Outreach Youth Work

Eine ergänzende Form von Jugendarbeit ausgehend vom Jugendhaus

„Outreach Youth Work – Maisons des Jeunes“ wurde 2016 als Pilotprojekt unter Trägerschaft der Entente des Gestionnaires des Maisons de Jeunes (EGMJ) in enger Kooperation mit dem Jugenddienst des MENJE und durch die finanzielle Unterstützung des Europäischen Sozialfonds ins Leben gerufen. Während der zweijährigen Pilotphase wurde das Konzept in den Jugendhäusern von sieben luxemburgischen Gemeinden erprobt, umgesetzt und weiterentwickelt. Das Jugendhaus als unmittelbarer Partner nimmt im Rahmen der Umsetzung von Outreach Youth Work eine zentrale Position ein.

Mittlerweile konnte sich Outreach Youth Work als fester Dienst innerhalb der Offenen Jugendarbeit in Luxemburg beweisen und nachhaltig Fuß fassen. Outreach Youth Work versteht sich dabei nicht als Konkurrenz zu anderen Diensten und Einrichtungen, sondern als Ergänzung der bestehenden Angebote für junge Menschen.

Die Idee hinter Outreach Youth Work

Outreach Youth Work ist im Rahmen der Jugendgarantie entstanden, die darauf abzielt, der Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Outreach Youth Work richtet sich insbesondere an Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 26 Jahren, die sich außerhalb des Bildungssystems und Arbeitsmarktes befinden, allerdings aufgrund fehlender Motivation oder fehlender Ressourcen beim Übergang von der Schule in die Arbeitswelt auf besondere Unterstützung angewiesen sind.

In vielen Fällen handelt es sich um junge Menschen, die die Schule oder die Ausbildung abgebrochen haben und die nach vielen Fehlschlägen frustriert, desillusioniert und antriebslos sind. Häufig bekommen sie auch innerhalb der Familie oder im sozialen Umfeld nicht die nötige Unterstützung, sodass sie auf sich allein gestellt sind und sich früher oder später mit ihrer Lebenssituation abfinden und aufgeben.

Da sie auch von den bestehenden Unterstützungsangeboten nicht oder nur unzureichend erreicht werden, drohen sie verloren zu gehen und von dauerhafter sozialer Exklusion bedroht zu werden. Das Ziel von Outreach Youth Work ist es, diese Jugendlichen zu identifizieren, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen und ihnen die individuelle Betreuung und Unterstützung zu bieten, die sie dringend benötigen. Durch Empowerment-Strategien sollen sie so gestärkt werden, dass sie wieder Motivation, Selbstvertrauen und Handlungsfähigkeit erlangen, und Mut finden, ihr Leben selbst aktiv zu gestalten. Outreach Youth Work wartet nicht darauf, dass Jugendliche von sich aus kommen, da sie dies erfahrungsgemäß nicht tun. Vielmehr steht Outreach Youth Work für Aufsuchende Jugendarbeit. Im Konkreten bedeutet dies, dass sich die JugendarbeiterInnen in den jeweiligen Gemeinden aktiv in den Sozialraum der Jugendlichen begeben und sich deren Lebenswelt annähern.

Damit stellt Outreach Youth Work ein in dieser Form neues Angebot der Offenen Jugendarbeit in Luxemburg dar, welches das bestehende non-formale Bildungsangebot ergänzt. Outreach Youth Work ermöglicht es, Jugendliche in schwierigen Lebenslagen aufzufangen und ihnen bei der Integration in die Gesellschaft zur Seite zu stehen. Entsprechend des von den Mitgliedern der EGMJ geteilten Leitbildes zur Jugendarbeit orientiert sich die Arbeit an den Prinzipien der non-formalen Bildung, setzt an den Bedürfnissen der Jugendlichen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten an und leistet durch die Entwicklung und Förderung wichtiger Schlüsselkompetenzen einen wesentlichen Beitrag zu einer positiven Sozialisaton von jungen Menschen.

Wie Outreach Youth Work in der Praxis funktioniert

Obwohl Outreach Youth Work an das lokale Jugendhaus angebunden ist, unterscheidet sich dessen Arbeitsweise von der des regulären Jugendhausbetriebs. Aus diesem Grund wird Outreach Youth Work von JugendarbeiterInnen umgesetzt, die von Gemeinde und Träger ausdrücklich für diese Aufgabe eingestellt werden. Diese gehören zwar gleichzeitig zum Team des Jugendhauses, haben aber ihre eigene Mission und sind für die pädagogische Umsetzung von Outreach Youth Work zuständig.

Aufsuchende Arbeit, Freiwilligkeit, Niedrigschwelligkeit, Zeit und Ganzheitlichkeit sind zentrale Merkmale, durch die sich die Arbeit von Outreach Youth Work auszeichnet. Die Jugendarbeiterinnen von Outreach Youth Work haben zudem sehr unterschiedliche Aufgaben und Rollen zu erfüllen und sind nicht nur „Outreacher“, sondern auch Motivator, Aktivator, Vernetzer, Case Manager, Begleiter, Koordinator, Vermittler, Dispatcher, Bezugs- und Vertrauensperson sowie Ansprechpartner.

Vor dem Hintergrund einer professionellen Vernetzung mit Partnern auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene zeichnet sich die pädagogische Arbeit von Outreach Youth Work durch ein breites Spektrum an Angeboten und Unterstützungsleistungen für die betreuten Jugendlichen aus. Dazu gehören individuelle Gespräche und Beratung, die Zusammenarbeit mit bzw. die Weitervermittlung an andere Einrichtungen und Dienste, die Durchführung erlebnispädagogischer Aktivitäten, sowie die individuelle Begleitung durch die JugendarbeiterInnen. In der Praxis besteht die pädagogische Arbeit von Outreach Youth Work im Wesentlichen aus fünf Schritten:

1. Schritt: Jugendliche in schwierigen Lebenslagen aufsuchen

Der wichtigste und zugleich schwierigste Schritt ist der erste: Jugendliche in schwierigen Lebenslagen ausfindig machen, mit ihnen in Kontakt kommen und ihr Interesse am Angebot wecken. Ein wichtiges Element hierzu ist die Aufsuchende Arbeit. Die JugendarbeiterInnen von Outreach Youth Work gehen gezielt dorthin, wo sich junge Menschen aufhalten – auf Straßen, öffentlichen Plätzen und an Treffpunkten, an denen sich Jugendliche erfahrungsgemäß gerne aufhalten. Durch Aufsuchende Arbeit im öffentlichen Raum werden aber nicht alle Jugendlichen der Zielgruppe angetroffen. Insbesondere diejenigen, die sich aus dem sozialen Leben zurückgezogen haben und sich überwiegend zuhause aufhalten, werden so nicht erreicht. Daher werden von Outreach Youth Work weitere Methoden und Strategien angewandt, die sich als erfolgreich erwiesen haben: Flyer, das Aufsuchen zuhause, Weitervermittlung durch andere Dienste, Mund-zu-Mund-Propaganda, Kontakte über das Jugendhaus.

2. Schritt: Jugendliche motivieren und eine Beziehung zu ihnen aufbauen

Im nächsten Schritt geht es darum, die Jugendlichen zu motivieren, ihre Lebenssituation zu verändern. Die Arbeit von Outreach Youth Work basiert dabei in erster Linie auf einem engen Vertrauensverhältnis zwischen JugendarbeiterIn und Jugendlichen. Dies ist für den Erfolg der ganzen Maßnahme entscheidend. Dieser Schritt benötigt entsprechend viel Zeit und erstreckt sich oft über Monate, da viele Jugendliche aufgrund ihrer bisherigen negativen Erlebnisse misstrauisch und distanziert sind.

3. Schritt: Jugendliche aktivieren und gemeinsam eine Perspektive für die Zukunft entwickeln

Im Mittelpunkt der Arbeit von Outreach Youth Work steht die Aktivierung und Stärkung der wenig eigenaktiven Jugendlichen. In Gesprächen mit den Jugendlichen versuchen die JugendarbeiterInnen, deren Ressourcen, Kompetenzen und Interessen herauszufinden. Darauf aufbauend entwickeln sie gemeinsam realis-tische Perspektiven für die Zukunft und erarbeiten mit ihnen einen individuellen Plan mit Zielen, Zwischenzielen und den hierzu nötigen Schritten. Zum anderen sind auch gemeinsame erlebnispädagogische, sportliche oder kulturelle Aktivitäten ein zentraler Bestandteil von Outreach Youth Work. Dabei geht es vor allem darum, die oftmals demotivierten Jugendlichen zu aktivieren und in Kontakt mit anderen Jugendlichen in ähnlicher Situation zu bringen.

4. Schritt: Jugendliche individuell betreuen und begleiten

Die in vielen Fällen unselbständigen und überforderten Jugendlichen benötigen gezielte individuelle Unterstützung. Ein zentrales Merkmal von Outreach Youth Work ist daher die umfassende individuelle Betreuung und Begleitung der Jugendlichen über einen längeren Zeitraum. Outreach Youth Work setzt hier vielfältige Methoden und Formen der Intervention und Unterstützung ein: Die Jugendarbeiter helfen bei der Arbeitssuche und beim Verfassen von Bewerbungen, zeigen schulische und berufliche Möglichkeiten auf, bereiten auf Vorstellungsgespräche und andere Termine vor, vermitteln Zwischenlösungen, oder bieten Beratung und Hilfe bei der Alltagsbewältigung. Dieser fallbezogene Ansatz mit individuellem Coaching ist für die Jugendlichen, die meist auf sich alleine gestellt sind und in der Regel wenig Hilfe etwa von den Eltern erfahren, eine ganz wichtige Stütze. So gewinnen die Jugendlichen Schritt für Schritt Selbstvertrauen und Sicherheit.

5. Schritt: Jugendliche in eine passende Stelle weitervermitteln

Im letzten Schritt werden die Jugendlichen an eine zu den jeweiligen Bedürfnissen und Zielen am besten geeignete Stelle weitergeleitet. Je nach Situation kann dies eine Arbeit, ein Praktikum, eine Aus- oder Weiterbildung, eine Schule, eine Maßnahme der Arbeitsmarktintegration, ein Freiwilligendienst, ein Angebot eines anderen Dienstes, eine Einrichtung des betreuten Wohnens, oder auch eine medizinische oder psychologische Betreuung sein. Als „Case Manager“ oder auch „Dispatcher“ übernehmen die Jugendarbeiter-Innen hier eine Vermittlungsfunktion.

Wirkung, Herausforderungen und Perspektiven

Der Ansatz von Outreach Youth Work hat sich in der Pilotphase als erfolgreich erwiesen. Das wurde von allen beteiligten Akteuren – insbesondere von den betreuten Jugendlichen – rückgemeldet und von einer externen Evaluation durch die Universität Luxemburg bestätigt. Outreach Youth Work wirkt also bei den Jugendlichen der Zielgruppe und führt zu positiven Veränderungen in unterschiedlichen Bereichen: Bindung und Vertrauen, Motivierung, Aktivierung, Teilhabe am sozialen Leben, berufliche Perspektiven, Verbesserung der allgemeinen Lebenssituation, höhere Selbstwirksamkeit, Entwicklung von sozialen und personalen Kompetenzen.

Trotz des positiven Fazits lassen sich aber auch einige Herausforderungen im Umgang mit den Jugendlichen der Zielgruppe feststellen.

In Bezug auf die konstruktive Zusammenarbeit aller jugendrelevanten Akteure gilt es die Jugendlichen in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Nicht konkurrierendes, sondern kooperatives Denken und Handeln auf Seiten aller Akteure ist eine wichtige Voraussetzung, damit jungen Menschen adäquat geholfen werden kann. Dienste wie Outreach Youth Work müssen vermeiden, junge Menschen rein nach ihrer „Employability“ zu bewerten. Vielmehr geht es darum, Jugendliche in ihrer Individualität und Ganzheitlichkeit wahrzunehmen, sie bei ihrer persönlichen und sozialen Entwicklung zu unterstützen, und ihnen zu verstehen zu geben, dass sie auch dann wichtig sind, wenn sie sich nicht gerade in einer Beschäftigungsmaßnahme befinden.

Als eine weitere Aufgabe von Outreach Youth Work kann daher auch gesehen werden, die Gesellschaft für die Lebenssituation der betroffenen Jugendlichen zu sensibilisieren und dazu beizutragen, den gesellschaftlichen Druck, der oftmals auf den Jugendlichen liegt, abzumildern.
Des Weiteren hat sich im Laufe der Pilotprojektphase gezeigt, dass viele Jugendliche, die von Outreach Youth Work erreicht worden sind, eine noch intensivere, im Idealfall 1:1 Betreuung, benötigen würden, da es ihnen häufig an ganz elementaren Basiskompetenzen fehlt.

Neben der wichtigen Arbeit, die im Rahmen von Outreach Youth Work geleistet wird, wird zudem die Entwicklung aus Ausarbeitung präventiver Ansätze und Maßnahmen zunehmend wichtiger.

Von den insgesamt positiven Erfahrungen sollen in naher Zukunft auch weitere Jugendhäuser und Gemeinden in Luxemburg einen Nutzen haben. Outreach Youth Work kann ab sofort von allen interessierten Gemeinden und Jugendhäusern als Ergänzung des bestehenden Angebots für junge Menschen angeboten werden. Die EGMJ als zentrale Anlaufstelle steht hierfür beratend und unterstützend zur Seite. Zudem bietet der Jugenddienst des Minis-terium für Bildung, Kinder und Jugend (MENJE) allen für Outreach Youth Work in Frage kommenden Gemeinden eine finanzielle Unterstützung an.

Weitere Informationen

Hintergrundinformationen zu den jugendlichen TeilnehmerInnen des Pilotprojektes sowie zu Idee, Konzept und Umsetzung von Outreach Youth Work finden sich in den Informationsbroschüren der EGMJ. (Aufrufbar unter: www.egmj.lu)

Um die Ergebnisse sowie die in Luxemburg zu diesem Thema geführten Reflexionen und Ansätze darzustellen, sowie mit KollegInnen anderer Länder in einen Austausch über gute Projekte zur Integration Jugendlicher in das gesellschaftliche Leben zu kommen, organisiert die EGMJ eine internationale Konferenz, die vom 23.-26. Oktober 2018 stattfindet.

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