Mediensplitter

Risiken und Nebenwirkungen: Fast Food Journalismus und Informationscocktails

Der Zusammenhang zwischen geschlechterspezifischen Problemen und Corona ist unbestreitbar. Dieser Umstand wird in aus- wie inländischen Medien zusehends thematisiert. Bestimmte Diskurse verschieben sich dahingehend, dass sie nicht mehr in einer vermeintlichen Nische belassen werden, weil sie zu sichtbar geworden sind, als dass man sie noch ignorieren könnte. Seit Beginn der Pandemie ist beispielsweise unbezahlte Carearbeit in den Fokus gerückt und die Zunahme an häuslicher Gewalt gereicht unter anderem Möchtegern-Polit-Satirikern beim Wort zu von jedwedem Stil befreiten dead jokes. Obgleich die Nachrichten, die das gerade genannte Zweiergespann tangieren, auf unterschiedlichste Weise überwiegend negativ konnotiert sind, steht zumindest eines fest: Schwerwiegende gesellschaftliche Probleme kommen überhaupt zur Sprache. Aber um welchen Preis?

Diese Frage drängte sich kürzlich auf, als sich zum möglichen Thrombose-Risiko bei der Impfung mit AstraZeneca eine Debatte darüber gesellte, dass Personen, welche die Antibaby-Pille einnehmen, viel stärker von Gefäßerkrankungen betroffen seien. Den Anfang machte das Format quer des bayrischen Rundfunks auf Instagram. Im Rahmen eines Posts kam es zu folgender Gegenüberstellung: Während von einer Million Menschen in Europa sechs nach einer Impfung mit AstraZeneca eine Thrombose erlitten, kommt es bei der Pille bei gleichbleibender Gesamtanzahl durchschnittlich zu 1.100 Fällen von Thrombose. Das Duo bestehend aus Impfstoff und Verhütungsmittel dominierte für einige Tage die sozialen Medien. Diese Kurzmeldung wurde 133.000 Mal gelikt, zigmal geteilt und von anderen Medienhäusern aufgegriffen. Es mussten indes zügig Informationen „nachgeschossen“ werden, da eine Sinusvenenthrombose im Fall des Impfstoffs nicht mit jenen Thromboseformen vergleichbar ist, die bei der Pille auftreten können. Es folgten weiterreichende Erläuterungen und Richtigstellungen.

Mit dem Pille-Impfstoff-Vergleich wurde wohl das noble Ziel verfolgt, eine angespannte Situation zu entlasten, Impf-Zweifler:innen Ängste zu nehmen und gleichzeitig auf eine ganz andere Problematik hinzuweisen. Es besteht einerseits kein Zweifel daran, dass die Weltbevölkerung aktuell mit wissenschaftlichen Befunden zu Corona überfordert ist. Anderseits ist der Fakt unumstößlich, dass heftige Nebenwirkungen mit hormoneller Verhütung einhergehen können, häufig nicht hinreichend darüber informiert wird und weniger gesundheitsschädliche Methoden allzu oft unerwähnt bleiben. Obwohl sich wegen Ovulationshemmern Sammelklagen gegen Pharmakonzerne türmen, werden die juristischen Kämpfe nicht in der breiten Öffentlichkeit diskutiert. All diese Themen sind aber bereits für sich allein genommen so kompliziert und erklärungsbedürftig, dass es alles andere als ratsam ist, als Journalist:in neben Äpfeln und Birnen auch noch extrem unterschiedliche Medikamente zu positionieren und einen äußerst gefährlichen Informations-Cocktail mit einer Prise Whataboutism zusammen zu panschen. Zu groß ist die Gefahr, sich daran zu verschlucken.

Anne Schaaf

Als partizipative Debattenzeitschrift und Diskussionsplattform, treten wir für den freien Zugang zu unseren Veröffentlichungen ein, sind jedoch als Verein ohne Gewinnzweck (ASBL) auf Unterstützung angewiesen.

Sie können uns auf direktem Wege eine kleine Spende über folgenden Code zukommen lassen, für größere Unterstützung, schauen Sie doch gerne in der passenden Rubrik vorbei. Wir freuen uns über Ihre Spende!

Spenden QR Code