Vielleicht wäre wirklich alles anders verlaufen, wenn der Neandertaler nur durchgehalten hätte…Vor einigen Tagen konnten wir lesen, dass ein Team um Dirk Hoffmann vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie mit großer Sicherheit nachgewiesen hat, dass Neandertaler dem modernen Menschen kognitiv in nichts nachstanden und zu symbolischem Denken in der Lage waren (siehe die Februar-Ausgabe von Science).

In der Studie werden den Neandertalern erstmalig komplexe Höhlenmalereien an mehreren Fundorten in Spanien zugeschrieben, die noch dazu viel älter sind (mind. 64.000 Jahre alt) als jene, die bislang Homo sapiens zugeordnet wurden. Homo sapiens besiedelte Europa erst vor etwa 45.000 Jahren, was – wie wir wissen – parallel zum Verschwinden der Neandertaler passierte. Da die Entwicklungslinien von Homo neanderthalensis und Homo sapiens sich vor mehr als 500.000 Jahren trennten, darf jetzt davon ausgegangen werden, dass die Ansätze zu Intellekt, Sprache und abstraktem Denken bei dem gemeinsamen Vorfahren lagen, den wir Homo erectus nennen.

Warum ist das wichtig? Der Mensch scheint sich so einzigartig zu sehen, dass er schon Schwierigkeiten hat, seinen eigenen Nachbarn als ebenbürtig anzuerkennen. Sprache, Intellekt und symbolisches Denken (Riten und Religion) dienten uns darüber hinaus als Trennungslinie zum Tier, dem absolut Anderen. Diese Trennungslinien brechen jetzt eine nach der anderen auf.

Dieses Andere, das uns gleich ist, rückt u.a. mit unserem Cousin, dem Neandertaler, immer näher an uns heran. Während wir eine Lebensform nach der anderen ausrotten (das sechste große erdgeschichtliche Artensterben läuft gerade in Echtzeit vor unseren Augen ab), müssen wir erkennen, dass es keine objektive Begründung mehr für unseren Herrschaftsanspruch über diese Welt gibt.

Unser Dossier ist einerseits Teil einer globalen Debatte, die darauf hinaus läuft, als notwendige Ergänzung zu den Menschenrechten auch Tierrechte zu etablieren. Die Texte sind aber auch ein Beitrag zum beginnenden Wahlkampf. Der Umgang mit den nicht-menschlichen Tieren spielt sich in Luxemburg in erster Linie in den Ställen und bei der Lebensmittelversorgung ab. Mit den 1380 Menschen (Statec, 31.3.2017), die in Luxemburg direkt von der Landwirtschaft leben, sollten wir ins Gespräch kommen (nicht jedoch mit den Verkäufern von überdimensionierten Maschinen, Saatgut und Antibiotika). Wir, d.h. die interessierte Allgemeinheit und die kommende Regierung, müssen mit diesen Menschen unbedingt gemeinsame Wege entwickeln, die nicht in der Tierfabrik enden. Zum Verkauf stehendes Agrarland muss vom Staat in einem Fonds konsequent aufgekauft und an die verbleibenden Bauern verpachtet werden. Attraktive Geschäftsmodelle müssen entwickelt werden, die den Bauern jenseits der europäischen Agrarpolitik eine Perspektive geben. Dem liberalen Wirtschaftsminister (Etienne Schneider, LSAP) ist es gelungen, den
Energiesektor an Brüssel vorbei praktisch zu renationalisieren. Es gibt keinen Grund, warum die Agrarwirtschaft nicht ähnlich nachhaltig umgestaltet werden könnte – im Interesse aller Bewohner dieses Landes.

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