Neue Nutzungen für Kirchenbauten

Umnutzungen in der Vergangenheit

Umnutzungs-, Umbau- oder auch Abbrucharbeiten an Kirchengebäuden sind nichts Neues, auch wenn sie vielleicht mehr Aufmerksamkeit erregen als andere Baustellen. Bereits im 17. Jahrhundert wurde nach dem Weggang der Augustinerinnen aus dem Hondhaus in Clausen die Kapelle des ehemaligen Mansfeldschen Hospizes aufgegeben und profanen Zwecken zugeführt. Die Rundung der Apsis ist heute noch deutlich in der baulichen Anlage zu erkennen.

Die Gotteshäuser des Useldinger Benediktinerpriorates und des Echternacher Klarissenklosters verschwanden am Ende des 18. Jahrhunderts, nachdem die entsprechenden Gemeinschaften aufgelöst worden waren.

Die Französische Revolution brachte dann größere Veränderungen in der religiösen Architekturlandschaft. Die Sankt Michaelskirche in Luxemburg wurde zum Dekadentempel und die Dreifaltigkeitskirche zum Stadttheater. Die Wallfahrtskapelle am Glacis wurde kurzerhand dem Erdboden gleichgemacht, die Sankt Ulrichskirche in Grund wurde zur Lagerhalle und später abgetragen.

Auf diese Zeit geht ebenfalls eine, wenn auch später erst ausgeführte, aber heute noch gültige Umwandlung zurück: diejenige der hauptstädtischen Kapuzinerkirche zum Theatersaal. Über den erst am Ende des 20. Jahrhunderts entfernten Grabanlagen wurden während Jahrzehnten alle möglichen Spektakel aufgeführt. Da bis 1782 in nahezu allen Gotteshäusern Bestattungen stattfanden, wird sich dieses Szenario in Zukunft möglicherweise wiederholen.

Rechtliche Bestimmungen

An das Gesetz vom 13. Februar 2018 über die Nutzung und Finanzierung der katholischen Kultgebäude sind zwei Listen angehängt, die einerseits die Besitzer angeben, andererseits die Kirchen aufzählen, die aus pastoralen Gründen ihre Funktion behalten sollen. Wird ein Gotteshaus nicht mehr für den Kultus in Anspruch genommen, so soll es zuerst entweiht werden. Mobiliar und Kultgegenstände sind zu entfernen. Sowohl das Kirchenrecht als auch das staatliche Gesetz sehen vor, dass bei einer Umnutzung die Würde des Bauwerkes zu beachten ist. Ist eine Kirche desakralisiert, so soll sie laut den Vorstellungen des Bistums keinesfalls mehr zu gottesdienstlichen Zwecken genutzt werden, das heißt auch nicht bei der Kirmes oder einem Dorffest. Bei solchen Gelegenheiten soll die Messe dann lieber in einem Festzelt oder in einer Scheune gefeiert werden.

Es ist jedoch durchaus möglich, dass ein Kirchenraum für weltliche Veranstaltungen genutzt wird, zum Beispiel für Konzerte oder Konferenzen usw. Allerdings soll der Charakter der Darbietung die Würde des Gotteshauses respektieren. Die Konservierung oder auch Wiederverwendung des bei der Entweihung entfernten Mobiliars, das in jedem Fall dem neu geschaffenen Fonds als Rechtsnachfolger der Kirchenfabriken gehört, stellt natürlich ein großes Problem dar. Retabel und Orgeln sind oft für einen bestimmten Raum geschaffen worden, sie sind monumental und nicht ohne weiteres abzubauen. Es ist schwierig, sie eventuell in einer anderen Kirche unterzubringen und noch schwieriger, sie auf Dauer fachgerecht zu lagern. Dieser Umstand könnte für viele Kunstwerke den endgültigen Untergang bedeuten, wie es in der Vergangenheit bereits öfter vorgekommen ist. So stellt sich die Frage, ob es nicht besser wäre, dem neuen Besitzer diese Dinge zu überlassen, falls dieser gewillt ist, sie korrekt aufzubewahren. In diesem Zusammenhang soll auch unterstrichen werden, dass es in Luxemburg immer noch kein Museum für sakrale Kunst gibt, obschon mehr als die Hälfte unserer Kulturgüter einen religiösen Ursprung oder Charakter haben.

Umnutzungen

In den letzten Jahrzehnten wurde der Abbruch nicht mehr benötigter Kirchen öfters in Erwägung gezogen. Dies rief jedoch im allgemeinen eine heftige Opposition bei der betroffenen Bevölkerung oder auch bei Denkmalschützern hervor. Die Polemik um die durch unverantwortliche Arbeiten baufällig gewordene Differdinger Kirche und den Ende 2012 erfolgten Abbruch dürfte noch allgemein in Erinnerung sein. In anderen Fällen kam es denn auch nicht so weit.

Bereits in den 1970er Jahren wurde die Kapelle in Hagelsdorf kaum noch genutzt. Es waren jedoch dringende Reparaturarbeiten geboten, die weder Gemeinde noch Staat finanzieren wollten. Das Bauwerk sollte abgetragen werden. Die Dorfbevölkerung war jedoch mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und führte die erforderlichen Maßnahmen selber aus.

Um dieselbe Zeit erhielt die Pfarrei Roodt/Syr in der gleichen Gemeinde Betzdorf eine neue Kirche. Das alte Gotteshaus, früher von einem Friedhof umgeben, war für den Abriss bestimmt. Einige hellsichtige Personen wiesen jedoch zu dem richtigen Zeitpunkt darauf hin, dass dieser Eingriff eine große Lücke in dem geschlossenen historischen Dorfbild hervorrufen würde. Sie fanden glücklicherweise Gehör und so blieb der schlichte, für unsere Dorfkirchen typische Bau, erhalten. Natürlich stellte sich nun die Frage, was man damit anfangen sollte.

Auch ein gut restauriertes Gebäude, das nicht genutzt wird, ist bekanntlich dem Verfall geweiht. Da in Roodt/Syr kein künstlerisch wertvolles Mobiliar mehr vorhanden war, konnte der Raum geleert werden. Die harmonischen Proportionen und das schöne Kreuzgratgewölbe kamen dadurch besser zur Geltung. Ein Holzfußboden verbesserte die Akustik. Heute dient die ehemalige Kirche als Ausstellungs- und Konzertsaal. Sie kann auch für kleinere private Festlichkeiten gemietet werden. Die gelungene Neunutzung sichert dem bescheidenen Bau einen regen Besucherzulauf.

Die auf das frühe 18. Jahrhundert zurückgehende Dorfkapelle von Beringen wurde um 1910 durch ein größeres, neogotisches Bauwerk ersetzt. Sie dient heute als Vereinslokal. Vorher hatte die staatliche Forstverwaltung sie als Schulsaal genutzt. Das Bauwerk liegt mitten im Dorf an der Hauptstraße auf einer gut sichtbaren Anhöhe und sein Verschwinden würde eine bedauerliche Lücke schaffen.

Kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Weissen Väter Besitzer der Überreste des adeligen Dominikanerinnenpriorates von Marienthal an der Eisch. Nach der Auflösung durch Kaiser Joseph II. und der Veräusserung des wertvollen Inventars, waren die Gebäude in den 1820er Jahren abgetragen worden, um Material für die Errichtung des heute als Schloss bekannten Walferdinger Pferdegestüts zu gewinnen.

Nachdem die Reste der Anlage mehreren Familien als repräsentativer Wohnsitz gedient hatten, zum Beispiel den Metternich zur Gracht und Neÿen-Petit, sollte wieder ein Kloster entstehen. Dazu gehörte selbstverständlich auch eine Kirche, die nach den Plänen von Gustave Serta errichtet und 1900 geweiht wurde. Die 1974 in Staatsbesitz gelangten Gebäude wurden dem Service national de la jeunesse zugewiesen. Die Kapelle, bereits früher von einem wenig interessanten Mobiliar befreit, wurde dabei als Mehrzwecksaal hergerichtet und der Raum konnte als Ganzes mit seinen Malereien und Glasgemälden erhalten werden. An und für sich eine glückliche Lösung.

Wie wird die Entwicklung nun weitergehen? Das ist zu diesem Zeitpunkt nicht vorherzusagen. Sind die Kirchen heute für viele Zeitgenossen noch wichtige Bauwerke, auch wenn sie nur noch selten zu religiösen Zwecken genutzt werden, so wird sich dieser Umstand mit der zunehmenden Entchristlichung der Gesellschaft wahrscheinlich schnell ändern. Viele Menschen werden wohl kaum noch persönliche Erinnerungen mit den Kirchengebäuden in Verbindung bringen und so auch nichts gegen Abbrucharbeiten oder Umnutzungen einzuwenden haben. Unabhängig von weltanschaulichen Standpunkten bleiben die Gotteshäuser jedoch vielfach die architektonisch bemerkenswertesten Bauwerke eines Ortes. Auch vom Urbanismus her ist ihre Bedeutung nicht zu leugnen. Ihr Verschwinden könnte schmerzliche Wunden aufreißen, mit denen die meisten Luxemburger jedoch sicher gut leben könnten.

Bis jetzt hat eine Südgemeinde Interesse an einer Kirche angemeldet und will sie zu einem laizistischen Zentrum umbauen. Dort sollen dann zivile Feiern stattfinden, in einem Rahmen, der sich sicherlich vorteilhaft gegenüber den Räumen, in denen oft etwa Trauungen abgehalten werden, abhebt. Andere Besitzer werden wohl um die Entweihung von Bauten bitten, die sowieso kaum noch für Gottesdienste in Anspruch genommen werden. Eine Stadt im Norden des Landes, vor einigen Jahren durch Geländetausch in den Besitz einer barocken Privatkapelle gelangt, zieht in Erwägung, dort eine Übernachtungsmöglichkeit für ländlichen Tourismus einzurichten. Das historische Mobiliar könnte im Chorraum hinter einer Glaswand aufgestellt bleiben, sanitäre Einrichtungen würden in einem noch zu schaffenden schlichten Nebengebäude Platz finden. Das Bemerkenswerte daran ist, dass das bescheidene Gotteshaus neben einigen monumentalen Bauernhöfen in einer beachtenswerten Landschaft mit hohem Baumbestand liegt. Auch wenn ein Kirchengebäude unter Denkmalschutz steht, kann es selbstverständlich, wie jedes andere Bauwerk, umgenutzt werden. Nur der eigentliche Wert muss erhalten bleiben.

Wie Kirchen letzten Endes umgenutzt werden, liegt natürlich an den jeweiligen Bedürfnissen und den Ausmaßen des Bauwerkes. Viele Möglichkeiten können ins Auge gefasst werden: Bibliothek, Archivraum, Kunstgalerie, Geschäftslokal, Café, Schwimmbad, Mehrzwecksaal, Musikschule oder sogar Wohnraum, wie etwa in der Kapelle der ehemaligen Franziskanerinnenklinik in Luxemburg-Fischmarkt. Es wäre zu wünschen, dass zumindest eine Kirche ein Museum für religiöse Kunst beherbergen würde. In unseren Nachbarländern finden sich diesbezüglich genügend gelungene Beispiele.

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