Online-Journalismus in Luxemburg: Inhaltsleere Hashtag-Hüllen
Mediensplitter
Online First ist im Journalismus die Devise, an der sich Medienhäuser in Luxemburg orientieren – auch wenn sich internationale Medien bereits wieder davon abwenden.
Das aggressive Marketing durch Werbung, Hashtags wie #Trump, #Bettel, #Barbie und plakative Titel wie „So heiß ist es diesen Sommer in Luxemburg“ versprechen im Internet Klicks. Je mehr davon desto vermeintlich erfolgreicher ein Artikel – so das Mantra hinter von Werbung durchzogenen Webseiten wie t-online.de. Auf diesen poppen Promi-News und -Skandale auf, kuriose Geschichten über Babys mit drei Köpfen und einen Oktopus mit siebzig Tentakeln. Vermarktung ist alles.
Das weiß offenbar auch der Musiker Serge Tonnar, der vor kurzem für Frieden werben wollte und für den Social-Media-Auftritt der Lénk den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf einem rosa Pferd inszenierte: „Make love, not war.“ Angesichts des Shitstorms – Kritiker*innen warfen der Partei Homo- und Russlandfreundlichkeit vor – schien Tonnar sich in Interviews mit Medien missverstanden zu fühlen. Hier schließt sich der Kreis, denn wie manch anderer auch dürfte er nun festgestellt haben, dass soziale Medien genau wie kommerziell finanzierte Online-Medien über Aufmerksamkeit und plakative Botschaften funktionieren.
Was einfach und oberflächlich ist, kommt im Internet gut an. Wortspiele, Ironie oder Begriffe, die nicht aus dem Grundwortschatz sind? Online zu kompliziert. Englisch? Verstehen die Leser*innen doch nicht! Die als durchschnittlich vorgestellte Leser*innenschaft soll direkt wissen, worum es geht. So wie bei Markus Lanz, wo man jederzeit einschalten kann und immer direkt weiß, wer gut und wer böse spielen soll. Kein Gedanke zu viel, das würde überfordern.
Das Resultat dieser Entwicklung sind plakative Titel, die sich überall gleichen. Reißerische Headlines ohne Doppeldeutigkeit, erklärende Überschriften, die dem*der vermeintlich unbedarften Leser*in in einfacher Sprache vorkauen, was im Artikel folgen wird. Etwa: „Woher der Klimawandel kommt“, „Wieso Luxemburg ein reiches Land ist“, oder „Warum Jean Asselborn keine Lust mehr hat, Fahrrad zu fahren“. #Tourdefrance!
So kommt es, dass sich durch die Online-Politik großer Medienhäuser auch ethische Standards verschieben. Denn eine U-Boot-Fahrt von Milliardären zum Wrack der Titanic erweckt mehr Aufmerksamkeit als ein Bootsunglück vor der Küste Italiens oder Griechenlands, wo wieder einmal Hunderte Geflüchtete ertrunken sind. Auch der Kulturteil verändert sich. So findet man in der Rubrik Konzertberichte von Robbie Williams oder royale News über „Der Großherzogin teure Kleider“ statt tiefgründiger Rezensionen.
Der Berufsstand der Journalist*innen wird dadurch immer überflüssiger. Zugleich ruinieren die Medienhäuser durch austauschbare Belanglosigkeit ihre eigene Marke. Die Titel, die die Künstliche Intelligenz generiert, mögen für Klicks reichen – nicht aber für echten Journalismus.
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