Mediensplitter

Medienkritik: wichtiger denn je?

Seit kurzem erscheint der Berliner Tagesspiegel mit neuer inhaltlicher Aufteilung und im Tabloid-Format. Wie so oft bei einem Relaunch gibt es das eine zu loben und das andere zu bedauern. So fällt auf, dass die Medienrubrik Media Lab die Neuausrichtung nicht überlebt hat. Die letzte Kolumne durfte der Medienforscher Stephan Russ-Mohl verfassen. Darin empfiehlt er, künftig drei Themenfelder stärker zu berücksichtigen: Wissenschaft, Wirtschaft und Medien. Von diesem Informationsplus erhofft er sich einen Rückgang der Politikverdrossenheit. 

Neben vermehrter Reflexion über die journalistische Praxis müsste in meinen Augen die Medienökonomie verstärkt in den Fokus der Medienkritik rücken. Derzeit erleben wir, was geschieht, wenn ein Unternehmer mit autoritären Reflexen eine der weltweit zentralen Kommunikationsplattformen übernimmt. Die EU-Kommission musste schon anmahnen, dass Elon Musk Ärger droht, wenn Twitter nicht mehr gegen Desinformation tut. Doch Musk ist kein Einzelfall. 

Silvio Berlusconi vermischte jahrelang seine politische mit seiner Medienmacht – als Besitzer seiner privaten TV-Kanäle und gleichzeitig Aufseher der öffentlich-rechtlichen Programme. In Frankreich ist kaum eine Tageszeitung oder ein politisches Magazin noch unabhängig: Libération und L’Express stehen unter der Fuchtel des Industriellen Patrick Drahi, Le Point gehört dem Geschäftsmann François Pinault, Le Figaro der Waffenschmiede Dassault. Und wie Vincent Bolloré, ein weiterer Tycoon, über seinen Nachrichtensender CNews in den französischen Präsidentschaftswahlkampf 2022 eingriff, war erschreckend.

Zugleich geht die Zahl der Redaktionen, die sich eingehend mit Medien und Journalismus befassen, ständig zurück. Wohl gibt es weiter das Medienmagazin Zapp des NDR, allerdings läuft es seit Anfang 2021 nicht länger wöchentlich, sondern nur noch monatlich. Deshalb mussten Sonderausgaben in den sozialen Medien her, als es im vergangenen Sommer darum ging, die Missstände in der Chefetage des RBB aufzuklären. 

Ungleich schlimmer traf es Reliable Sources. Ende August stellte der Nachrichtenkanal CNN nach dem Verkauf an Discovery seine dienstälteste Sendung – erstmals 1992 ausgestrahlt – ein. Moderator Brian Stelter war dem neuen Referenzaktionär während der Trump-Präsidentschaft durch seine gnadenlose Kritik an den tendenziösen Kommentaren bei Fox News aufgefallen. Erhalten blieb der wochentägliche Newsletter.

Ansonsten existiert weiterhin die französische Webseite Arrêt sur images, die Daniel Schneidermann im Internet weiterführt, seit France 5 das Medienmagazin 2007 einstellte; außerdem der wöchentliche Podcast On the Media, erstmals 1993 auf WNYC ausgestrahlt. Es gibt sie also noch, die Medienkritik als journalistische Disziplin, auch in einzelnen Zeitungsredaktionen, etwa bei der Südddeutschen Zeitung oder dem Guardian und nicht zuletzt bei forum, das seinen Mediensplitter auch im dritten Jahr fortführen wird.

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