer Seite sehr hoch, und der entstandene nachhaltige Vertrauensverlust schwer einschätzbar. Wenn man davon ausgeht, dass früher oder später wohl eine politische Lösung gefunden werden kann und die Sanktionen wieder aufgehoben werden können, ist es wichtig, die Wirtschaftsbeziehungen nicht vollends abzubrechen. In diesem Zusammenhang kommen auch der Handelskammer und der Botschaft in Moskau eine zentrale Bedeutung zu.

Wie und wo findet eine Abstimmung zwischen Außenpolitik und den Interessen des Wirtschaftsstandortes statt? Ist der Austausch informell oder gibt es Strukturen, wo eine Abstimmung stattfindet?

C. T.: Wie bereits erwähnt ist eine konstruktive, offene und koordinierte Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und (Außen-)
Politik am zielführendsten. Die Abstimmung zwischen Außenpolitik und den Interessen des Wirtschaftsstandortes findet meist informell statt. Hervorzuheben ist der regelmäßige Austausch von Informationen und Programmen zwischen dem Wirtschaftsministerium, dem Finanzministerium, dem Außenministerium und der Handelskammer. Zu erwähnen ist auch die Rolle von Luxembourg for Business und Luxembourg for Finance, die unter anderem auch darin besteht, die offizielle Kommunikation in Bezug auf den Wirtschaftsstandort zu koordinieren.

Vielen Dank für Ihre Antworten! u

Das Interview fand zwischen dem 11. und 26. Mai per E-Mail statt.

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