Schlimmer als die Bewerbung für einen Job?
Die Facebook-WG-colocation-à louer-Welt Luxemburgs
Die Zeiten, in denen man sich eine Zeitung gekauft hat, mit Textmarker die interessantesten Mietangebote hervorgehoben und sich dann auf Besichtigungstour begeben hat, sind längst vorbei. Der Zeitpunkt der Suche beschränkt sich mittlerweile nicht mehr auf das Wochenende, sondern läuft rund um die Uhr über das Netz.
Ein Trend, der sich seit ein paar Jahren entwickelt, sind Facebook-Gruppen für die WG- und Wohnungssuche. Anbieter posten ihre Wohnungen oder freien Zimmer (im Allgemeinen direkt mit Fotos) und Suchende posten, was sie für eine Unterkunft wann und wo benötigen. So können sich beide Seiten bequem, sei es über die Kommentarfunktion oder über eine Privatnachricht, austauschen. Dabei gilt es, die nötige und übliche Vorsicht anzuwenden, denn die Angebote sind weder geprüft, noch sind die User verifiziert.
Ein Blick auf die einschlägigen Seiten zeigt, dass die Nachfrage das Angebot weit übersteigt. Zurzeit ist es in Luxemburg sicherlich schwerer, ein Zimmer oder eine Wohnung zur Miete zu finden als einen Job. So ist es auch nicht verwunderlich, wenn mehr und mehr Agenturen, oder Leute die für Agenturen arbeiten, diese eigentlich nicht-kommerziellen Plattformen nutzen, um (gezielt) auf ihre Produkte und Lösungen aufmerksam zu machen.
Als besonders interessant oder besonders spannend kann man die regen Unterhaltungen zwischen besorgten Interessenten und erfahrenen „Testpersonen“ bezeichnen: Der Informationsaustausch zwischen den Menschen ist in der Tat der Mehrwert des sozialen Netzwerks. Welche Agentur würde beispielsweise auf störende Geräusche der Heizrohre hinweisen?
Es gibt drei größere Plattformen (WG’s zu Lëtzebuerg, Colocation Luxembourg, Ze verlounen/sichen ze lounen – vu privat zu privat) auf Facebook, die zurzeit (März 2017) insgesamt 10662 Mitglieder zählen – Wiederholungen und nicht aktive Mitglieder nicht ausgeschlossen. Diskutiert wird auf Französisch, Englisch und Luxemburgisch. Die Profile der Suchenden stammen oft aus Frankreich oder Südeuropa. Immer öfter kommen Anfragen aus/auf Luxemburg/Luxemburgisch. Das Alter liegt im Durchschnitt zwischen 25-35 Jahren. Bei der überwiegenden Mehrheit der Suchenden handelt es sich um Einzelpersonen.
Es ist schwer, einen Durchschnittspreis festzulegen, zwischen 500-700 € sind es in der Regel schon. Eine Grenze nach oben gibt es nicht, sogar vierstellige Zahlen sieht man vereinzelt. Geht man auf Wohnungssuche in eher ländlichen Gegenden, findet man auch Angebote für knapp 500 €. Im Endeffekt hat der Vermieter oftmals die Wahl zwischen zehn Interessenten. Interessant ist, dass auch hier immer häufiger Angebote aus der Grenzregion auftauchen, vereinzelt perlt etwas aus Perl herein, vereinzelt kann man sich unweit von Ikea in Arlon niederlassen. Und auch auf dem Markt der Einzelzimmer scheint der Hinweis „avec parking“ ein Qualitätsmerkmal zu sein. Die Anbindung an den öffentlichen Transport wird fast schon als eine Art Standard angesehen, was positiv auffällt.
Auch wenn der eigentliche Vorteil dieser Plattformen im Versprechen „no agency fees“ besteht, versuchen Agenturen hier ihr Geld zu verdienen. Doch bei der Wohnungssuche ist es letzten Endes wie mit dem Co-voiturage: Die Menschen sind fähig, sich selbst zu organisieren, es braucht noch nicht einmal eine staatliche App, wie das MDDI sie gerade für grenzüberschreitende Mitfahrgelegenheiten entwickelt. Wenn die Kommunen und der Staat wirklich etwas zur Unterbringung der Jungen und weniger Betuchten beitragen wollen, müssten sie in die Hardware investieren, verbieten, dass Wohnungen leer stehen, gemeindeeigenen Wohnraum schnell auf den Markt bringen und nicht über Jahre hinweg und nur tröpfchenweise renovieren lassen und weitere Sozialwohnungen anbieten. Aber das ist eine andere Geschichte.
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