Protest in Frankreich, Deutschland und Luxemburg
Eine historisch-soziologische Skizze
In vielen Ländern Westeuropas hat sich in den vergangenen Jahrzehnten die politische Partizipation verändert. Während der Urnengang im festgelegten Jahres-Rhythmus zunehmend als unbefriedigend empfunden wird, ist die Bereitschaft mittels Kundgebungen und Protesten erwünschte Veränderungen herbeizuführen, angestiegen. Dieser Beitrag versucht, die Ursachen dieses Phänomens länderübergreifend zu beleuchten, bevor die Unterschiede der Protestkultur und -potenziale zwischen Frankreich, Deutschland und Luxemburg analysiert werden. Das Protestpotential wird dabei am Grad der Exklusivität des Staates gemessen, die Anliegen von Interessengruppen der Zivilgesellschaft1 als die eigenen zu verstehen.
Ausweg im Protest
Politische Partizipation ist ein mehrdimensionales Konzept, das unterschiedliche Handlungsformen einschließt. Die Verhaltenssignale des Einzelnen können mithilfe des Exit-Voice-Loyalty-Ansatzes interpretiert werden, der ursprünglich entwickelt wurde, um Handlungsmöglichkeiten von Akteuren in politisch fragilen Systemen zu analysieren.2 Zivilgesellschaftliche Akteure haben in Krisenzeiten folgende Optionen zur Wahl: sie erheben ihre Stimme zum Protest („voice“) oder üben Wahlenthaltung, ziehen sich aus dem öffentlichen Leben zurück oder emigrieren („exit“), wobei die Wahl zwischen beiden vom Grad der Loyalität gegenüber den politischen Institutionen abhängt.
Das Protestpotential nach dem Wertewandel
Als mit dem Rückgang traditioneller soziokulturelle Orientierungsmuster ab den 1960er Jahren klassenloyale Parteibindungen abnahmen, veränderten sich auch die materialistischen Wertepräferenzen und das Wählerverhalten. Das Bestreben nach postmaterialistischen Werten wie Selbstentfaltung oder ein Bewusstsein für Umweltschutz erzeugte neben dem sozioökomischen Konflikt der Verteilungsgerechtigkeit einen neuen Gegensatz. Den libertären Werteprioritäten wie Emanzipation und Bejahung von Multikulturalität stehen autoritäre Orientierungen wie Antipluralismus und soziale Abschottung gegenüber. Diesem Wandel vermochten sich die Parteilandschaften trotz neu entstandener Gruppierungen wie der „Grünen“ nur allmählich anzupassen, sodass Inkongruenzen zwischen der politischen Kultur und politischen Struktur sich zunehmend in spontanen und fluiden „Bewegungsgesellschaften“3 widerspiegelten.
Das Protestpotential in der Postdemokratie und die ökologische Erneuerung
Zur soziokulturellen Transformation gesellen sich globalisierungsbedingte Veränderungen der Politikarenen. Politische Entscheidungen werden heute zunehmend in einem auf mehreren Ebenen gleichzeitig ansetzenden Konsultationsprozess getroffen (Multi-Level-Governance), wo neben demokratisch legitimierten Regierungen transnationale, nicht gewählte Gremien vertreten sind, wie etwa der EU-Kommission, der Weltbank oder der europäischen Zentralbank. Die fortschreitende Globalisierung und Vernetzung der Lebenswelten hat die Mindestgröße von funktionalen politischen Räumen beständig wachsen lassen.4 Die Supranationalität schränkt jedoch die Fähigkeit von nationalen Regierungen ein, komplexe Probleme entsprechend der Bürgernachfrage zu lösen.5
Ein als alternativlos empfundenes transnationales Steuerungssystem politischer und wirtschaftlicher Prozesse bei gleichzeitig stattfindender neoliberaler Wirtschaftsderegulierung führt dazu, dass es immer schwieriger für die politischen Parteien wird, eine Beziehung zu den Wählern aufzubauen6, wodurch insbesondere die Volksparteien massiv an Wählergunst eingebüßt haben. Steigende soziale Ungleichheiten sorgten spätestens ab der Großen Rezession im Jahre 2008 für einen massiven Vertrauensverlust in die Problemlösungskompetenz der Politik. Die Konfliktlinie des Postmaterialismus/Materialismus hat sich dabei zu einem Werte-Cleavage zwischen den Kosmopoliten als Globalisierungsgewinnern und den kommunitaristisch verorteten Populisten mit „lokal-stationärem Human-, Sozial- wie Kulturkapital“7 weiterentwickelt. Letztere fühlen sich seit längerem weder ökonomisch noch diskursiv von den etablierten Parteien repräsentiert. Daher kann ihre Revolte als eine Reaktion auf einen in ihren Augen überschießenden Kosmopolitismus und Moralismus des Mainstream und der Bessergestellten gedeutet werden.8
Dieser mit reichlich Protestpotenzial angereicherte Konflikt überlagert sich mit dem der ökologischen Erneuerung. War nach der ersten liberal-kapitalistischen Staatstransformation mit Hilfe der Bourgeoisie das wirtschaftliche Wachstum der notwendige Impuls, so sorgte ein Jahrhundert später der Druck der organisierten Arbeiterklasse für den nötigen Imperativ zur Umwandlung zum Wohlfahrtsstaat, während heute – aus reinem Überlebenswillen – die schlichte Erhaltung und Bewahrung der Umwelt den Eintritt von ökologischen Erneuerern in den Kernbereich des Staates erfordert9, dabei aber eine globale Koordinierung unabdingbar ist.
Als „Kinder“ der Globalisierung10 fordern transnationale soziale Bewegungen angemessene politische Antworten auf globale Krisen, soziale Ungleichheit und entleerte demokratische Institutionen, ohne den Rückzug auf nationalstaatliche Politik zu verlangen, wie es bei der rechtspopulistischen Globalisierungskritik der Fall ist. Die Transnationalisierung der sozialen Bewegungen ist in den Protestkulturen Westeuropas trotz einiger gemeinsamer Projekte unterschiedlich ausgeprägt. Im Folgenden werden die diesbezüglichen Protestkulturen unserer Nachbarländer und Luxemburgs untersucht.
Frankreich: Dépaveurs de rue établis
Wohl kaum einer kennt es nicht: das 1830 entstandene Gemälde des französischen Malers Eugène Delacroix, La Liberté guidant le peuple, in der die barbusige Nationalfigur der Franzosen über Barrikaden stürmt. Der Revolutionsmythos erklärt, warum in Frankreich der Straßenprotest mehr als in jedem anderen europäischen Land von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen wird. Seine latente, permanente Existenz verdankt er der Kluft zwischen den tief verwurzelten Werten des republikanischen Gleichheitsideals und den chronisch hierarchischen Strukturen der französischen Gesellschaft. Bereits die im 19. Jahrhundert von Napoleon III. angeordnete Anlegung von schnurgeraden Straßen im vormals verwinkelten Paris diente der Verhinderung von Aufständen. Damit Pflastersteine nicht als Wurfgeschosse und zum Barrikadenbau benutzt werden konnten, wurden sogar Straßen entpflastert und mit dem neuartigen, aus verdichteten Gesteinskörnungen bestehenden Makadam-Belag versehen.11
Doch worin liegen die Grundursachen dieser französischen Eigenheit? Die Protestpotenziale in Frankreich sind vielfältig. Als erstes unterstützt die bereits von Tocqueville beklagte Abwesenheit einer starken französischen Zivilgesellschaft die Allmacht des Staates. Dazu gehören auch die mitgliedsschwachen, aber militanten Gewerkschaften, die – im Gegensatz zu denen in sozialpartnerschaftlich geprägten Ländern – Abstand zu den Regierenden und Arbeitgebern wahren.12 Als zweites fördert der Hang des französischen Staates zur räumlichen Zentralisierung ein Gefühl des Abgehängtseins in dünnbesiedelten Landesteilen. Ein Stadt-Land-Konflikt fördert populistische Strömungen, die Parallelen zum Poujadismus der 1950er Jahre aufweisen und an die amerikanische Farmerbewegung am Ende des 19. Jahrhunderts erinnern, die entstand, als der Boom der Ostküsten-Städte einsetzte. Drittens gibt es ein starkes Misstrauen gegenüber der oftmals von denselben Eliteschulen stammenden politischen Klasse Frankreichs. Der Verdacht der Klüngelei zwischen Spitzenvertretern in Politik und Wirtschaft gehört – häufig berechtigt – zum Repertoire der französischen Elitenkritik. Das System der französischen Elite ist dabei die Folge einer hierarchischen Gesellschaft mit hoher Machtdistanz.13 Um Zutritt zur Elite zu erlangen, müssen hohe Barrieren überwunden werden – und von Bedeutung sind nicht nur Kompetenzen, sondern in hohem Maße auch akademische und familiäre Herkunft. In Gesellschaften mit hoher Machtdistanz gehen politische Wechsel grundsätzlich mit Unruhe und Aufruhr einher.14 Dabei waren französische Eliten im Gegensatz zu ihren deutschen Gegenspielern im 19. Jahrhundert durchaus reformfreudig. Das verkehrte sich nach dem Zweiten Weltkrieg aber ins Gegenteil, als sich Deutschland der Arbeiterbewegung gegenüber inklusiver verhielt, während die Abwesenheit eines historischen Bruches, wie er in Deutschland gegeben war, in Frankreich die Aufrechterhaltung von exklusiven Strategien begünstigte15.
Das Phänomen der Gilets jaunes stellt eine neue Dimension von Straßenprotesten dar. Der französische Soziologe Louis Chauvel spricht in seiner Analyse von einer enttäuschten Erwartungshaltung vieler Franzosen, ihre Lebens- und Aufstiegschancen betreffend.16 Die heftigsten Straßenproteste seit 1968 stellen dabei eine Überlagerung unterschiedlicher Konfliktlinien dar: Die in Frankreich seltener in Erscheinung tretenden postmaterialistischen Protestpotenziale werden von den Bruchstellen der mit dem sozioökomischen Konflikt einhergehenden Demokratiekrise und den langfristig nicht gelösten Problemen der französischen Gesellschaft überlagert. Der frühere Umweltminister Nicolas Hulot drückt es so aus: „Il faut combiner les problèmes de fin de mois avec les problèmes de fin du monde“.17
Die neue Massenbewegung stellt einen Strategiewandel der bislang von Gewerkschaften orchestrierten Proteste dar, da sie ohne zentrale Koordination agiert.18 Deren Weigerung, repräsentative Strukturen aufzubauen und klar definierte Zielsetzungen zu formulieren, mag Grund zur Besorgnis sein in einem Land, wo die klassischen politischen Lager zerfallen sind.
Deutschland: Gesittete Wut
Auch wenn den Deutschen ein Revolutionsmythos fehlt, so rangieren sie knapp hinter den Franzosen bei der Bereitschaft, sich an Protesten zu beteiligen.19 Diese Form der politischen Beteiligung gilt heute als alltäglich und sozial akzeptiert, auch wenn sie in den 1970er Jahren noch Ängste vor einer „Unregierbarkeit“ ausgelöst hat.20 Das Protestverhalten wird seit den 1980er Jahren vorrangig durch Migrationsfragen und Themenfelder der neuen linkslibertären sozialen Bewegungen geprägt21, wie den Umwelt-, Friedens-, Solidaritäts-, Frauen- oder Homosexuellenbewegungen, deren Protestkultur sich im Laufe der Zeit an den politischen Zeitgeist angepasst hat. Während in den 1960er Jahren eine „Außerparlamentarische Opposition“ (APO) noch die kapitalistische Systemrationalität mit Forderungen wie „Enteignet Springer“ bekämpfte, arrangierten sich spätere soziale Bewegungen mit der Systemlogik und zielten eher auf eine ethische Verpflichtung der Multis zur ökologischen Nachhaltigkeit. Ab den 1990er Jahren wurden die Protestbewegungen wieder systemkritischer, indem globalisierungskritische Ideologeme eine neuartige Verbindung mit Elementen einer systemkonformen Unternehmensethik eingingen.22 Blickt man auf die zurzeit in Berlin anwachsenden Mieterproteste, bei denen nicht weniger als die Enteignung großer Wohnungskonzerne gefordert wird, darf man gespannt sein, wie sich zukünftige Protestbewegungen zur Systemfrage verhalten werden.
Wo liegen nun die landesspezifischen Bruchstellen in Deutschland? Ein Land mit einer aktiven Zivilgesellschaft, dezentralen Entscheidungsstrukturen, einem wenig ausgeprägten Stadt-Land-Konflikt und dank Sozialpartnerschaft und guter Konjunktur eines moderaten Gegensatzes von Arbeit und Kapital birgt überschaubares Konfliktpotenzial. Dies gilt jedoch eingeschränkt für den Osten des Landes, wo im Zuge der deutschen Wiedervereinigung zum Teil starke ökonomische Abstiegs- und Verlustängste vorherrschen, welche mit kollektiven „Kränkungs-, Abwertungs- und Deklassierungserfahrungen“23 als Folge der wirtschaftlichen und politischen Veränderungen einhergehen. Eine neue Bruchstelle zwischen Ost- und Westdeutschland mit hohem Protestpotenzial überlagert hier die kosmopolitisch-partikularistische Konfliktlinie.
Derweil die Themenfelder der Protestaktionen in Deutschland wegen weniger sozialer Entfremdungen grundsätzlich postmaterialistischer sind als in Frankreich, vermag das höhere Ansehen der Demonstranten in Frankreich eher das Narrativ des zum zivilen Ungehorsam aufrufenden Widerstandskämpfers24 zu bemühen – im Gegensatz zum die Gemüter stark bewegenden „Wutbürger“ in Deutschland.
Luxemburg: Keine Maschinenstürmer
Als es am 12. Mai 2009 vor dem ArcelorMittal-Gebäude am Rousegäertchen zu Ausschreitungen beim Aufmarsch von zweitausend Stahlarbeitern kam, waren Luxemburger Gewerkschaftler nicht vor Ort.25 Der OGBL-Gewerkschaftler Jean-Claude Bernardini erklärte später, dass der Arbeitnehmerprotest jeweils eigene Landessitten beachte. Damit hatte er das konsensuelle Miteinander der luxemburgischen Sozialpartner im Sinn, das es den Gewerkschaften erlaubt, zum Preis einer gezähmten Militanz Zugang zu peripheren Kreisen des Staates zu erlangen. Trotz gelegentlichen Säbelrasselns halten die Gewerkschaften sich stets an diese Abmachung. „Wir sind keine Maschinenstürmer“, meinte der frühere OGBL-Präsident Castegnaro.26 Schaut man nicht weiter als 80 Jahre zurück, so liegt die statistisch erfasste Bereitschaft27 der luxemburgischen Gewerkschaftsmitglieder, Gebäude und Fabriken zu besetzen, im ziemlich moderaten Bereich.
Der Klëppelkrich der Öslinger und Eifeler Bauern zur Wiederherstellung einer alten Ordnung gilt bis heute als einziger Massenaufstand in Luxemburgs Geschichte. Ein nationaler Revolutionsmythos konnte sich nicht daraus entwickeln, weil die luxemburgische Nation damals nicht mal in Gedanken existierte. Als man sich später zum Kleinstaat Luxemburg bekannte, war Widerstand eher im Bereich des David-und-Goliath-Syndroms verortet: mit der Faust in der Tasche antwortete man 1941 mit „luxemburgisch“ auf die drei entscheidenden Fragen der deutschen Volkszählung, und Jean Asselborns Merde alors zeugt vom stolzem Protest der Kleinen in einer Welt der Großen. Man mag nicht zu den Stillen und Leisen zählen. Die schiere Gegenwart vieler luxemburgischer Studenten im revolutionären Paris des Mai 1968 und Cohn-Bendits Zuflucht in Luxemburg bleiben auch beim regierungseigenen Internetportal28 nicht ohne Beachtung. Neun Jahre später wirkten sich deren Erfahrungen auf die Dialogbereitschaft bei der Tripartite-Gründung aus, so der realitätsfremde Mythos.
Protestpotenzial gibt es in Luxemburg wie anderswo, doch aus einem hohen Staatsvertrauen29 resultiert die grundsätzliche Missbilligung von Kundgebungen, die sich gegen den Staat richten. Auch liegt die Hemmschwelle der Beteiligung an öffentlichen Protesten wegen der höheren sozialen Exponiertheit im Kleinstaat höher. Vor allem der Wertewandel zum Postmaterialismus hat in Luxemburg Spuren hinterlassen. Als in den späten 1970er Jahren die um ihre Arbeitsplätze bangenden Werktätigen erfolgreich versuchten, mittels Sozialpartnerschaft Zugang zu Kernzonen des Staates zu erhalten, wurde den Umweltverfechtern und Atomgegnern dies zeitgleich verwehrt. Eine aufblühende Protestkultur war die Folge.
Die Tatsache, dass die Erträge des Globalisierungsgewinners Luxemburg vielen Menschen im Land zu Gute kommen, schafft Raum für Protestpotenzial mit eher werteorientierten Themen. Es sind neben globalen Fragen wie der Klimakrise auch zunehmend nationale Themen wie die gelegentlich zu heftigen Debatten führenden Kontroversen einer als nicht nachhaltig empfundenen Raumentwicklung und der sprachlichen Überfremdung. Dabei zeigen sich eher Parallelen zum deutschen als zum französischen Nachbarn. Die in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal von Youth for Climate organisierten Klimademonstrationen weisen nach Jahren des Ausbleibens von Jugendprotesten untrüglich auf die Existenz einer lebendigen Kultur des jugendlichen Aufbegehrens gegen vermeintliches politisches Fehlverhalten hin. Es bleibt zu hoffen, dass die junge Generation aus den Protesten klare politische Forderungen an die Regierung abzuleiten vermag, ohne sich regierungsseitig von schönen Worten und technokratischem Expertenwissen einlullen zu lassen.
Der in Europa allgegenwärtige kosmopolitische-partikularistische Gegensatz ist in Luxemburg nicht unmittelbar erkennbar, da die Partikularisten sich recht bedeckt verhalten. Ihr Protestpotenzial lässt sich schwer einschätzen, da ihre Anhänger sich teils von der Politik abwenden, teils auf sozialen Netzwerken ihren Unmut verkünden, aber kaum auf Protestveranstaltungen anzutreffen sind. Indikatoren zum Grad der Entfremdung lieferte das unerwartet klare Abstimmungsresultat beim Referendum zum Ausländerwahlrecht im Jahre 2015. Die Verhaltenssignale der politischen Partizipation in Luxemburg lassen nach Hirschmans Exit-Voice-Loyalty-Ansatz diesbezüglich auf einen recht hohen „Exit“-Anteil schließen, was auch darauf zurückzuführen ist, dass die politische Klasse und die Presse eine strikte Abschottungsstrategie gegenüber der populistischen Rechten verfolgen30. Ohne in Pessimismus zu verfallen, sei darauf hingewiesen, dass das erratische Wesen eines Kleinstaats nicht vor konjunkturellen Einbrüchen und ggf. daraus resultierenden Kürzungen der Sozialausgaben gefeit ist. Ein solches Szenario könnte zu Konflikten zwischen sozial weniger gut Gestellten und Zugewanderten führen. Besagte „Exiteers“ könnten in diesem Falle zu Protestlern mutieren und ihre Stimme erheben. Allein schon aus dem Grund wäre gegenwärtig eine lebendigere Streitkultur angezeigt.
- John S. Dryzek et al., „Environmental Transformation of the State: The USA, Norway, Germany and the UK“, in: Political Studies, Vol. 50, 4, 2002, S. 659-682.
- Albert O. Hirschman, Exit, Voice, and Loyality: Responses to Decline in Firms, Organizations, and States, Cambridge/MA, Harvard University Press, 1970. Das Konzept schließt auch privatwirtschaftliche Organisationen ein.
- Friedhelm Neidhardt/Dieter Rucht, „Auf dem Weg in die ,Bewegungsgesellschaft‘? Über die Stabilisierbarkeit sozialer Bewegungen, in: Soziale Welt, 44, 3, 1993, S. 305-326.
- Als Beispiel könnte man die Klimakrise anführen, die zur Lösung eine weltumspannende Kooperation erfordert.
- Zur optimalen Größe demokratischer Staaten siehe Robert A. Dahl/Edward R. Tufte, Size and Democracy, Stanford, Stanford University Press, 1973.
- Colin Crouch, Postdemokratie, Frankfurt/Main, Suhrkamp, 2008.
- Wolfgang Merkel, „Kosmopolitismus versus Kommunitarismus: Ein neuer Konflikt in der Demokratie“, in: Philipp Harfst/Ina Kubbe/Thomas Poguntke (Hg.), Parties, Governments and Elites: The Comparative Study of Democracy, Wiesbaden, VS, 2017, S. 9-23, hier S. 17.
- Ebd.
- Dryzek et al., a.a.O.
- http://www.bpb.de/apuz/138286/vorboten-einer-neuen-protestgeneration?p=all (letzter Aufruf: 28. Mai 2019).
- https://www.forbes.com/sites/carltonreid/2018/12/20/parisian-boulevards-built-wide-not-for-cars-but-to-better-quell-street-protests/#4fb4d1932d1c (letzter Aufruf: 28. Mai 2019).
- Das französische Modell der wirtschaftlichen Interessenvermittlung wird mithin als „corporatism without labour“ bezeichnet. Siehe Alan Siaroff, „Corporatism in 24 industrial democracies“, in: European Journal of Political Research 36, 1999, S. 175-205.
- Der sogenannte „Power Distance Index“ Frankreichs ist nach dem Kulturmodell von Geert Hofstede recht hoch. Culture’s consequences: Comparing values, behaviors, institutions, and organizations across nations, Thousand Oaks/CA, Sage Publications, 2001.
- Ders., Cultures and organizations: Software of the mind, London, McGraw-Hill, 1991.
- Donatella Della Porta/Mario Diani, Social Movements. An Introduction, Second Edition, Malden, Blackwell Publishing, 2006.
- https://www.science.lu/de/mouvement-social-en-france/dou-vient-frustration-des-gilets-jaunes (letzter Aufruf: 28. Mai 2019).
- https://www.liberation.fr/france/2018/11/23/nicolas-hulot-combiner-les-problemes-de-fin-de-mois-et-de-fin-du-monde_1693737 (letzter Aufruf: 28. Mai 2019).
- Siehe dazu den Beitrag von Ingrid Gilcher-Holtey in diesem Heft, S. 28-32.
- https://www.bpb.de/apuz/138276/deutschlands-protestprofil-im-wandel?p=all (letzter Aufruf: 28. Mai 2019).
- http://www.bpb.de/apuz/138286/vorboten-einer-neuen-protestgeneration?p=all (letzter Aufruf: 28. Mai 2019).
- https://www.bpb.de/apuz/138276/deutschlands-protestprofil-im-wandel?p=all (letzter Aufruf: 28. Mai 2019).
- So die Kritik von Sigrid Baringhorst, Veronika Kneip und Johanna Niesyto zur Brent Spar Kampagne von Greenpeace im Jahr 1995, Wandel und Kontinuität von Protestkulturen seit den 1960er Jahren: Eine Analyse ausgewählter Anti-Corporate Campaigns, in: Dies./Annegret März (Hg.), Politik mit dem Einkaufswagen. Unternehmen und Konsumenten als Bürger in der globalen Mediengesellschaft, Bielefeld, Transcript, 2007, S. 109-136.
- MIDEM, Migration und Populismus. Jahresbericht 2018, Dresden, 2018.
- Man denke nur an Stéphane Hessels Essay „Indignez-vous“.
- http://www.lessentiel.lu/de/luxemburg/story/protest-gegen-stahlgigant-in-ganz-europa-20922958 (letzter Aufruf: 28. Mai 2019).
- https://www.wort.lu/de/lokales/geschichtsdoku-auf-wort-lu-die-stahlkrise-jahre-am-abgrund-5559cb610c88b46a8ce597cf (letzter Aufruf: 28. Mai 2019).
- World Values Surveys, 4. Welle, 2001: 61% würden das niemals tun. Zum Vergleich: Frankreich 23%, Deutschland 78%.
- http://luxembourg.public.lu/de/actualites/2018/05/09-mai68/index.html
- Siehe meinen Beitrag „Vertrauen gut, alles gut? Zum Vertrauensverhältnis in Kleinstaaten am Beispiel von Luxemburg“, in: forum 394, April 2019, S. 35-38.
- Léonie de Jonge, „The Populist Radical Right and the Media in the Benelux: Friend or Foe?“, in: The International Journal of Press/Politics, Vol. 24, 2, 2019, S. 189-209.
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