Chamber-TV ist eine gute Erfindung. Als Bürger kann man von zu Hause aus das Geschehen im Parlament verfolgen. Das ganze Geschehen? Nein. Denn gezeigt wird meist nur der Redner. Ganz selten schwenkt die Kamera auf einen zuhörenden Abgeordneten oder Minister — und meist ist die entsprechende Person schon vorgewarnt, da sie zuvor vom Redner zitiert oder angesprochen wurde. Ein besseres Bild kann sich machen, wer auf der Pressetribüne des Parlaments Platz nimmt. Dort sitzt man oberhalb der Oppositionsabgeordneten. Und es ist interessant zu verfolgen, was diese etwa während der Debatten am 30. Juni und 1. Juli 2015 zu Logement und Denkmalschutz taten. Sie schauten selten zum Redner, dafür umso häufiger auf den fest eingebauten Computerbildschirm vor ihnen. Eine Abgeordnete surfte eine Stunde lang durchs Netz, um sich Hüpfburgen anzusehen. Letztendlich war eine gefunden, die Kreditkarte herausgeholt, Nummer eingetippt, bestellt! Ein anderer Abgeordneter ist Fan des Fußballclubs von Mönchengladbach. Die Webseite der „Fohlen“ wurde hoch- und heruntergeschoben, durchgeklickt und groß gezoomt.
BILD-Zeitung und Ego-Googeln
Kurz darauf erschien bild.de auf dem Monitor. Überhaupt haben deutschsprachige Webseiten, soweit aus der Höhe zu erkennen, die Nase weit vorn. Nur ab und zu reichte es für einen kurzen Klick zu RTL.lu: schnell checken, was gerade im Land los ist. Ein anderer Abgeordneter klickte sich derweil minutenlang durch Seiten, die sein eigenes Konterfei enthalten. Ego-Googeln im Hohen Haus. Der Fairness halber ist anzufügen: Manche Abgeordneten surfen, klicken, whatsappen und simsen gar nicht. Sie sitzen stoisch auf ihrem Platz und scheinen zuzuhören. Es wäre aber unfair, die Namen der einen oder der anderen Gruppe hier zu nennen. Denn auf Kopf und Computer schauen kann man nur den Mitgliedern von CSV, ADR und déi Lénk — und auch nur jenen, die anwesend sind. Zumindest körperlich. Geistig sind viele dann doch im großen Cyberspace, oder im kleinen Mönchengladbach. Bei Chamber-TV sieht man all das freilich nicht. C
Finanzielle Entschädigung für die Teilnahme an den beschriebenen Sitzungen
Der „jeton de présence“ liegt momentan bei 116,28 Euro pro Sitzung. Die Abgeordneten schreiben sich auf einer Liste ein, die in der „Salle des pas perdus“, also vor dem Plenarsaal, ausliegt. Um einen „jeton“ zu bekommen, darf man bei maximal einer Abstimmung fehlen. Das heißt, derjenige der einmal nicht mit abstimmt, bekommt die Entschädigung, wer zweimal nicht mit abstimmt, bekommt sie nicht. Die Abgeordneten sind über Fingerabdruck eingeloggt, und zwar am Gerät neben dem Computerschirm, über den auch abgestimmt wird.
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