Ein Heft zum luxemburgischen Wahlsystem muss zum jetzigen Zeitpunkt völlig deplatziert wirken. Nach dem Scheitern des Referendums von Juni 2015 und dem vorläufigen Abschluss der Arbeiten an der Verfassungsreform ist dieses Kapitel für mindestens anderthalb Jahrzehnte zugeschlagen. Eine tiefgreifende Öffnung, wie sie von der Regierung ursprünglich geplant war, um die Wählerbasis des luxemburgischen Abgeordnetenhauses substantiell zu vergrößern, steht nicht mehr an. Zu den Nationalwahlen werden auch in Zukunft nur Einwohner mit luxemburgischem Pass zugelassen sein, die über 18 Jahre alt sind. Doch über das Nationalitätengesetz wurde die Gemeinschaft der Luxemburger über die Wallonie bis in die USA erweitert, und die Geschlechter-Repräsentativität der Abgeordneten soll über den Umweg des Parteienfinanzierungsgesetzes aufgebessert werden. Die Demokratie steht nicht nur in Luxemburg unter Rechtfertigungsdruck und muss sich weiterentwickeln. In unseren Nachbarländern, europa- und weltweit sind ihre Gegner auf dem Vormarsch. Klar ist, dass die Diskussion bei diesem Thema nicht stehen bleiben darf, auch wenn der Souverän (in seiner heutigen Definition) bei uns auf absehbare Zeit einen engen Rahmen gesetzt hat.
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Wenn Sie dieses Heft in den Händen halten, wird der Name des nächsten französischen Präsidenten feststehen. Unabhängig vom Ergebnis sollten Sie jetzt ein Buch lesen, das die Entwicklung in Europa und der Welt in einen Zusammenhang bringt: Das Zeitalter der Regression (auf Deutsch bei Suhrkamp) ist ein gleichzeitig in dreizehn Sprachen erschienener Sammelband, der das Scheitern der Emanzipationsbewegungen und den Vormarsch der autoritären Nationalisten und Identitären weltweit analysiert. Unter den Autoren finden sich 15 bekannte Namen aus der Soziologie, der Politikwissenschaft, der Anthropologie, der Publizistik … (von Arjun Appadurai, Zygmunt Baumann, Nancy Fraser, über Bruno Latour bis zu Slavoj Zizek). Wer sich in Luxemburg über 5% Wachstum im kommenden Jahr freut, sollte das Buch in die Hand nehmen und sich fragen, auf welchen Trümmern dieser Erfolg gebaut ist. Und selbst hier tragen die Lamborghinis und Ferraris, die neuerdings am Samstag durch die Straßen der Hauptstadt dröhnen, nicht wesentlich zur Befriedung der Gesellschaft bei.
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Am 15. Mai laden wir unsere Leser und Freunde herzlich zu einer weiteren Folge unserer Veranstaltungsreihe public forum ein – diesmal ist sie der Zukunft des Journalismus gewidmet. Eine ausführliche Ankündigung finden Sie auf der letzten Seite. Wir würden uns wirklich freuen, wenn Sie dazu kommen und mitdiskutieren!
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