Privatschulen

ein zweifelhaftes Gesetz und eine sterile Polemik

Als vor Jahren Forum ein Dossier zum Thema ‚Privatschulen‘ herausgab (Nr. 22/19.2.1978), war die Redaktion zur Schlussfolgerung gekommen, dass der alte Streit zwischen Staats- oder Privatschulen eigentlich überholt sei, oder es sein müsste. Dieser Auffassung ist heute nichts hinzuzufügen, auch nicht angesichts dieses Gesetzesprojektes, und schon gar nicht gegenüber dem deshalb entfachten Schulstreit.

Traurig ist nur, dass von allen Seiten immer wieder Öl ins Feuer geschüttet wird: vom zuständigen Minister, der nicht den Mut hat, das Projekt den Lehrerkonferenzen zur Begutachtung vorzulegen; vom „Luxemburger Wort“, dessen Sozialistenhetze und Gewerkschaftsfeindlichkeit keine Chance lässt, alte Graben zuzuschütten und alte Wunden zu heilen; von der Opposition, deren Antiklerikalismus, wenn nicht sogar Religionsfeindlichkeit, fröhliche Urständ feiert. (Eine erfreuliche Ausnahme bildet nur die besonnene und dialogbereite Stellungnahme von Lex Kayser im „Letzeburger Land“ vom 23.4.1982; traurig ist, dass sie die einzige dieser Art blieb auf Seiten der Opposition.)

Denn überholt ist er, dieser Streit, und er lebt nur noch vom ideologischen Fanatismus und der pädagogischen Engstirnigkeit und Kurzsicht der streitenden Parteien. Der Gegensatz, der zwischen Staats- und Privatschule künstlich geschaffen wird, beruht auf falschen Voraussetzungen. Die folgenschwerste davon ist wohl der Kurzschluss zwischen ‚öffentlich‘ und ’staatlich‘. Bildung und Schule sind gewiss ‚öffentliche’Angelegenheiten, die in der Verantwortung der gesamten Gesellschaft, und somit auch des Staates, liegen. Heisst dos aber, dass über die ihm rechtens zustehende Kontrolle hinaus, der Staat diese Aufgaben selbst lösen muss? Dürfen nur staatliche Schulen bestehen? Ist es nicht eher so, dass der Staat nur dort einzugreifen hat, wo die privaten Initiativen fehlen, versagen oder Unterstützung brauchen? Müssten demnach die privaten Schulen nicht angesehen werden als gemeinnützige Unternehmungen, die dazu beitragen, öffentliche Aufgaben zu lösen? (Nebenbei gesagt: Privatschulen sind nicht notwendigerweise konfessionelle Schulen, sogar in unserm Lande nicht.)

Eine andere irrige Voraussetzung ist noch hervorzuheben: Gehen die Anhänger der Staatsschule nicht davon aus, dass es nur ein Schulmodell, ein einziges Erziehungsprojekt gibt, nämlich das in den staatlichen Schulen durchgeführte? Und so lassen sie alternativen pädagogischen Bemühungen (Waldorf, Odenwald, Freinet, Decroly, Montessoriusw.) überhaupt keine Chance. Einzig Lex Kayser sieht hier weiter als seine Gesinnungsgenossen: „Es ist klar z.B., dass eine Waldorf-Schule ohne staatliche Unterstützung nur eine elitäre Schule für gut situierte Kinder der sog. gesellschaftlichen Oberschicht sein könnte… Das öffentliche Schulsystem (also auch die Schulgesetzgebung) ist so zu gestalten, dass sie die Verwirklichung von solchen Erziehungsprojekten ermöglicht … Meiner Ansicht nach hat ein öffentlicher Schuldienst den notwendigen Handlungsraum für die Verwirklichung verschiedener Erziehungsprojekte anzubieten, dies nach eingehender Diskussion mit den Elterngruppen und Pädagogen, die für solche Erziehungsprojekte eintreten. Das Erziehungsministerium sollte in diesem Falle einen Erziehungsvertrag mit den Vertretern der Erziehungsprojekte abschliessen. Damit wäre die voile Wahl- und Entscheidungsfreiheit der Eltern garantiert, und der Staat könnte sich versichern, dass das Erziehungsprojekt in Einklang mit seiner demokratischen Verfassung und seinen bildungsdemokratischen Richtlinien steht. Ich bin überzeugt, dass der Schulkrieg damit beendet wäre.“

Worauf es also ankäme, wäre weder das bestehende Nebeneinander der Schulsysteme abzusegnen, noch die Privatschulen restlos ins Staatssystem zu integrieren, sondern den öffentlichen Schuldienst gründlich zu reformieren, um einen echten pädagogischen Pluralismus zu ermöglichen.

Eine Stellungnahme zum vorliegenden Gesetzesprojekt muss von diesem Prinzip ausgehen. Und da kann man nicht anders als feststellen: Dieses pädagogische Ziel wird von dieser Vorlage nicht einmal angestrebt, geschweige denn erreicht. Sie begnügt sich mit der gesetzlichen Verankerung des pädagogischen Parallelismus statt Pluralismus. Wobei sie darüberhinaus jegliche pädagogische Alternative de facto ausschliesst. Man lese dazu Artikel 16: „(Cet enseignement) doit a) dispenser un enseignement collectif correspondant a un des ordres d’enseignement postprimaire du secteur public, b) suivre les programmes en vigueur dans l’enseignement public correspondant, de sorte que l’enseignement dispense puisse être sanctionne par les examens de l’enseignement public, c) respecter l’horaire de l’enseignement public, une différence globale n’excédant pas trois leçons hebdomadaires étant tolérée, a condition que soient enseignées toutes les branches prévues au programme de la classe de l’enseignement public, d) appliquer les critères d’admission et de promotion en vigueur dans les classes correspondantes de l’enseignement public.“

Der Kommentar dieses Artikels ist nicht weniger aufschlussreich: „Cette tolérance est destinée a permettre aux écoles privées d’accentuer un peu davantage telle matière d’instruction ou telle activité éducative, selon leurs conceptions pédagogiques propres. L’exigence fondamentale ci-dessus est motivée par les considérations suivantes: D’une part, il serait sans doute malaise d’apprécier correctement la nécessité, l’opportunité et les mérites d’un enseignement privé se situant en dehors du système éducatif de l’Etat. Par ailleurs, on sait que dans le domaine de l’instruction également il peut se manifester passagèrement des innovations a la mode et des engouements ephemeres qui, en attendant leur confirmation par l’expérience, ne mériteraient pas d’être encouragées par une subvention précipitée de la part de l’Etat. Au cas or) une lacune importante se ferait jour dans le système éducatif de l’Etat, ce dernier n’aurait-il pas l’obligation d’y remédier lui-même plutôt que de s’en décharger sur l’initiative privée?“

Was hier an pädagogischem Unverstand zutagetritt, ist haarstraubend. Wie sollen Privatschulen bei dieser fast restlosen Angleichung an die Staatsschulen noch eigene Akzente setzen, geschweige denn ein eigenes pädagogisches Projekt verwirklichen? Und haben die Autoren dieses Textes überhaupt eine Ahnung davon, doss ein solches Projekt ein Ganzes bildet, aus dem man nicht dieses oder jenes Stück herausbrechen und in ein anderes Projekt ohne weiteres einfügen kann? Letztlich bleibt keine Freiheit zu einem vom staatlichen abweichenden pädagogischen Modell; hier wird nur kräftig nivelliert, wie das auch sonst beim Staat so üblich ist.

Umgekehrt aber wird den Privatschulen die Möglichkeit einer eigenen pädagogischen Ausbildung ihres Lehrpersonals zugestanden (Art. 17). Man fragt sich nur zu welchem Zweck, da ja eine alternative Pädagogik in der Praxis gar nicht zum Zuge kommen kann, so dass dieses pädagogische Stage nur eine Doublette des staatlichen sein kann. Weshalb aber ein paralleles Lehrercorps schaffen, das nur böses Blut machen kann?

Andererseits wurden in Lehrerkreisen schon die 3 Stunden Programmfreiheit, die das Projekt den Privatschulen zugesteht, bemängelt, weil so diese Schulen einen unbestreitbaren Vorteil gegenüber Staatsschulen erhalten (z.B. mehr Mathematikstunden auf einer 1e B, weniger Optionskurse im technischen Sekundarunterricht – also mehr Allgemeinwissen). „forum“ hat deshalb schon 1978 gefordert, nicht den Privatschulen (noch)weniger Autonomie zuzugestehen, sondern auch den Staatsschulen mehr pädagogische Freiheit zu gewahren. Warum sollen nicht auch solche Schulen ein Internat gründen, einen Fahrkurs fürs Motorrad, u.a. einführen können, wenn Lehrer, Eltern und Schüler dies für nützlich erachten, und dann vom Staat entsprechend unterstützt werden?

Was ist also von diesem Projekt zu halten? Es hat einen Streit wieder aufleben lassen, der sich um ein falsch gestelltes und deshalb steriles Problem dreht. Es schreibt den pädagogischen Monolithismus ein für allemal fest. Es bringt allerdings den jetzt bestehenden Privatschulen Geld, so dass sie weiter bestehen können. Wem das genügt, der möge sich Ober das Gesetz freuen.

Hubert Hausemer

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