Die Versprechen der blau-rot-grünen Koalition eine neue Transparenz-Kultur zu schaffen, sind nicht erfüllt worden. Gewerkschaften und Presserat waren in den vergangenen fünf Jahren in der Defensive und haben nur passiv Medienpolitik mitgestaltet und angemahnt.

Und jährlich grüßt das Murmeltier: Jedes Jahr dasselbe Prozedere beim traditionellen Neujahrspresseempfang. Der Premierminister lobt (und tadelt ein bisschen) die Presse, der Präsident des Presserats erinnert daran, dass die hiesigen Journalisten immer noch kein Recht auf Information – bzw. Auskunft haben. Im Anschluss wird ein bisschen gelacht und ein jeder macht sich übers Buffet her. Das ist bedauernswert! Denn Luxemburg ist europäisches Schlusslicht, was das Auskunftsrecht von Journalisten angeht: Let’s make it happen? – Fehlanzeige!

Dass dem so ist, liegt an einem historischen Fehler: Als die Verbände bereits 2003 dieses Auskunftsrecht im damals neuen Mediengesetz forderten, wurden sie von Staatsminister Jean-Claude Juncker vertröstet – und seither wurden sie immer wieder im Regen stehen gelassen. Zwar wurde noch vor der Sommerpause im Eiltempo ein Transparenzgesetz verabschiedet, doch auch dieses trägt den Forderungen von ALJP und Presserat keine Rechnung. Im Gegenteil: Die Kritik, dass dieses Gesetz wegen der langen Fristen (ein bis zwei Monate) und den vielen Ausnahmebestimmungen für Medienschaffende unbrauchbar und nicht praktizierbar ist, wurde nicht wahrgenommen. Schlimmer noch! Einige Mehrheitsabgeordnete, allen voran die Rapporteurin des Transparenzgesetzes Simone Beissel (DP), versuchten den Eindruck zu erwecken, es seien die Journalisten, die sich eine Extrawurst bestellen und sich somit von den Bürgerinnen und Bürger absetzen wollen. Das ist eine schlichtweg falsche Behauptung!

Zwar begrüßt die ALJP, dass es überhaupt ein Transparenzgesetz gibt – auch wenn es in seiner Ausführung recht zögerlich und auch für die Zivilgesellschaft nicht unbedingt nützlich ist – wie der Mouvement Ecologique in einer scharfen Stellungnahme im Vorfeld der parlamentarischen Debatten verkündet hatte.

Auch dem Umweltsyndikat ging das Transparenzgesetz nicht weit genug, der Méco stieß sich unter anderem auch an den langen Wartezeiten sowie an der Regelung, die dafür sorgt, dass die Administrationen im Falle einer Weigerung keinesfalls Begründungen nennen müssen. Wer wissen will, warum eine Information nicht raus darf, muss vor eine – vom Premier ernannte Kommission – und, im Falle einer Nichteinigung, vor das Verwaltungsgericht.

Fakt ist: Die Forderung der ALJP (und des Presserats) in Sachen Transparenz bleibt eine Verankerung des Auskunftsrechts im Pressegesetz. Der Presserat hatte diesbezüglich einen eigenen Gesetzesvorschlag ausformuliert und an Staatsminister Xavier Bettel gerichtet. Ausgangspunkt dafür war die informelle Anfrage eines Mehrheits-Abgeordneten, nachdem Presserat und Gewerkschaften im Frühjahr 2016 von der parlamentarischen Medienkommission angehört wurden. Dieser ausformulierte Vorschlag wurde Xavier Bettel im August 2016 überreicht – und ist dem Premier weder eine Erwähnung noch einen Kommentar wert gewesen.

Nicht anders erging es einer weiteren Forderung der Gewerkschaften. In dieser forderten sie die Abschaffung der sogenannten Circulaire Bettel. Doch auch diese ging bei der blau-rot-grünen Koalition sang- und klanglos unter. Diese Direktive, die eigentlich den Umgang zwischen Administrationen und Journalisten klar regeln soll, wird von den Medienschaffenden als Hindernis angesehen, wie eine Befragung seitens des Presserats beweist. Einzelne Anfragen müssen vom Beamten an die Pressestelle weitergeleitet werden – selbst wenn es sich dabei nur um einfache, praktische Fragen oder Statistiken handelt. In der Praxis ist das unzumutbar. Denn der zuständige Minister muss zuvor sein Einverständnis an die Pressestelle geben. Diese Vorgehensweise ist nicht alltagstauglich. Jede noch so unbedeutende Anfrage wird unnötig in die Länge gezogen. Durch dieses Verfahren ist eine politische Filterung der angefragten Informationen möglich. Transparenz und Medienkompetenz sehen anders aus. Die Art der Informationsvermittlung seitens der Regierung ist in der heutigen Mediengesellschaft nicht mehr zeitgemäß. Aus diesem Grund fordern wir die Abschaffung der sogenannten Circulaire und zudem die Verankerung des Auskunftsrechts im Pressegesetz.

Eine dritte und ebenfalls wichtige Forderung – die genauso versandete – ist der effektive Schutz von Whistleblowern. Durch die „Luxleaks-Affäre“ ist Luxemburg in den vergangenen Jahren immer wieder in das internationale Medien-Kreuzfeuer geraten. Dennoch schien es selbst für den grünen Justizminister Félix Braz keine Priorität zu sein, den Whistle-blower-Schutz zu verbessern. Und das obgleich dem Journalisten Edouard Perrin, der die Steuerrulings großer Konzerne enthüllte, der Status des Whistleblowers vor Gericht nicht zuerkannt wurde. Vielmehr war die Regierung damit beschäftigt, einer verschwindend kleinen Minderheit Niqab tragender Frauen das Busfahren zu verbieten. Nach anfänglichen Versprechen entschied sich Braz jetzt dazu, einen EU-Entwurf abzuwarten. Dieser Entwurf, der nun vorliegt, wird nicht mehr umgesetzt. Und das ist vielleicht Glück im Unglück: Denn die EU-Kommission will den Whistleblower-Schutz durch ein dreistufiges Filtersystem ventilieren. Erst nachdem der Whistleblower sich betriebsintern umgesehen und eine Ombudsstelle aufgesucht hat, darf er sich in letzter Instanz an die Presse wenden. Dieses System ist in unseren Augen nicht praktizierbar. Hätte Antoine Deltour (der Luxleaks-Whistleblower) sich zuerst an seinen Arbeitgeber wenden sollen und dann an die Steuerverwaltung (was er übrigens in seiner Darstellung vor Gericht tat)? Deshalb fordert die ALJP, bei der Umsetzung des EU-Entwurfs in die Beratungen miteinbezogen und gehört zu werden.

Als anerkannte Journalisten-Vertretung in Luxemburg sehen wir es als selbstverständlich an, in den Meinungs- und Gesetzbildungsprozess miteinbezogen zu werden. Das ist eine unserer zentralen Forderungen. In den vergangenen fünf Jahren hat die Politik wenig Interesse an den Forderungen und Ansichten der Pressevertreter gehabt. Sie wurden sogar mit einer gewissen Skepsis und mit Argwohn betrachtet. Das Vertrauen in die Qualität der journalistischen Arbeit ist nach wie vor gering. Dies illustriert sich in fast allen Maßnahmen, die das Presserecht betreffen oder nur tangieren – wie z.B. bei der Umsetzung der Datenschutzverordnung, bei der einige Administrationen – genannt sei hier das Justizwesen – in vorauseilendem Gehorsam Datenschutz vor Pressefreiheit gestellt haben.

Es ist ein sehr luxemburgisches Paradox: Auf der einen Seite gibt es zwischen Politikern und Journalisten eine Nähe, die in anderen Ländern unüblich ist. Auf der anderen Seite wollen dieselben Politiker den Medienschaffenden nicht die gleichen Rechte zugestehen wie ihren europäischen Kolleginnen und Kollegen. Die „beste“ Illustration dieses Umstands ist die Reaktion der Politik auf die „Chamber-Leaks“ des öffentlich-rechtlichen Radios 100,7. Statt sich bei den Journalisten für ihre Fairness dem Parlament gegenüber zu bedanken, gab es ein unhaltbares Hin und Her von Anschuldigungen, juristischen Schritten und sogar eine Hausdurchsuchung – dies ist einer offenen und transparenten Demokratie nicht würdig.

Und was für Journalisten gilt, gilt für Bürgerinnen und Bürger erst recht. Wer sich einen Überblick über die gesellschaftlichen Reformen der sogenannten „Gambia“-Koalition verschafft, erkennt schnell, dass diese Regierung in ihren Grundfesten ihrer eigenen Bevölkerung gegenüber sehr miss-trauisch ist. Sei es die Anti-Terrorgesetzgebung (bei der es fast dazu gekommen wäre, dass Redaktionsräume vorbehaltlos durchsucht werden können), dem mickrigen Archivgesetz mit der 100-Jahre Klausel zum Schutz der Interessen des Finanzplatzes, dem Zugang zu den EU-Firmenregis-ter oder dem Einführen des Notstands in die Verfassung: Die vielen Zweifel und Proteste aus der Zivilgesellschaft perlen an dieser Regierung ab. Deshalb setzt sich die ALJP auch dafür ein, dass es in Luxemburg zu einer Mentalitätsänderung in der Beziehung zwischen Staat, Bürgern und Journalisten kommt.

Zum Schluss ein Ausblick: Das nächste Mediengesetz – die Reform der Pressehilfe – ist auf dem Weg. Unseren Informationen zufolge sind die Verleger, die in die Beratungen einbezogen wurden, alles andere als begeistert. Was den Verlegern nicht schmeckt, kann auch den Journalis-ten nicht besser schmecken. Die Pluralität der luxemburgischen Medienlandschaft auch in Zukunft zu garantieren, ist – zumal in schwierigen Zeiten – die Pflicht einer jeden Gesellschaft. Sicher, die Pressehilfe bedarf einer Reform, allein weil sie in ihrer heutigen Ausrichtung bereits für erhebliche Ungleichgewichte sorgt. Auch die digitalen Medien – deren staatliche Hilfe bis jetzt nur durch eine ministerielle Direktive geregelt ist – müssen integriert werden, sowie die Transition der traditionellen Medien in Richtung Digitalisierung abgesichert werden muss. Ein weiteres und sicher nicht letztes Thema, das uns am Herzen liegt, sind die Freelance-Journalisten. Auch in Luxemburg werden diese öfters ausgebeutet, benachteiligt und teilweise schikaniert (wenn zum Beispiel ein Medium einen Freelancer nicht mit anderen teilen will). Die ALJP hat eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema einberufen und wird zum gegebenen Zeitpunkt auch ihre Vorschläge präsentieren.

All dies sind große Herausforderungen, die von der nächsten Regierung wahr- und ernst genommen werden müssen. Wer diese Verantwortung nach den Parlamentswahlen trägt, wird sich nach dem 14. Oktober zeigen. Klar ist jedoch, dass die ALJP auch weiterhin die Entwicklung der Informations- und Medienpolitik genau verfolgen und immer dann den Finger in die Wunde legen wird, wenn die Pressefreiheit bedroht ist oder die Pluralität in Gefahr gerät.

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