Plastic, not fantastic
Die Idee ist gut, doch...
Ich habe nie verstanden, warum Kund*innen eine Paprika in eine Plastiktüte stecken und sie dann zum Abwiegen bringen. Die Paprika bietet – im Gegensatz zur Möhre – die ideale Fläche, um dort das Preisetikett anzubringen. Aber sogar bei der Möhre funktioniert das. Bei Kirschen wird es zugegebenermaßen schwieriger. Und ich habe nie verstanden, warum in Supermärkten, die sowohl Bio- als auch Non-Bio-Gemüse anbieten, gerade die biologischen Erzeugnisse in Plastikfolien, -schalen und -blistern angeboten werden. Ja, das Argument lautet stets, dass der Handel die biologisch reinen und die behandelten Auberginen auseinanderhalten müsse. Dass es dafür aber auch zahlreiche andere Möglichkeiten gibt, Laser zum Beispiel, hat bis heute nichts daran geändert, dass man mit dem Kauf einer Bio-Zucchini gleichzeitig Plastik einkauft. Lösungen für das erste Problem liegen m.E. in der Hand der Verbraucher*innen, die des zweiten jedoch klar bei der Industrie. Das Plastik-Problem ist also recht demokratisch: Alle sind gefragt.
Das Widersprüchliche ist: Eigentlich ist das Plastik-Problem bekannt – der Industrie wie den Verbraucher*innen. Ist Plastik für erstere ein günstiger Verpackungsstoff, der Lebensmittel lange konserviert, stellt es für die Kund*innen eine bequeme und leichte Transportmöglichkeit dar. Und so halten viele es mit Adorno und sagen: Man muss halt mit seinen Widersprüchen leben. Aber wie lange geht das noch gut? Weniger als ein Drittel der Kunststoffabfälle in der EU wird recycelt. Weltweit ist die Kunststoffproduktion von 1,5 Millionen Tonnen im Jahr 1950 auf 322 Millionen Tonnen im Jahr 2015 gestiegen. Und jedes Jahr werden durch die Herstellung und Verbrennung von Plastik weltweit rund 400 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Beim Pro-Kopf-Verbrauch an Verpackungsabfällen aus Kunststoff lag Luxemburg 2015 EU-weit auf Platz 2.1 Wenn wir so weiter machen, haben die Fridays for Future-Aktivist*innen bald wirklich keine Zukunft mehr.
Die beste Idee ist es natürlich, Plastikabfälle zu vermeiden. Freilich gibt es Bemühungen, genau das zu tun. Die Umweltministerin hatte im Mai und Juni zu fünf Null-Offall-Workshops geladen, um sich von den Ideen der Bürger*innen zur Abfallvermeidung inspirieren zu lassen. Auf Initiative von IMS Luxemburg haben sich 56 Unternehmen und Institutionen zusammengetan, um bis Ende 2020 Einweg-Plastikprodukte aus ihren Häusern zu verbannen. Zum Preis von 35 Cent finden Verbraucher*innen seit Ende vergangenen Monats neue wiederverwendbare „Superbags“ von Valorlux in den Obst- und Gemüseabteilungen, die nach dem ersten Kauf und Gebrauch einfach beim nächsten Supermarktbesuch wieder mitgebracht werden sollen. Sie sind waschbar und können, wie ihre große Schwester, die „Öko-Tut“, gratis gegen neue Exemplare umgetauscht werden, wenn sie nach mehrmaliger Verwendung nicht mehr heile sind. Alle großen Ketten in Luxemburg beteiligen sich an dieser Aktion. Der Juni erscheint, wenn man sich diese Beispiele anschaut, wie der Monat, in dem das Ende des Plastiks eingeläutet wurde. Oder doch nicht?
Trotz der Superbag wird die normale Plastiktüte nicht abgeschafft. Erst wenn die Kund*innen nicht mehr zugreifen, wird sie aus den Supermärkten verschwinden. Im Gegensatz zum „Food for your Senses“-Festival, auf dem Ende Mai spülbare Hartplastiktrinkbecher angeboten wurden, bekam man auf den diesjährigen Feierlichkeiten am Vorabend des Nationalfeiertags in der Hauptstadt wieder nur diese weichen Plastikbecher, die man nach einem kleinen oder großen Bier in den Müll oder auf die Straße schmeißt. Warum die Stadt nicht als Vorbild vorangeht, erschließt sich nicht. Und wenn die Bürgermeisterin dann anlässlich der Präsentation des Aktivitätsberichtes des Hygienedienstes der Stadt Luxemburg für das Jahr 2018 die Pionierrolle der Hauptstadt im Sinne einer umweltfreundlichen Stadt feiert, bleibt einem noch der letzte Schluck aus dem Plastikbecher im Halse stecken. Vielleicht hätte Lydie Polfer zu einem von Carole Dieschbourgs Workshops kommen sollen, bei dem es Wasser und Salate nur aus Gläsern und Brote nur auf Papier gab.
Der gesammelte Müll in der Stadt Luxemburg ist jedenfalls von 2017 auf 2018 von über 64.000 auf über 66.000 Tonnen angestiegen.2 Nein, umweltfreundlich ist das nicht. Der beste Abfall ist immer noch kein Abfall. Und der Juni hat uns noch einmal deutlich gemacht: Die Ideen sind gut, doch das Land noch nicht bereit.
1) http://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20181212STO21610/plastikmull-und-recycling-in-der-eu-zahlen-und-fakten (letzter Aufruf: 1. Juli 2019).
2) Jacqueline Kimmer, „Eine saubere Sache“, in: Journal vom 28. Juni 2019, S. 17.
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