Publikationen von und über Politiker sind in Luxemburg eher selten. Umso bemerkenswerter ist es, dass innerhalb von nur wenigen Monaten drei Bücher erschienen sind, die Einblick geben in das Gedankenleben und die Karrieren einheimischer Politiker.

Claude Meisch

Erziehungs- und Bildungsminister Claude Meisch hat mit Staark Kanner, Eng Häerzenssaach (Editions Phi), vor dem Sommer einen 230 Seiten langen Text auf Luxemburgisch (!) vorgelegt, der seine Erfahrungen als Erziehungsminister und seine Einsichten zur Entwicklung der modernen Schule zusammenfasst. Für den DP-Minister, der vor diesem Mandat als Finanzfachmann gehandelt wurde, müssen die letzten fünf Jahre im Bildungs- und Erziehungsministerium eine harte Prüfung gewesen sein. Sein Wirken hat die luxemburgische Schullandschaft im Hinblick auf Lehrfächer, Programme, Organisation und Hierarchien tiefgreifend verändert. Mit dieser Politik und einem häufig als belehrend empfundenen Stil ist Claude Meisch zu einem der unbeliebtesten Politiker Luxemburgs avanciert. In seinem Text tritt er nun betont zugänglich und persönlich auf, versucht den Leser (auch durch die Wahl der Sprache) direkt anzusprechen und vom eingeschlagenen Weg zu überzeugen. Das Buch liest sich über weite Strecken als Rechtfertigung und Erklärungsversuch für viele vernünftige, aber auch unpopuläre Entscheidungen, dann wieder als Zettelkasten der guten Einsichten. Durch den Text zieht sich die Sorge, dass die gemachten Fortschritte, z.B. in der Verschränkung von formaler und non-formaler Bildung, von einer zukünftigen Regierung rückgängig gemacht werden könnten. Das Buch ist trotz der gewählten Sprache und des persönlichen Ansatzes nicht einfach zu lesen, denn die Fülle der schulinternen Informationen und Entwicklungen macht es zum Beispiel für interessierte Eltern kapitelweise zu einer schwer verdaulichen Kost. Lehrer hingegen sollten es als stellenweise ärgerliche Pflichtlektüre zugewiesen bekommen: Ein Blick auf den Gesamtzusammenhang der rezenten Schulreformen kann der eigenen Selbstverortung nur dienlich sein.

Astrid Lulling

In eine ganz andere Sparte und Epoche fällt die im Selbstverlag erschienene Autobiographie der CSV-Politikerin Astrid Lulling. Statt von theoretischen Einsichten, Konzepten und Prozessen handelt das Buch der bald 90-jährigen Politik-Veteranin aus Schifflingen von Sex, Drugs and Rock’n’Roll. Politik ist hier ein täglicher Kampf um persönlichen Einfluss, um die Durchsetzung von Interessen und um das Überleben in einer von Männern dominierten Welt. Der Titel dieser flüssig geschriebenen Erzählung – Mein Leben als Frau in der Politik – ist ein Statement, das deutlicher kaum sein könnte. Astrid Lulling beginnt ihre Geschichte mit dem Hinweis, dass sie kein Wunschkind war, erzählt in knappen Worten von Krieg und Besatzung und vom Tod zweier Brüder. Dass sie sich dem dauerhaften Zugriff von Männern weitgehend entzogen hat, ist ihr einen Hinweis wert. Nun wäre man völlig fehlgeleitet, wenn man Astrid Lulling bemitleiden würde. Sehr früh hat sie sich über Konventionen und Grenzen hinweggesetzt und durch harte Arbeit, ein freches Mundwerk und Dossierkenntnis eine abenteuerliche Karriere betrieben. Über Jahrzehnte hinweg stellte Astrid Lulling, die von der LSAP zur SdP und weiter zur CSV wechselte, eine Ausnahmeerscheinung der luxemburgischen Gewerkschafts- und Politikszene dar. Auch als „Seniorin“ gelang es ihr, einen völlig unerwarteten Platz zu halten. Ihr Wirken im Europäischen Parlament überstieg haushoch den Einfluss, den ihre Nachfolgerin und Lieblingsfeindin Viviane Reding aufbauen konnte. Dass die CSV ihr 2014 den Platz auf der Liste zu den Europawahlen aufgrund ihres Alters verweigerte, steckt ihr noch heute quer im Hals. Das Buch bietet einen Rückblick auf sechs Jahrzehnte politische Ränkespiele, vor dem Hintergrund des personenbezogenen, luxemburgischen Wahl-systems, auf Erfolge, Niederlagen und auf intensive Lobbytätigkeit für die luxemburgische (und manchmal auch europäische) Agrar- und Weinwirtschaft. Wenn heute eine Bar im Europäischen Parlament nach Astrid Lulling benannt ist, ist das eine etwas seltsame Referenz an eine Politikerin, die zwar so manchen (männlichen) Kollegen nach den Verhandlungen unter den Tisch getrunken hat, aber für ihr beinhartes Engagement und ihren umtriebigen Einsatz ehrliche Bewunderung verdient.

François Bausch

Romain Meyer hat mit seiner Biographie von François Bausch (erschienen im Frühjahr 2018 bei den éditions guy binsfeld) ein Buch vorgelegt, das zwar auch eine Politikerkarriere in den Fokus nimmt, diese dann aber in den Gesamtzusammenhang der politischen Ereignisse und der politischen Zeitgeschichte Luxemburgs stellt. Das Buch mit dem bescheidenen Untertitel „Skizzen eines politischen Lebens“ kann jedem Politikinteressierten in Luxemburg nur empfohlen werden. Abgesehen von den handwerklichen Qualitäten, die den Text des früheren Journalisten Romain Meyer auszeichnen, trägt auch die mit Sympathie durchsetzte Distanz des Autors zu seinem Sujet erheblich zum Lesevergnügen bei. Das Buch erzählt die Lebensgeschichte des ehemaligen Trotzkisten und heutigen Tram-, Eisenbahn- und Flughafenministers François Bausch (déi gréng) und gibt dabei einen exzellenten Einblick in die Aufbruchsstimmung der 70er und 80er Jahre. Die grüne Partei mit ihren idealistischen Ansprüchen und einer internen Kultur, die an Selbsthass, Neid und schlechten Manieren häufig kaum zu überbieten war, konnte diese Aufbruchsstimmung auch in Luxemburg am nachhaltigsten im Parlament kanalisieren. Dass diese politische Kärrnerarbeit auch sie selber veränderte, haben viele Grünen-Anhänger der ersten Stunde ihrer Partei nur schwer verziehen. François Bausch steht für den schnellen Wandel der Luxemburger Grünen zu Realismus, Pragmatismus und politischer Effizienz. Das Buch betrachtet diese Entwicklung und die politische Geschichte Luxemburgs der letzten Jahrzehnte sehr nuanciert und ohne den Leser zu einem Urteil zu führen. Am Ende bleibt die Frage offen, was Menschen wie François Bausch eigentlich antreibt, die sich so zielstrebig und rücksichtslos der öffentlichen Sache verpflichten.

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