Liebe Leserin, lieber Leser
Diese forum-Ausgabe steht ganz unter dem Zeichen gesellschaftlicher und technischer Umbrüche. So drohen die Reaktionen auf die Attentate von Brüssel und Paris unser rechtsstaatliches Gefüge weiter aufzuweichen. Der Zugriff der europäischen Regierungen auf Sondervollmachten im Rahmen diffuser Notstandsregelungen wird immer machtvoller, je mehr die Politik gegenüber einer verängstigten Bevölkerung Handlungsfähigkeit vortäuschen muss. Frank Wies entwickelt auf Luxemburg bezogen dazu ein interessantes, nur halbwegs futuristisches Szenario (ab Seite 56). Eine weitere Lanze für die Grundfreiheiten bricht Mohamed Hamdi. Er liefert (ab Seite 51) ein überzeugendes Plädoyer für die Meinungsfreiheit sogar für populistische Rattenfänger, deren Grundrechte wir umso mehr zu respektieren haben, als unsere Werte sich gerade hier von den ihren abheben. Auch Michel Pauly im Editorial auf Seite 5 verlangt, dass wir uns mit der Gedankenwelt der europaweit erstarkenden Rechtspopulisten konkret auseinandersetzen. Nicht die Verteufelung ihrer Wähler sei heute angesagt, sondern ein Bündnis gegen Rechts, das gemeinsam die autoritären und autoritätsgläubigen Refexe abwehrt. Eine Hintergrundanalyse liefert dazu Léonie de Jonge, die die Erfolge rechtspopulistischer Parteien in Luxemburg und der Schweiz vergleicht.
Große Umbrüche sind auch in der Arbeitswelt zu verzeichnen: Automatisierung, Digitalisierung und Robotisierung verändern die Anforderungen und die Stellenprofile, viele Jobs gerade in mittleren Karrieren fallen weg, neue Managementmethoden in den Unternehmen verlangen „emotionale Intelligenz“ statt einer genormten Ausbildung. Die Auflösung fester Arbeitsverhältnisse und gewachsener Loyalitäten stellen den Einzelnen und die Betriebe vor neue Herausforderungen. Gewerkschaften einerseits und das Arbeitsrecht andererseits bieten in diesem unsicheren Umfeld nur noch wenig Halt.
Überhaupt scheint diffuse Angst das prägende Gefühl für viele Menschen zu sein – angesichts einer Zukunft, die offen vor uns steht. Die Versuchung ist dann groß, sich an den oft missverstanden Rat Voltaires zu halten, der in seinem Candide zum Schluss kommt: „il faut cultiver son jardin“. Doch mit dem Bestellen des eigenen Gartens ist gerade nicht Rückzug gemeint, sondern die Aufforderung zum tätigen Eingriff in die Welt. Auch für Hannah Arendt bestand die vita activa ja gerade nicht nur aus existenzsichernder Arbeit, sondern auch aus dem Schaffen kultureller Artefakte, die Halt und Heimat bieten, und zudem aus politischem Handeln, das alleine den Lauf der Welt (mit-)bestimmt. Parteien, Vereine, Gewerkschaften und lokale Initiativen sind die Orte, wo die Zukunft verhandelt wird. Es ist Zeit in den Garten zu gehen und mit anzupacken!
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